fünf

46 7 1
                                    

Es ist ein kleiner stickiger Raum voller sorgfältig einsortierter Bücher, in dem ein Junge sitzt. Die trübe Glasscheibe lässt nur einen kleinen Bruchteil der Sonne durch, der Staub tanzt durch die Luft, doch der blonde Junge lässt sich nicht stören und zieht vorsichtig ein rotes Buch aus einem der Regale. Die eingestanzten Buchstaben auf dem Buchrücken schmeicheln seinen Fingern, das Leder ist geschmeidig, nur geringfügig ist der Einband abgegriffen. Die Seiten sind aus hochwertigem Pergament, die Buchstaben aus der rabenschwarzen Tinte sind allesamt ein Kunstwerk für sich.
Sein Name ist Armin von Blankenschütz, er ist ein Adliger, behütet vor allem bösen auf dieser Welt, noch nie im Leben war er außerhalb der Mauern, wobei man Mauern bei ihm genauer definieren müsste. Denn er hat auch Mauern im Herz, diese Mauern, die ihn nur von der Außenwelt träumen lassen, wegen denen er jeden Tag die Bücher seines Vaters durchstöbert, von der Außenwelt liest. Und vom Meer.
Schon als kleines Kind hatte diese gewaltige Wassermasse fasziniert. Er wollte, nein er konnte!, sich gar nicht vorstellen, dass diese ein Ende haben würden und man auf anderes Land trifft, wenn man nur lange genug reist. Manchmal, wenn sein Vater einen Empfang hielt, lud er auch gestandene Kapitäne ein, irgendwann im Laufe des Abends gesellte sich Armin schon als kleiner Junge zu ihnen und lauschte den Abenteuergeschichten der Männer.
Auch heute noch, als fast fünfzehnjähriger Junge, oder wie er sich mittlerweile schon bezeichnet, als junger Mann, faszinieren ihn die Fabeln über die wunderschönen Sirenen, die draußen auf den Felsen lauern noch immer, oder die Erzählungen von Seedrachen und gewaltigen Stürmen, die selbst die tapfersten Männern die Knie zittern lassen.
Armin ist wissbegierig, von Anfang an, hielt seine Mutter nicht viel davon, sie liebt ihn so sehr sie ihren Sohn lieben kann, doch sie kann seinen Wissensdurst nicht stillen, nach und nach überwächst er ihren kleinen Engel, nur ihr Gatte kann ihn noch löschen.
Lucius von Blankenschütz ist schon oft auf Reisen gewesen, bis er sich seine Frau Katherine nahm und auf den Burgsitz zurück zog. Ein knappes Jahr später gebar sie ihm seinen ersten Sohn, Eren. Den Namen Eren hörte er Jahre zuvor auf einer Reise, er gefiel ihn und er nahm ihn mit nach Hause, um seinen ersten Sohn zu benennen. Ein weiteres Jahr nach diesem großartigen Ereignis bekam er einen zweiten Sohn, er nannte ihn Armin, er war wie ein Engel für ihn, wissbegierig, neugierig und unschuldig.
Eren ist jedoch das Gegenteil seines jüngeren Bruders, er hat braunes Haupthaar, leuchtend grüne Augen, die in der Sonne funkeln können, wie die wertvollsten Smaragde, sein Körperbau ist kräftig, er ist stark und kräftig, wird von Anfang an physisch ausgebildet, zu einem starken Ritter ausgebildet, bei dem besten Ritter der Umgebung in Knappenschaft genommen und ausgebildet.
Armin hingegen war blond, mit hellen blauen Augen, er war kleiner, dünner und seine ganze Stärke kam aus seinem Kopf, womit er alles wettmachen wollte.
Er ist zwar nicht mutig, aber loyal, intelligent und neugierig, während Eren gewalttätig, Hitzköpfig und unüberlegt ist.
Zwei Brüder so unterschiedlich, wie sie es nicht sein könnten.
Katherine bevorzugt Eren deutlich, sie vergöttert ihren Sohn, schwärmt tagelang von seinen Taten, sie ist dünn und klein, mit strahlend hellen Haaren und grünen Augen, so dunkel wie der Wald.
Lucius hingegen würdigt Armins Neugierde, mit der Zeit ist ihm immer unwohler in Erens Gegenwart geworden und oft sitzen die beiden noch Abends am erloschenen Kaminfeuer und er erzählt seinem jüngsten von der Welt, wie er sie erlebt hat.
~~~
PoV Armin
» Armin?«, die leise Stimme meiner Mutter reißt mich aus meiner Lektüre, ich stehe vom Sessel auf, richte meine Ärmel und meinen Kragen von meinem Gewand und stelle das Buch zurück, puste die helle Kerze aus und gehe aus dem Raum. Auf dem Treppenabsatz stehend gucke ich mich auf der Suche nach meiner Mutter um.
» Hier bist du ja!«, Frieda, Mutters Zofe zieht mich an der Hand zu ihr.
» Fass meinen Sohn nicht an, Frieda!«, keift diese direkt und schuldbewusst guckt die dunkelhaarige auf den Boden und nickt, während Mutter ihre kleine Nase rümpft, ihren Kopfschmuck richtet und mich mit ihren grünen Augen fixiert.
» Es gibt Essen.«, sagt sie kühl und ich frage mich, was aus meiner liebevollen Mutter geworden ist, dass sie mich so mustert, als ob ich nur ein kleiner Käfer bin, den sie gleich zerquetschen wollen würde.
» Ja, ich werde da sein...«, ich senke meinen Blick ebenfalls und mit bauschendem Kleid rauscht sie an mir vorbei, mit hoch erhobenem Kopf und einem Stolz, der für zwei reichen würde.
Frieda lächelt mir noch einmal kurz zu und folgt ihr dann stumm, ich sehe den beiden nach.
Seit Eren nicht mehr an diesem Ort ist, ist Mutter nicht mehr sie selbst, sie wartet auf seine Heimkehr von seiner ersten Schlacht, im Süden, die heiligen Städten Christi von den grausamen Heiden zurück zu erobern. Wie so oft, schon ungezählte Male scheiterten die Christen an dieser Aufgabe, es ist wie gegen den Flussstrom zu schwimmen. Dabei bräuchte man die Ritter nicht dort, wo sie nach einander wie Eintagsfliegen sterben, sondern hier, dort, wo jeden Tag gebrandschatzt, gemordet, vergewaltigt, erobert und getötet wird.
Ich rümpfe meine Nase und gehe Richtung des Essenssaals. Vater hatte wirklich viel Geld verwendet für den Bau unserer Burg, dabei stehen wir nicht einmal auf einem richtigen Berg, sondern eher auf einer waldigen Erhöhung, die man schlecht als Berg bezeichnen kann.
Leise klingen die Geräusche unseres Silberbestecks bis hin zu mir und ich lege einen Schritt zu und öffne die schwere Flügeltür zum Saal, Mutter sitzt bereits am Tisch und betrachtet das Essen, was noch dampft, Vater legt langsam seine Lektüre weg und guckt mich streng an, ein Moment lastet die Stille über uns und er zieht einen Stuhl neben sich zurück.
» Setz dich zu mir, mein Sohn.«, sagt er sanft lächelnd, doch der kühle Ausdruck in seinen Augen entgeht mir nicht.
Stumm essen wir alle, ich will weg.
~~~



FuchsjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt