Fight

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Die folgenden zwei Stunden schienen sich wie Kaugummi zu ziehen. Jetzt verstand ich, was Percy vorhin gemeint hatte. Umso mehr man sich auf das Wochenende freute, desto länger schienen die Stunden.
„Mr Jackson.", sagte Montgomery und fixierte den Jungen neben mir, der sich aufrechter hinsetzte. Er schien angespannt und nicht wirklich bei der Sache zu sein.
„Nennen Sie mir die Nullstellen der Parabel mithilfe der quadratischen Lösungsformel." Percy überlegte kurz und gab dann seine Antwort, woraufhin der Lehrer erklärte, wie man auf die Koordinaten käme. Ein paar Minuten später war er fertig damit und sagte dieselben Zahlen wie Percy eben.
„Und somit war deine Antwort falsch.", Er grinste hämisch. „Aber genau das hab ich doch gesagt!", protestierte Percy. „Wirklich? Weiß zufällig noch jemand, was er vorhin als Antwort gegeben hat?"
Die Klasse schwieg. Ob aus Angst vor Montgomery oder weil sie es wirklich nicht mehr wussten... Keine Ahnung...
Liam öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber in dem Moment sprang Percy schon auf und verließ den Klassenraum mit verzweifeltem Gesichtsausdruck.
„Schön, das ist dann wohl die nächste 6.", murmelte Montgomery und ich meinte den Hauch eines Lächelns auf seinem Gesicht zu sehen. „Sie sind so widerlich.", zischte Liam und Montgomery starrte ihn böse an, „Liam Spencer, auch für dich eine 6. Das ist nicht gut nach deiner 5 im letzten Test."
Kopfschüttelnd stand ich auf und verließ ebenfalls einfach den Raum, als ich aus meiner Trance wieder zur Besinnung kam. Ich hetzte durch das Schulgebäude bis mir aufging, dass ich an Percys Stelle nicht hier geblieben wäre und blieb am Eingang zur Kantine stehen.
Das Wasser. Er war bestimmt irgendwo ans Wasser gegangen. Der East River war das Gewässer, was der Schule am nächsten war. Ich beschwor wieder einen Teil meiner göttlichen Fähigkeiten herauf, die ich die letzten Wochen stark unterdrückt hatte und fuhr meine Fühler nach meinem Sohn aus.
Instinktiv lief ich weiter bis der Fluss in Sicht kam und ich sah mich am Ufer um. Er musste hier sein, das spürte ich ganz deutlich. Mein Blick wanderte zur Fußgängerbrücke und ich trat ein paar Schritte darauf zu.
Unter der Brücke kauerte eine Gestalt, auf die ich zielstrebig zuging und mich neben sie setzte. Percy sah fertig aus. Als er den Kopf hob, sah ich seine roten Augen und seinen verzweifelten Gesichtsausdruck.
„Ist... ist alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig und bereute es im selben Moment, in dem ich es ausgesprochen hatte. „Natürlich ist es das nicht. Das war eine blöde Frage.", murmelte ich entschuldigend.
„Schon okay. Ich wüsste auch nicht genau, was ich jetzt sagen sollte.", Percy lächelte schwach, „Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll.", „Dabei geht es wohl nicht mehr nur um Montgomery, sondern um etwas weit bedeutenderes, oder?", hakte ich bedeutungsvoll nach.
Von einem Moment auf den anderen wurde Percys Blick misstrauisch und ich wusste, dass ich mich so gut wie verraten hatte. Er stützte sich mit einer Hand im Gras ab und drehte sich mit angespanntem Körper zu mir.
Seine andere Hand wanderte zu seiner Jeanstasche, in der sich, wie ich annahm, Springflut befand. „Warte mal, was meinst du?", fragte mein Sohn und seine grünen Augen, die mich ansahen, wurden mit einem Mal hart, „Wer bist du wirklich?"
Jep, ich war voll aufgeflogen. Aber vielleicht war es besser so, dass er es jetzt wusste. Ich seufzte deprimiert, woraufhin Percy aufsprang und Anaklysmos hervorzog.
Ich hob beschwichtigend die Hände und begann meine göttliche Macht wieder heraufzubeschwören. Langsam begann mein Körper sich wieder in meine gewöhnliche Form zu verwandeln, „Friede, Percy. Ich bin nicht dein Feind, mein Sohn."
Die erste Reaktion war Schock, dann Unsicherheit und schließlich Wut. Er verzog das Gesicht zu einem freudlosen Lächeln und schüttelte ungläubig den Kopf. Er verwandelte das Schwert wieder in seinen Kugelschreiber und atmete bewusst tief ein und aus.
„Okay.", seine Stimme klang ruhig, „Du hast mich also verarscht. Die ganze Zeit, ja?"
Ich ignorierte seine Sprache und zog die Augenbrauen zusammen, „Ich hatte keine andere Wahl. Du hast nicht mit mir geredet und dich von mir zurückgezogen."
„Also hast du dich einfach mal so in meine Schule eingeschlichen und dir mein Vertrauen erarbeitet?", stellte Percy klar und schien damit mehr sich selbst überzeugen zu wollen, „Und Hayden? Wer ist er? Apollo oder...-"
„Hermes.", unterbrach ich ihn schuldbewusst, „Er hat mich auf die Idee gebracht."
Percy fuhr sich durch die Haare und machte sich nicht mehr die Mühe seine Wut zu verbergen, „Ich glaub das einfach nicht.", rief er und fixierte mich mit seinem kalten Blick, „Warum? Warum tust du das, Dad? Ich hab dir vertraut! Du warst einer der wenigen von denen ich dachte, sie würden meine Situation verstehen!"
„Anders komme ich ja nicht mehr an dich ran.", verteidigte ich mich und hob die Stimme ebenfalls wütend, „Du blockst seit Monaten total ab. Meinst du nicht, es hätte mich vielleicht interessiert, dass du mit Annabeth zusammenziehen willst? Mit ihr auf ein College gehst?"
„Ehrlich gesagt, denke ich, dass du schlecht da stehst, weil ich mit der Tochter deiner Erzfeindin zusammen bin. Und das passt dir nicht in den Kram.", konterte Percy, „Und wenn du es genau wissen willst: Wir gehen auf kein normales College." Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, „Wir gehen nach Neu-Rom. Fort von euch arroganten Göttern, die denken, sie könnten sich alles erlauben."
Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Wenn er wirklich dorthin ging, würde ich ihn nur noch sprechen können, wenn er außerhalb des römischen Camps war, denn sobald ich die Grenze übertrat, verwandelte ich mich in mein römisches Ich und das sah Percy nicht als sein Kind an...
Besagter warf mir einen letzten unterkühlten Blick zu, dann drehte er sich um und ging die Straße hoch.
„Perseus!", rief ich ihm eindringlich hinterher und er wandte sich wieder mir zu. Diesmal wirkte er aufgewühlt und einfach nur noch müde. „Lass mich verdammt nochmal in Ruhe!", rief er mit aller Kraft und im selben Moment explodierte der East River um mich herum.
Ich schnappte erschrocken nach Luft und gab mir alle Mühe die Wassermassen unter Kontrolle zu halten, damit sie Manhattan nicht überfluteten. Eins war klar: Mein Sohn war um einiges stärker und mächtiger geworden seit dem Krieg gegen Kronos.
Kaum befand sich mein Herrschaftsgebiet wieder unter meiner Führung, wollte ich mich Percy zuwenden, doch an der viel befahrenen Straße, an der er eben noch stand, war keine Spur von ihm. Er war verschwunden.

A million miles between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt