Kapitel 1

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Meine Haaren peitschen mir ins Gesicht, der Wind ist warm und riecht nach Blumen.
Ja, so stelle ich mir eine Motoradtour mit meiner besten Freundin vor.

Ich drehe den Kopf zur Seite und grinse sie an. Sie schaut konzentriert auf die Straße. Wir fahren weiter die Landstraße entlang, kommen an einem alten Bauernhaus vorbei. Anni, eigentlich heißt sie Ann-Kathrin aber ich nenne sie nur Anni, weil...ja, weil es einfach so ist, sie wird langsamer und fährt in den großen, gepflasterten Innenhof rein.

Ich komme neben ihr zum stehen und schaue mich um. Ich kenne diesen wunderschönen Hof schon seit meiner Kindheit, es ist ein viereckiger Altbau. An den brauen Backsteinwänden bahnen sich hunderte von Efeuranken ihren Weg hinauf. Auf den Fensterbänken blühen Vergissmeinnicht und Tulpen in Blumenkästen und neben einem sitzt eine graue, große Katze. Klecks.

Warum er Klecks heißt, obwohl er grau ist? Ganz einfach, hier ist alles bunt und er ist ein grauer Klecks in diesem ganzen drucheinander von Farben.

Ich steige von meinem Motorad runter und ziehe mir meinen Helm vom Kopf.

"Was gibt's denn heute bei euch zu essen?", frage ich meine beste Freundin und schnuppere in richtung Küchenfenster.

"Ich weiß nicht. Du hast doch den besseren Riecher. Sonst weißt du doch auch immer was meine Mutter grade kocht", murmelt sie und schiebt ihren fahrbaren Untersatz quer über den Hof, in die kleine Garage am anderen Ende.

"He! Jetzt warte doch mal! Was ist denn los mit dir? Du bist in letzter Zeit total komisch drauf..."

Schnell schiebe ich im Laufschritt mein Motorad neben mir her und versuche sie einzuholen. Dabei überrolle ich fast Klecks, der sich natürlich beleidigt fauchend in seine Lieblingsecke verzieht.

 Als ich endlich bei der kleinen Garage angekommen bin, macht sie sich gerade auf den Weg nach drinnen und schmeißt dabei die Gießkanne um, die ihr eigentlich gar nicht im Weg steht. Eindeutig, ihr liegt etwas auf dem Herzen und jetzt ist es an mir herauszufinden, um was es sich da genau geht.

Das könnte witzig werden!

"Kartoffelpüree mit Schweinemedallions in Bratensoße!" Mit diesen Worten stürme ich kurze Zeit später zur Küchentüre herein und renne dabei fast Andi um.

"Bist du bescheuert!", schnauzt er mich an."Da kriegt man ja einen Herzanfall, wenn du durchs Haus brüllst und einen danach, wie von der Tarantel gestochen über den Haufen rennst!"

Andi ist der jüngere Bruder meiner besten Freundin und ungefähr zwei Köpfe größer als ich, ich glaube er müsste mittlerweile locker 1,90 cm groß sein. Tja, und weil er so groß ist, denkt er immer er wäre was besseres. Man muss ihn aber schonmal öfters darauf hinweisen, dass er erst 15 ist, ansonsten würde er sich völlig übernehmen. Nachdem ich ihn in der 8. Klasse mal verprügelt habe und er danach zwei Wochen lang mit einem Veilchen in grün, blau und lila rumlief, hat er einigermaßen Respekt vor mir.

"Ja man, reg dich ab."

Anni sitzt teilnahmslos auf ihrem Lieblingsplatz in der hintersten Ecke der riesigen Küche. Ich gehe um die Kücheninsel in der Mitte der Raumes herum und nehme aus den hellbraunen Wandschränken zwei Gläser. Aus dem Familienkühlschrank schnappe ich mir Cola und Fanta, mixe beide Getränke in die Gläser und gehe zur Sitzecke.

Dort lasse ich mich schwerfällig hinplumpsen und starre sie an.

"Guck gefälligst nicht so!"

"Ian?" Sie schüttelt den Kopf und starrt weiter durchs Fenster auf die weite Weidelandschaft. Ein grünes Meer aus Gras.

Das Mädchen, das die Sterne berührte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt