Nachtgedanken

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Es war eine stille Nacht im Land des Ewigen Eises. Am dunklen Himmel leuchteten die Polarlichter in den wundervollsten Farben, doch niemand achtete darauf- die Bewohner waren ihre Schönheit längst gewöhnt und schliefen. Nur im Eispalast in der Mitte des Königreiches Alba regte sich so spät noch etwas. Am Fenster des prachtvoll verzierten Gebäudes aus Ewigem Eis stand eine junge Frau in einem bodenlangen weißen Kleid, das ihren schlanken Körper betonte. Die dunklen Haare waren gekonnt zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt und mit zwei funkelnden Haarnadeln befestigt. Die Gesichtszüge des Mädchens waren hübsch und ebenmäßig, doch in ihren braunen Augen lag große Qual, sie sprachen von Sorgen, Zweifelund Angst. Der Angst vorm Versagen. Denn sie war Eisprinzessin, Tochter des Schneekönigs und somit seine Nachfolgerin- morgen würde die Krönung stattfinden.

Viel zu früh musste sie sein Amt antreten, sie war noch so jung und obendrein verwaist: Es war drei Wochen her, dass der Schneekönig, ein weiser und gerechter Herrscher, im Kampf gefallen war; und vor etwa zwanzig Jahren war seine Gemahlin kurze Zeit nach der Geburt ihres ersten und einzigen Kindes ums Leben gekommen. Die Eisprinzessin hatte deshalb keinerlei Erinnerungen an sie, doch man sagte ihr nach, dass sie ihrer Mutter sehr ähnelte. Die gleiche zierliche Statur, das gleiche ernste Gesicht, die gleichen unverwechselbaren Haare. Und, natürlich, die Augen. Ihre Mutter war aus dem warmen Süden gekommen und hier eine Fremde gewesen. Die Kronprinzessin war zwar in Alba geboren und aufgewachsen, doch sie hatte das fremdartige Aussehen von ihr geerbt. Sie fuhr mit der zartgliedrigen Hand zum Kopf und befreite die schlanken Eiszapfen aus der Hochsteckfrisur. Diese löste sich und die glatten Haare flossen ihr bis zur schmalen Taille. Sie schmiegten sich an ihren Oberkörper wie schwarze Seide und rahmten das hübsche Gesicht ein. Zwischen ihren Fingern lagen angenehm kühl und seltsam beruhigend die Haarnadeln aus Ewigem Eis, also aus gefrorenem Elfenwasser, das niemals schmilzt.

Die Prinzessin schritt zu ihrem Nachttisch und legte sie dort ab. Dann trat sie wieder ans Fenster und sah hinaus in die Nacht. Sie musste an ihre baldige Regentschaft denken und obwohl sie nach außen hin ruhig und beherrscht wirkte, fürchtete sie sich. So viele Erwartungen wurden an sie gestellt, und wenn sie erst einmal Schneekönigin war, war sie alleine für das Volk zuständig. Nun ja, fast alleine- schließlich gab es da noch den Rat, der ihr bei ihrer Aufgabe als Herrscherin beistehen sollte. Bis jetzt hatten die Gelehrten und Minister aus dem Rat über alles Wichtige entschieden, doch das würde sich bald ändern. Morgen schon. Ich kann es nicht, fuhr es ihr durch den Kopf. Ich kann es nicht. Plötzlich kamen ihr ihre Gemächer furchtbar heiß und schwül vor; Schweiß rann ihr den Rücken hinunter und sie hatte das Gefühl zu ersticken.


Die Geschichte ist bereits fertig, aber ich habe beschlossen, sie in kurze Kapitel zu teilen. Nächste Woche geht es weiter. Ihr wisst ja alle, dass man Kommentare schreiben kann, deshalb werde ich niemanden exra dazu auffordern. Über Feedback freue ich mich natürlich =) Copyright und alles liegt bei mir, das Cover hat eine Freundin gemalt.

Viel Spaß beim Lesen!

Mira


Die SchneeköniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt