Kapitel 14

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HONIGPELZ GERIET immer mehr außer Rage und lenkte alle Aufmerksamkeit auf sich. Hatte sie etwa Angst, dass Goldkralle in Buntauges Fusstapfen treten würde und auch so gefährlich sein würde? Honigpelz war nicht grausam und würde, selbst wenn sie das glaubte, sie nicht töten, sondern erst dann, wenn die goldene Kätzin bemerkte, dass Goldkralle wirklich eine Gefahr für den Clan ist. Langsam und leise, ohne bemerkt zu werden, stiel sie sich davon und rannte zum Heilerbau. Doch mitten auf dem Weg brach sie ab und rannte instinktiv zu Graupelz, der sich mit Löwenpelz über den Zustand der zweiten Anführerin diskutierte. Doch auch hier bremste sie mitten auf dem Weg. Mit wem könnte sie darüber reden? Sie dachte an Blaufuß. Wenn Buntauge die Fähigkeit hatte, Dinge, die nicht wirklich da sind, herbeizuzaubern, dann müsste das ihre Mutter doch auch können, so wie Rotstern vermutete, dass Goldkralle die einzigartigen Fähigkeiten ihrer Mutter geerbt haben könnte. Oder war diese Fähigkeit ein Geschenk des SternenClans? Vielleicht war Buntauge auserwählt worden, irgendetwas zu tun, hatte aber den falschen Weg eingeschlagen und stattdessen ihre Macht ausgenutzt? Sie wusste, dass Blaufuß auf Patroullie war, und beschloss, sie suchen zu gehen. Gerade als sie losmarschieren wollte, sah sie Blaufuß zusammen mit ein paar anderen Katzen durch die Büsche auftauchen. Sie mussten von dem ohrenbetäubendem Geschrei von Honigpelz angelockt worden sein, um zu schauen, ob etwa ein Angriff stattfand. "Blaufuß! Blaufuß, warte!" schrie Goldkralle und rannte so schnell, wie es ihre schlaff gewordenen Muskeln erlaubten, auf die eindrucksvolle, alte Kätzin. "Goldkralle, was ist los?" - "Blaufuß, ich habe etwas schreckliches erfahren und möchte mit dir darüber reden, bitte!" Blaufuß schickte ihre Patroulliengefährten zur Zweiten Anführerin, um ihren Zustand zu kontrollieren, und wendete sich dann Goldkralle zu. "Ich habe das erwartet. Rotstern hat mir erzählt, dass er dir die Situation erklären wird. Und ich weiß, dass du eine Erklärung möchtest." Goldkralle nickte nur. "Komm, lass uns ein wenig jagen und ich erkläre dir alles." polterte Blaufuß und rannte los. Goldkralle folgte ihr. Als Blaufuß eine ruhige Stelle gefunden hatte, setzte sie sich hin, ringelte den Schwanz nervös hin und her und began mit ihrer Rede. "Also... Ich fang einfach mal direkt an. Ich bin nicht die Mutter deiner Mutter. Rotstern hat dir sicher schon gesagt, wie deine Mutter hieß. Ich habe deine Mutter beim Jagen in der Nähe des Zweibeinerorts gefunden. Sie war etwa 3 Monate alt, aber so hilflos und mager. Sie konnte zwar schon richtig essen, aber sie brauchte trotzdem eine Mutter. Ihre Augen waren schon damals ungewöhnlich, das eine blau und das andere grün. Sie war total verschreckt und maunzte nur: "Sie haben mich vertrieben. Vertrieben haben sie mich. Ich weiß nicht warum. Ich weiß es nicht!" Ich beschloss, sie mitzunehmen. So ein armes Geschöpf durfte man nicht einfach liegen lassen. Und dabei hatte ich eine gute Position, ich war zweite Anführerin. Doch irgendwas war da, irgendetwas, was diese Kätzin hatte, weshalb ich sie mitnahm. Der Clan war nicht sonderlich froh darüber, aber trotzdem nahm er ihn auf. Ich war wie eine Mutter für das kleine, ich gab ihr den Namen. Als Rotstern dann Anführer wurde, veränderte sie sich plötzlich. Als sie Schülerin war, besiegte sie jeden, obwohl sie doch so zierlich und dünn war. Jeder verliebte sich in sie, auch dein Vater. Sie hatte auch eine Affäre im FeuerClan, ich weiß nicht, ob auch Kinder aus dieser Affäre hervorgingen. Aber dein Vater kam dahinter, natürlich war er sehr entäuscht und fühlte sich betrogen. In dieser Zeit waren ja diese Probleme mit den Füchsen da, und nach und nach starb ein Geselle. Wir fanden heraus, dass sie merkwürdige Kräfte hatte, und jeder, der sie darauf ansprach, verstarb innerhalb weniger Tage aus unerklärlichen Gründen. Bald verschwand auch Kampfkralle. Graupelz, der sich innig in die Kätzin verliebt hatte, folgte ihr eines Tages durch das Gebüsch." Blaufuß machte eine vielsagende Pause. "Dort sah er, wie Kampfkralle erstickte, sie saß daneben und hatte die Augen weit offen. Am Schluss biss sie ihm in die Kehle und verwisch scheinbar die Blutspuren, jedenfalls, so sagte er, war keine Wunde zu sehen nach dem Akt, nicht einmal ein Kratzer oder der kleinste Blutspritzer. Nur die vor Schmerz weit geöffneten, glasigen Augen von Kampfkralle zeugten von ihrer Tat. Ein paar Tage später gebar sie dich, du warst zuckersüß, aber keiner wollte dich haben, weil du ja schließlich die Tochter einer Mörderin warst. Aber keiner wagte es, irgendetwas gegen deine Mutter zu tun, sie hatten ja gesehen, zu was sie imstande war. Nur Graupelz konnte es irgendwann auch nicht mehr ertragen und geriet in einen Kampf mit ihr. Genau in dem Moment, als sie in ersticken wollte mit ihren weit geöffneten Augen, der ganze Clan hatte es gesehen, kam eine schneeweiße Kätzin durch das Gebüsch gestolpert, hatte die gleichen, blau-grünen Augen wie deine Mutter. Deine Mutter, ich nenne sie jetzt mal Weißfell, ließ sogleich Graupelz los und kniete sich nieder vor ihr. Dann schloss sie die Augen und entschlief. Doch bevor sie starb, schaffte sie es, unsere Köpfe zu manipulieren, dass, wenn jemand ihren Namen nannte, dann kläglich starb, obwohl sie schon längst dahingeschieden war. Deshalb wagt auch keiner, etwas darüber zu sagen." Langsam verstand Goldkralle. Auch wenn Blaufuß keine gute Erzählerin war, alles gab plötzlich einen Sinn. "Und du möchtest, dass ich dieselben Kräfte bekomme." Blaufuß nickte. "Aber warum, Blaufuß? Die Sache mit ihr ist schon längst beendet, wir brauchen doch nichts zu tun?" - "Da glaubst du etwas Falsches, meine liebe Goldkralle. Schwere Zeiten stehen uns bevor, und jeder weiß, das dies etwas mit ihr zu tun hat. Deshalb musst du das versuchen. Und zuerst..." - "...müssen wir die Mutter meiner Mutter finden." vervollständigte Goldkralle. Blaufuß nickte schon wieder auf ihre ruhige, arrogante Weise. Toll, dachte sich Goldkralle, ich, mit meiner verkrüppelten Pfote und schwachen Beinen soll eine Kätzin besiegen, die Köpfe manipulieren kann, die schon längst tot und noch dazu meine Mutter ist und somit all meine Stärken und Schwächen kennt. "Muss ich das machen?" fragte Goldkralle zögernd. Ihr war bewusst, dass dies eine Aufgabe war, die vielleicht nur sie bewältigen konnte, doch sie war erst vor ein paar Monaten zur Schülerin ernannt worden! Auch wenn sie jetzt eine Kriegerin war, sie konnte nicht einmal die Hälfte von dem, was ein neu ernannter Schüler konnte, schließlich war sie von nun an mit ihrer Pfote gehandicapt. Das war ihr so noch nie aufgefallen, die letzten Sonnenaufgänge lag sie ja die meiste Zeit herum und schlief. Ihre Pfote würde wohl nie wieder verheilen, das war ihr erst jetzt so richtig klar geworden. Ihr Schwanz, welcher ja für das Gleichgewicht Halten beim Klettern notwendig war, war zu großen Teilen abgerissen worden. Als sie mit ihrer gesunden Pfote über ihren Kopf strich, spürte sie, dass ihr eines Ohr zu einem V zerfetzt wurde und über ihrem Auge erstreckte sich eine lange, nackte Narbe. Wo bin ich nur hineingeraten? fragte sich die Kätzin und ließ sich auf den Boden plumpsen. Blaufuß grübelte nach den richtigen Worten, doch auch ihr schien nichts einzufallen, mit dem sie die Kätzin hätte aufmuntern können. "Ich schaff das schon. Keine Sorge, Blaufuß." sagte dann Goldkralle und brach das Schweigen. Eigentlich, um sich selbst davon zu überzeugen, dass sie das konnte. "Und jetzt?" fragte Blaufuß. Goldkralle erstarrte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Blaufuß keine Idee, was sie tun sollte, und auch Goldkralle wusste nicht, wie es weiter gehen sollte. 

sry, das kapi ist sehr kurz, aber das nächste wird extra lang, versprochen;)

WARRIOR CATS Tödlicher BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt