Halbtot *slow updates*

Das Mädchen ohne Gesicht

In einer Sache muss ich den Christen recht geben, die Hölle existiert. Immerhin lebe ich mitten in ihr. Leute von Außerhalb verwenden meist Begriffe wie Schlammloch , Abfalleimer, Misthaufen oder einfach nur Loch um unsere Stadt zu beschreiben. Nicht sehr nett, doch, und das hat die Wahrheit nun mal so an sich, gerechtfertigt. Asherton, von seinen Einwohnern auch liebevoll 'Ashbin' genannt, ist die Müllkippe der Gesellschaft, das, was die Industrialisierung den amerikanischen Kleinstädten angetan hat. Sie versprachen uns Gold, Glanz und Geld und was bekamen wir? Herpes, Schwangerschaften, Kriminalität und (wenigstens etwas Gutes) Drogen. das geschah hier zwar schon vor über 40 Jahren, doch der Missmut der Arbeitergesellschaft ist immer noch spürbar und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Diejenigen, die legal arbeiten, halten sich meist gerade so über Wasser. Die andere Hälfte, die ihr Geld mit dem Verkauf von Diebesgut, falschen Ausweisen oder Wertpapieren, Sex oder Drogen verdient, der geht es besser. Naja, bis die Cops einem von ihnen auf die Schliche kommen. Ach ja, unsere wertgeschätzten Cops. Leicht lassen sie sich bestechen oder austricksen. Es ist fast schon zu leicht, als ob sie wollten, dass man sie verarscht.

Jetzt aber zu mir, ich bin wie jedes andere Mädchen, das hier aufgewachsen ist. Das Resultat einer ungewollten Teenager Schwangerschaft, als Kind süß, jetzt aufsässig, immer auf Ärger aus und der Polizei bestens bekannt. Es gibt rein Garnichts, das mich von den anderen Mädchen unterscheidet. Mein Vater hat sich kurz nach meiner Geburt verpisst, obwohl mir meine Mutter beteuert, dass er in den wenigen Monaten in denen er anwesend war, sehr liebevoll war. wer's glaubt. Zu meiner Mutter, sie ist ein echter Schatz, Alleinversorgerin, Krankenschwester seit über zehn Jahren und wegen der vielen Überschichten und den behinderten Arbeitszeiten nie zuhause. Einen win - win Situation für uns beide. Ich kann machen was ich will, ohne zu befürchten, dass sie etwas davon merkt, und sie kann in dem Glauben leben, eine gute und anständige Tochter zu haben.

Wie schon gesagt sind hier alle gleich. Vor allem meine 'Leidensgenossen' ,aka die Gleichaltrigen hier. Jeder Junge versucht den Anschein von Pseudo-Coolness zu wahren, trägt ranzige, viel zu große Klamotten und so ein bescheuertes Baseball-Cap. Sie verhalten sich wie Gangsterrapper, die in 'der Hood' aufwachsen und den krassesten Scheiß erleben. Zugegeben, auf Auswärtige mag das Zeug, das wir hier so erleben schon etwas 'brutal' wirken, doch für und ist das Alltag. Nicht der Rede wert. Ich kann nicht verstehen, wie jemand freiwillig mit denen vögeln kann.

Die Mädchen hier sind, zugegeben, auch nicht viel besser. Kunterbunt geschminkt laufen wir wie ein Schwarm Flamingos umher. In unseren Miniröcken rutschen wir bei minus 14 Grad auf dem Bürgersteig aus und präsentieren den Passanten unsere Geschlechtsteile. Liebesgeschichten fangen bei uns so an.

Jeder hier bildet sich ein, etwas Besonderes zu sein. Doch wir sind alle gleich. Ein einziger gesichtsloser Haufen, mit den gleichen drei Freunden, den gleichen Drogenproblemen und (da bin ich mir ziemlich sicher) den exakt gleichen falschen Ausweisen. Immer das selbe Bild. Ich bin da keine Ausnahme, gern würde ich sagen, dass ich anders bin, doch ich kann's nicht beweisen. Das Einzige, das mich von den anderen maßgeblich unterscheidet ist, dass ich ums verrecken keine High-Heels trage. Niemals. Seit fünf Jahren nun schon trage ich meine zerschlissenen schwarzen Converse. Doch wenn ich mir einreden würde, dass mich das schon speziell und einzigartig macht, so würde ich mich selbst belügen. Das einzig Gute daran ist, auf flachen Sohlen lässt es sich nicht so leicht ausrutschen, so hoffe ich, bleibt mir wenigstens die Liebe erspart.