Kapitel 3

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Es fühlte sich unbehaglich an, von so vielen Augenpaaren angestarrt zu werden. Sie alle schauten mich an, als wäre ich von einem anderen Stern. Wer weiß, vielleicht war ich das ja auch.

"Das kommt selten vor", lachte Howard, "aber ich muss sagen, es ist auch mal ganz toll, wenn dein gegenüber nicht schon über dein ganzes Leben Bescheid weiß, während du ihn so gut wie gar nicht kennst."

Ich schaute ihn nur verwirrt an, was ihn zum Lachen brachte. "Das hier sind Mark, Gary und Jason." Er deutete auf die anderen, die mir freundlich zu nickten. "Vielleicht hast du ja schon mal was von Ihnen gehört?" Fragend hob er eine Augenbraue, doch ich schüttelte nur den Kopf.

"Tut mir leid... Ich weiß gerade nicht, wo ich das alles einordnen soll." Das Sprechen kostete mich immer noch große Mühe, weshalb ich mich so kurz wie möglich hielt.

"Und das verstehen wir. Du hattest eine harte Zeit und brauchst jetzt bestimmt etwas Ruhe", mischte sich ein anderer ein, ich glaube es war derjenige, den Howard als Mark bezeichnet hatte.

"Nein, nein, das geht schon." Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, wieder vollkommen alleine zu sein. Ich hatte genug von der Einsamkeit, in der ich mich so hilflos fühlte.

"Wo.." Ich konnte meinen Satz nicht zu Ende führen, da ich von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen wurde. Mark und Gary kamen mir sofort zur Hilfe und unterstützten mich dabei, mich aufzusetzen. Der andere Typ hingegen - Jason, schätzte ich - stand nur desinteressiert daneben. Wenn er nicht so grimmig geschaut hätte, hätte er äußerst anziehend wirken können.

"Wo bin ich?", fragte ich schließlich, als ich den Blick abgewandt und mich wieder gefangen hatte.

"Im Krankenhaus in Manchester." Er sah so aus, als wollte er noch etwas hinzufügen, überlegte es sich dann aber doch noch einmal anders.

"Erinnerst du dich daran, was passiert ist?", fragte mich Gary schließlich. Howard wirkte erleichtert, anscheinend war dies auch die Frage, die ihm auf seinem Herz lag.

"Nein, ich...Ich weiß nicht." Ich suchte verzweifelt nach irgendwelchen Erinnerungsfetzen, konnte jedoch nichts zuordnen.
Aber nicht, weil sie durcheinander waren, sondern weil da gar nichts war.

Meine Panik muss mir deutlich ins Gesicht geschrieben stehen, denn Mark erwiderte: "Hey, alles gut. Das ist okay. Es ist oftmals der Fall, dass die Erinnerungen bei dem Zeitraum während des Unfalls ineinander verschwimmen oder gar verblassen durch den Schock. Das kommt mit der Zeit wieder."

Doch er verstand nicht. Sie alle verstanden es nicht. Wie sollten Sie auch? Nicht einmal ich selbst war in der Lage dazu, es zu verstehen.
Ich bemerkte, wie sich die Tränen in meinen Augen ansammeln und war kurz davor, los zu weinen. Warum hatte ich es auch nicht schon früher bemerkt? Die ganze Zeit über, in der ich bewusstlos war... In der ich Zeit hatte, um nachzudenken...
Und ich hatte nichts gemerkt. Ich hatte keinen Verdacht geschöpft.
Umso härter traf mich die Erkenntnis jetzt. Ich konnte die Tränen nicht mehr länger zurück halten.

"Wer bin ich?", wimmerte ich leise. Gary legte einen Arm auf meine Schulter und versuchte vergebens, mich zu beruhigen.

"Alles ist gut. Wie markie bereits gesagt hat-"

"Wer zum Teufel bin ich?!" Diesesmal schrie ich förmlich. Meine Gedanken überschlugen sich und mein Atem ging stoßweise, wobei ich den Schmerz dieses Mal ausnahmsweise willkommen hieß. Er zeigte mir, das dies alles real war. Das ich real war.

"Du hast uns deinen Namen bisher noch nicht gesagt", murmelte Howard. "Wir dachten, wir lassen dich die gesamte Situation erst einmal überblicken, bevor wir dich mit Fragen bombardieren."

"Da hättet ihr lange fragen können", flüsterte ich heiser. Und dann tat ich das absurdeste, was ich hätte tun können: Ich fing an zu hysterisch zu lachen. Sie alle schauten mich irritiert an.

"Ich hätte die Antwort selbst nicht gewusst", sagte ich schließlich und meine Stimme fing wieder an zu zittern.
"Ich hätte überhaupt keine Antwort auf eure Fragen gewusst. Ich weiß gar nichts. Versteht ihr? Nicht nur meine Erinnerungen an den Unfall sind weg, sondern auch alle anderen. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, geschweige denn, woher ich komme. Ich weiß nicht, wie alt ich bin oder wie ich heiße. Wer meine Eltern sind. Alles ist weg, als wäre es nie da gewesen. Als hätte ich nie existiert."

Schlichtweg gesagt, was auch immer ich für einen Unfall hatte oder was auch immer passiert war, ich würde es wahrscheinlich nie herausfinden. Ich hatte mein Gedächtnis verloren.

They are my lifesavers, I will be their destroyerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt