4. Alte Bekannte

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Es klingelte zur Pause und alle packten schnell ihre Sachen, um so bald wie möglich den Raum zu verlassen. Ich tat es allen gleich und sortierte Heft für Heft und schließlich auch mein rosafarbenes Federmäppchen von Victorias Secret in meinen Rucksack. Anschließend zog ich mir meine Jacke an und wollte gerade gehen, als hinter mir mein Name ertönte: "Kate? Kate! Dein Buch! Warte doch mal!" Ich drehte mich um und starrte unbewusst in die blau-schimmernden Augen von Jan, der mir mein Philosophiebuch entgegenstreckte.
Es brauchte einen Moment, bis ich verstand, dass ich es anscheinend liegen gelassen hatte. Mein Blick löste sich plötzlich von ihm und ich schaute erst verlegen auf den Boden, dann abwechselnd nach rechts und links. Ich nahm mein Buch letztendlich doch an mich, anstatt mich jedoch dafür zu
bedanken, nickte ich nur. Jan lächelte kurz und ging dann an mir vorbei, wobei er eine gut riechende Duftwolke hinter sich herzog.
Fasziniert von seinem Duft aus Männerdeo, -shampoo, Aftershave und womöglich auch noch einem Parfüm vergaß ich anscheinend voll und ganz, dass ich mich noch immer mitten im Türrahmen stehend befand. Ich schüttelte den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen und ging schließlich weiter. Warum verdrehte dieser Typ mir nur immer den Kopf?

Auf dem Pausenhof kamen mir 3 Mädchen entgegen. Eine von ihnen war Hailey, die aussah, als wäre ihr eine Leiche über den Weg gelaufen. Ihr Blick schien auf eine spezielle Art und Weise leer und auf irgendetwas fixiert. Ihre Wangen glühten und sie brachte keinen Ton heraus als wir schließlich aufeinander trafen. Selbst dann nicht, als ich sie fragte, ob sie eine der neuen Pralinen meiner Mutter probieren wollte. Stattdessen überreichte ich Elena und Olivia jeweils eine von denen aus Zartbitter-Schokolade mit den zerhackten Pistazien als Deko, weil ich wusste, dass genau diese Praline die einzige aus dem Sortiment meiner Mutter waren, die ausnahmsweise beiden der Zwillinge schmeckte. Dabei verabscheute die eine, was die andere liebte. So unterschieden sich die beiden von Grund auf. Elenas Haare waren lang, glatt und blond(iert) und sie trug immer einen Haarreif, der zu ihrem Outfit passte. Heute war dieser in einem pastell-lila Ton, ähnlich, wie ihr Top und ihre Schuhe. Olivias Haare hingegen waren tiefschwarz getönt und hingen ihr ins Gesicht. Sie trug einen bordeauxroten Kapuzenpullover mit der Aufschrift "Be different" und ihre Augen waren dunkel geschminkt.
"Da hat sich deine Ma mal wieder selbst übertroffen!", meinte Elena. Olivia nickte zustimmend. "Willst du keine?", fragte ich Hailey, so verwundert ich auch darüber war. Keine Reaktion. "Bist du wieder auf Diät oder was?" Keine Reaktion. "Und wo schaust du überhaupt hin?" Keine Reaktion. Also folgte ich ihrem Blick und entdeckte hinter mi eine Gruppe Jungs. "Aha, verstehe! Und, wer ist der Auserwählte?", scherzte ich.
"Hailey ist gerade 'Daniel' genau in die Arme gelaufen und sich nichtmal entschuldigt", berichtete mir Elena schließlich. "Stattdessen hat sie einfach angefangen drauf loszureden", ergänzte Olivia. Ich schaute sie beide, so neugierig ich auch war, mit hohen Erwartungen an. "Sie meinte, dass der ganze Stress sie so fertig machen würde, dass sie nicht mal richtig gehen könnte", erzählte Olivia "Nein, sie meinte", begann Elena lachend, "dass die Hitze ihr sonst so gutes Reaktionsvermögen beeinflusste." Nun waren auch Olivia und ich in lautem Gelächter ausgebrochen. Auch Hailey erwachte langsam aus ihrer Schockstarre und schaute uns erst wütend, dann peinlich berührt an und begann schließlich auch zu lachen. Nachdem wir so einigermaßen wieder zur Ruhe gekommen waren, fragte ich unwissend: "Und wer ist jetzt dieser Daniel?"
Hailey bewegte ihren Kopf in die Richtung, in der er sich scheinbar befand. Ich drehte mich also um und entdeckte erneut die Gruppe Jungs. Sie gingen alle in die Stufe über uns. Unter ihnen waren auch "Jonas" und seine Freunde Möchtegern-Kollegah und der freundliche rothaarige.
"Der größte von ihnen", meinte Elena. "Rechts von dem Neuen", ergänzte Olivia.
Also der freundliche rothaarige. Interessant. "Daniel" also.
"Ich kann ihm doch nie wieder in die Augen schauen! Das war ja mal mega peinlich!" "Aber sieh's doch mal so, jetzt bist du ihm aufgefallen. Er wird sich jetzt immer an dich erinnern", versuchte ich sie zu ermutigen. Und als wüsste er, dass wir über ihn redeten, schaute er zu uns rüber. "Oh mein Gott, er hat mich gerade voll angeguckt!", kreischte Hailey beinahe. Ich verdrehte nur die Augen. Dann drehte ich mich um, um mich selbst davon zu überzeugen. Daniel sah wirklich zu uns rüber. Aber er schaute nicht Hailey an.

Wie Nougat Pralinen mein Leben veränderten...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt