Teilnehmerbeitrag 9

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Fremde Welten

Fasziniert hielt ich den schweren Stein in die Höhe. Er war bloß schwarz, wie viele andere Steine auch, doch dieser hier war besonders. Das konnte ich spüren. Meine blonden Haare glänzten im Spiegelbild, so rein war seine Oberfläche. Plötzlich durchschoss mich ein eigenartiges Gefühl. Ich muss meine Tochter in Sicherheit bringen. Keine Ahnung warum, doch dieses Gefühl sagte mir das etwas Schlimmes passieren würde. Schnell schob ich den Stein, der jetzt nur noch Nebensache war, in meine Hosentasche und sprintete ins Haus. Wo ist sie nur? Ich hoffe es ist noch nicht zu spät! Doch da sah ich sie. Meine kleine Leyla lag schlummernd in ihrer Wiege. Langsam und vorsichtig, denn ich wollte sie ja nicht wach machen, beugte ich mich über sie und nahm sie in den Arm. Warte, das wollte ich doch eigentlich gar nicht. Mit aller Kraft versuchte ich die Kleine wieder in ihre Wiege zu legen doch meine Arme gehorchte mir nicht mehr. Wie konnte das sein? Panisch versuchte ich wenigstens meine Beine zu bewegen doch nichts wollte mir gelingen. ,,Hilfe," rief ich ängstlich. Plötzlich geschah etwas Komisches. Automatisch gingen meine Beine in Richtung Tür. Immer weiter und weiter... Jetzt war es doch wirklich auch unmöglich sie still zu halten. Wollte mir hier jemand einen Streich spielen oder hatte mir jemand etwas ins Wasser gemischt?

Nach einiger Zeit befand ich mich mitten in unserem kleinen Örtchen, doch seltsamerweise taten mir noch nicht einmal die Beine weh, obwohl der Weg nicht gerade kurz war. Überall liefen Leute die mich komisch anstarrten. Naja, jede vernünftige Mutter würde ihr Kind ja in einem Wagen schieben. Ohne auch nur ein Stückchen vom Weg abzukommen ging ich, oder besser gesagt meine Beine, zu dem örtlichen...Waisenhaus? Was wollte ich hier? Panisch packte ich Leyla fester und presste sie an mich.

An der Tür angekommen blieb ich mit einem Ruck stehen. Meine Arme, samt Leyla bewegte sich in Richtung Boden. Ich wollte schreien, doch kein Wort kam aus meinem Mund und so musste ich mit zusehen wie ich die Kleine losließ.

Danach griffen meine Hände nach dem Stein in der Tasche. Wütend starrte ich ihn an. Diese ganzen Sachen fingen doch gleich an, nachdem ich ihn gefunden hatte.

Leise begann mein Mund komische Wörter zu sprechen, dann wurde ich mit mit einem Ruck von den Beinen gerissen.

Als ich zitternd die Augen aufmachte konnte ich es kaum glauben. Den blaue Himmel über mir meinte ich nicht, sondern den Lärm hölzerner Wagen und Kutschen auf holprigem Untergrund. Das Gesicht eines kleinen Mädchens beugte sich über mich. ,,Ist alles in Ordnung?" fragte sie neugierig. Ich nickte und stand auf. Überall liefen Menschen in dreckigen Gewändern. Einige standen hinter klapprigen Tischen und verkauften Waren wie Fisch und Brot. Schmerzlich erinnerte ich mich an die Dinge, die geschehen waren. Meine kleine Leyla...hoffentlich hatte man sie gefunden und sich um sie gekümmert. ,,Wo bin ich nur gelandet?" murmelte ich eher zu mir selbst, doch das kleine Mädchen antwortete: ,,Du bist auf dem Marktplatz von unserer Stadt. Ich weiß nur nicht den Namen, weil ich ihn ständig vergesse." Sie kicherte und mir fiel auf das die ein wenig lispelte. War ich tatsächlich im Mittelalter gelandet? Vielleicht in der der Zeit der Pest und anderer Seuchen? Angeekelt schüttelte ich mich.

,,Wie bist du eigentlich hergekommen, die Tore sind zur Mittagszeit immer verschlossen. Du bist doch neu oder?" ,,Das spielt doch keine Rolle...könntest du mich nicht ein wenig herumführen?" versuchte ich vom Thema abzulenken. ,,Klar. Also den Marktplatz kennst du ja schon. Hier sitzen auch oft die Bettler." Sie zeigte auf dunkle Gestalten, die in den verzweigten Gassen hockten.

,,Und der Mittelpunkt der Stadt ist unsere Bürg." Erst jetzt fielen mir die Türme auf, die nicht weit weg vom Marktplatz emporstiegen. Ihre Ausstrahlung war so mächtig und ich hätte mir die Burg noch viel länger anschauen wollen, doch sie zog mich weiter. ,,Wie heißt du eigentlich?" fragte ich so nebenbei. ,,Marilyn." Ich mochte sie auf Anhieb und das nicht nur weil ihr Name so schön war. Sie war wirklich sehr sympathisch. ,,Willst du auch noch die Drachenritter sehen? Sie sind das Besondere an unserer Stadt, denn keine andere hat sowas," fragte sie. Hatte Marilyn gerade wirklich Drachenritter gesagt. Aufgeregt sah ich auf. Es wurde zwar viel von ihnen geschrieben, aber das doch nur in Fantasy Geschichten. ,,Komm mit ich werd sie dir zeigen." Damit rannte Marilyn los.

Mit leuchtenden Augen starrte ich in den Himmel. Die bunten Wesen schienen miteinander zu tanzen. Erstaunlich wie sie es schafften, nicht aneinander zu prallen. Ihnen von weit weg zuzuschauen war ein unglaubliches Gefühl, doch es sollte noch besser werden, denn jetzt führte Marilyn mich in den Stall. Überall standen Drachen, einige wurden aber auch geführt. Ich begutachtete jeden einzelnen, denn alle waren etwas Besonderes. Es gab sie wirklich in allen Größen und Farben. Weiter hinten im Stall war kaum noch etwas los. Nur hier und da trampelte ein Drache an die Gitterstäbe.

Plötzlich konnte man Hilfeschreie am Ende des Ganges hören. Sofort stürmten wir los. Was wenn ein Drache abgehauen war? Der würde uns doch mit Leichtigkeit überrennen können. Und tatsächlich: Ein riesiger, rot schimmernder Drache hatte sich vor einem Stallburschen aufgebaut. Seine Augen blitzten bedrohlich und er wollte gerade auf den Jungen losgehen, da tat ich etwas, was ich besser nicht hätte tun sollen. Ich trat zwischen die beiden und streckte mutig die Hand nach dem Drachen aus. Der Stallbursche brachte sich schnell außer Gefahr. Na toll, anstatt mir zu helfen...er musste sich doch schließlich mit dem Umgang mit Drachen auskennen.

Irritiert legte der Drache den Kopf schief, nur um gleich danach mit seiner Schnauze an mir zu schnuppern. ,,Lass mich in Ruhe und geh bloß wieder in deinen Stall!" zischte ich ihn an. Völlig überfordert mit der Situation trat der Drache ein paar Schritte zurück. Konnte er mich etwa verstehen? Ich sollte doch vor ihm Angst haben und nicht anders herum. ,,Geh zurück," knurrte ich noch einmal. Jetzt senkte der Drache unterwürfig den Kopf und trottete zurück. ,,Wie hast du das gemacht? Das ist der wildeste Drache im Stall und er wurde noch nicht mal gezähmt. " fragte jetzt der Stallbursche misstrauisch. ,,Solltest du mir nicht danken? Ich hab dir gerade das Leben gerettet!" Wie konnte der Junge nur so ungezogen sein? ,,Ich wär auch allein mit ihm fertig geworden!" Mit den Worten trampelte er den Gang hinunter. Als er dann auch noch an einem jungen Drachen die Wut auslassen wollte, konnte ich mich nicht mehr halten: ,,Was fällt dir n..." Zum Glück hielt mir Marilyn den Mund zu. Keine Ahnung wie ich ihn sonst noch beleidigt hätte. ,,Komm wir gehen. Bis du eine eigene Wohnung hast kannst du bei uns schlafen." Dankbar lächelte ich sie an.

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