Kapitel 2

102 6 7
                                    

"You know no one dies
In these love-drowned eyes
Through our love-drowned eyes
We'll watch you sleep tonight."

Wie immer wurde mir bei diesem Song warm ums Herz. Er kam mir bekannt vor, allerdings fiel mir der Titel nicht ein, egal, wie oft ich ihn nun schon gehört hatte.

"Bitte. Wenn ich noch einmal diese Zeilen aus deinem Mund höre, werde ich die Krankenschwester höchstpersönlich davon überzeugen, dich als nächstes hier einzuweisen", kicherte jemand. Ich musste ihm zustimmen. Auch wenn der Gesang eine beruhigende Wirkung auf mich hatte, würde es auch nach dem sechsundzwanzigsten Mal nichts an meinem Zustand ändern. Und ja, ich war mittlerweile schon so verzweifelt, dass ich dies mitzählte.

"Laut Die Bunte soll Musik eine wichtige Rolle für die Genesung spielen. Sie knüpft an Erinnerungen an und erreicht somit ihr Unterbewusstsein", erwiderte jemand anderes. Ich beschloss, ihn Mr. Sympathisch 2 zu nennen.

Moment....

War ich nun wirklich schon so weit, mir alberne Namen für fremde Personen zu überlegen? War ich wirklich schon so verzweifelt, oder war das nur eine weitere Nebenwirkung von dem Schmerzmittel, welches mir eine Arzthelferin erst kurze Zeit zuvor verabreicht hatte?

"Seit wann liest du die Bunte?!" Vereinzeltes Lachen ertönte, in das ich gerne mit eingestimmt wäre. Ich versuchte mir, einen erwachsenen Mann mit einer Klatschzeitschrift vorzustellen, aber mein Verstand wollte nicht mitspielen. Stattdessen tauchten kleine rote Gummibärchen auf, die aus der Zeitschrift sprangen und mich dämlich angrinsten.

Oh gott, dieses Schmerzmittel musste mich wirklich high machen. Jedoch tat es, was es versprach; Es dämmte meine Schmerzen ein und machte das alles hier etwas erträglicher für mich, auch wenn die Wirkung nur jeweils für eine kurze Zeit anhielt.

"Jungs...Kann nicht ein Tag vergehen, an dem ihr mich nicht aufzieht?" Obwohl ich ihn nicht sah, konnte ich sein spöttisches Grinsen förmlich vor mir sehen, genauso wie die Tatsache, dass er wohl gerade seine Augen verdrehte.

"Ähh nein, sicher nicht." Sie lachten wieder, doch diesesmal viel es mir schon deutlich schwerer, mit meinen Sinnen voll bei Ihnen zu bleiben. Müdigkeit kam über mich - auch eines der Dinge, die das Schmerzmittel mit sich brachte.
Ich lauschte noch ein paar Minuten, bis ich mich ihr hingab und schlussendlich abdriftete...

Als ich wieder zu mir kam hatten die Schmerzen schon längst wieder angefangen, mir mein kleines Nickerchen unerträglich zu machen. Mein Kopf pochte, genauso wie mein Nacken total steif war und mir jeden einzelnen Atemzug zur Qual machte. Meine Hände kribbelten, doch diesesmal konnte ich sie nicht zu Fäusten ballen, um die Durchblutung zu fördern. Stattdessen lag ich einfach weiter reglos da und sah zu, wie sich die Taubheit in meinem Arm weiter ausbreitete und mich zunehmend nervöser machte.

"Sie schaut so friedlich", murmelte jemand.
Waren sie etwa immer noch da? Warum sorgten sie sich so sehr um mich, wenn ich sie doch nicht einmal kannte?

"Glaub mir, innerlich fechtet sie einen unerbittlichen Kampf aus." Es beruhigte mich etwas, die Stimme von Mr. Sympathisch wieder zu hören. Den ganzen Tag über war sie mir entgangen, weswegen ich mich nun umso mehr über seine Anwesenheit freute.

"Hör zu...Ich weiß ja, dass du dich sorgst, und dass das Ganze hier vermutlich alte Wunden bei dir aufreißt, aber du musst dich nicht verpflichtet fühlen, sie zu-"

"Ich fühle mich zu nichts verpflichtet! Du hast doch keine Ahnung, von was du da redest!" Der plötzliche Wutausbruch ließ mich zusammen zucken und ich war mir sicher, dass dies nicht nur in meiner Einbildung stattfand. Allerdings waren die andern zu sehr in ihrer jämmerlichen Diskussion vertieft, um dies zu bemerken.

"Ich will dir doch nur helfen! Anstatt dich von uns abzuschirmen hättest du uns auch einfach die Chance geben können, dir zu helfen!"

"Geht es jetzt auf einmal um mich, oder was?" Beide gaben sich nicht die Mühe, die Lautstärke zu senken, und redeten sich immer weiter in Rage. Ich nahm das nur am Rande war, denn ihre Stimmen prasselten auf mich ein wie ein überraschender Hagelschauer. Die Worte schienen in mir zu explodieren und wo es anfangs nur eine dezent erhöhte Lautstärke gab schien es nun so, als würde ein Tornado neben mir vorbei fegen.

Hört auf! Sofort!, schrie ich innerlich, aber sie hörten mich nicht.
Bitte, sie sollten einfach ruhig sein....
Ein heftiger Schüttelfrost überkam mich und ließ mich aufschreien. Mein Körper zuckte unkontrolliert und ich hörte bereits die Krankenschwester, die eilig die Tür aufriss und zu mir kam. Allerdings war ich zu benebelt, um klar denken zu können. Alles was ich spürte war nur dieser Schmerz, der bei jeder Zuckung durch meinen Körper fuhr.

"Hab ich nicht gesagt, dass sie absolute Ruhe braucht?" Sie schien wütend zu sein, fast schon panisch.

"Was...Was passiert mit ihr?", stotterte eine Person. Ich versuchte, die Stimme mit jemanden zu verknüpfen, aber ich schaffte es nicht.

"Sie kollabiert. Schnell, raus hier!" Protestierendes Gemurmel, allerdings konnte ich nicht sagen, ob sie ihren Befehl befolgten. Das nächste, was ich wahrnahm, waren ein Haufen Hände, die an mir herum fummelten. Dann war alles ruhig.
Und dann, urplötzlich, war der Druck, der sonst so schwer auf meinen Augen lastete, weg. Ich schlug sie schlagartig auf - und stieß auf keinen Widerstand mehr. Ich konnte tatsächlich wieder sehen. Und was sich mir da bot...
Blau-graue Augen und ein dunkler Wuschelkopf starrten mich an. Erschrocken zuckte ich zusammen, nur um zu merken, dass mir noch immer alles weh tat. Aber immerhin war ich jetzt wieder vollkommen bei Bewusstsein.

"Du bist wach. Gott sei dank, du bist endlich wach." Ich erkannte diese Stimme, es war derjenige, der ganz am Anfang gemeint hat, ich sähe nicht mehr wie jemand unter den lebenden aus.

"Kchz" Ich räusperte mich, was allerdings in einem Hustenanfall endete. Meine Stimme wollte anscheinend noch nicht so wie ich es gerne hätte.

"Wer...bist du?", brachte ich schließlich unter größter Anstrengung heraus.

"Du kennst mich nicht?" Ich schüttelte leicht mit dem Kopf, um mir unnötiges Sprechen zu ersparen. Der Mann vor mir war mir wirklich vollkommen fremd und ich war mir sicher, ihn noch nie zuvor in meinem Leben gesehen zu haben.

"Ich bin Howard. Howard Donald", kam es nach kurzem Zögern von ihm.
Doch auch als ich seinen Namen hörte klingelte nichts. Er war und blieb für mich ein völlig Fremder, genauso wie die drei anderen Gesichter, die nach und nach hinter ihm auftauchten.

They are my lifesavers, I will be their destroyerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt