Der 5. Brief

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6. September 2009

Langsam wachte ich auf. Mein Kopf dröhnte und ich hörte Stimmen, die dumpf an mein Ohr drangen. Meine Sicht wurde klarer und ich konnte mich endlich umsehen. Durch ein kleines, vergittertes Fenster sah ich die Morgendämmerung. Ich versuchte mich zu strecken, aber ich war an einen Stuhl gefesselt. Panisch schaute ich zu meinem Hals hinunter und atmete erleichtert aus. Das Medaillon war noch da. In dem Raum standen noch ein Ofen, ein Fernseher, eine Backschüssel und ein Rührgerät. War ich hier in einer Bäckerei gelandet? Ich erinnerte mich dunkel an Katies Erdbeer-Sahne Torte. Hier war sie anscheinend gebacken worden. In diesem Moment betraten zwei identisch aussehende Männer den Raum. „Jayden?", fragte ich entgeistert. Jayden grinste hämisch und sagte: „Das hättest du wohl nicht gedacht, Kleine!", er zeigte auf den anderen Mann, „Das hier ist mein Zwillingsbruder Jackson." Dieser rieb sich voller Vorfreude die Hände und schlug vor: „Lasst uns dem alten Knacker Bescheid geben, wann er die nächste Torte genießen kann!" Er lachte grausam und warf dabei seinen Kopf in den Nacken. „Mein Vater ist kein alter Knacker!", rief ich entrüstet und wollte aufspringen. Aber stattdessen kippte ich nur mitsamt meinem Stuhl auf die Seite. Die Männer brüllten vor Lachen und ich starrte sie wütend an.

„Wir werden der Post mal kurz einen Besuch abstatten. Amüsiere dich schön."

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8. September 2009

Morgen würde ich ermordet werden. Ich hatte gehört, wie Jayden und Jackson darüber diskutiert hatten, ob sie meinen Kopf morgen auf einer Zitronen-Sahne Torte oder auf einer Nuss-Nougat Torte servieren würden.

Inzwischen war ich nicht mehr an den Stuhl gefesselt, sondern schlief auf einer Holzplanke und trug Handschellen mit einer langen Kette daran.

Die leisen Stimmen im Nebenraum wurden lauter. Ich schleppte mich zur Wand, um besser hören zu können, was sie sagten.

„Dieser Trottel hat unseren Brief zurückgeschickt!"

Ich atmete erleichtert auf. Das war das Zeichen, dass alles nach Plan lief. Nun wusste mein Vater, wo ich mich befand.

„Glaubt der etwa, er könne uns damit Angst einjagen?", lachte Jayden, „Angst ist nicht in unserem Vokabular vorhanden."

Ich schnaubte leise. Das würden wir ja sehen.

„Ich bin ja immer noch für eine Nuss-Nougat Torte.", meinte Jackson.

„Zitronen-Sahne, das ist mein letztes Wort!", wiedersprach der andere.

Ich seufzte und ging wieder zu meiner Planke. Jetzt ging das schon wieder los. Doch ich glaubte fest daran, dass es nicht so weit kommen würde.

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9. September 2009

Ein Klopfen weckte mich und kurz darauf wurde die Tür von Jackson aufgerissen.

„Morgen, Schätzchen, ich glaube es wird wieder Zeit, eine Torte zu backen!", rief er aufgedreht. Hinter ihm kam Jayden ins Zimmer und schaltete den Fernseher ein.

Eine fröhliche Musik erklang und eine übertrieben stark geschminkte Frau erschien auf dem Bildschirm. Mit flötender Stimme begann sie das  Rezept für eine Zitronen-Sahne Torte vorzustellen. Darauf hatten sie sich also geeinigt. Jackson knallte alle möglichen Zutaten auf den Tisch.  „Dann kann's ja losgehen!" rief Jayden. Mir brach der Angstschweiß aus. Die beiden kippten verschiedene Zutaten wahllos in die Backschüssel und versuchten, die Frau auf dem Bildschirm nachzuahmen. Am Ende sollte sich ein heller, dickflüssiger Teig ergeben, aber in Jaydens und Jacksons Schüssel befand sich nur eine braune, schleimige Soße. Jackson fluchte. „Wir hätten doch wieder eine bestellen sollen, wie letztes Mal", maulte Jayden. „Dann hol eben schnell eine aus der Konditorei!", blaffte Jackson ihn an. Ich triumphierte innerlich. Das verschaffte mir noch etwas Zeit.  Während Jayden die Torte holte, zappte Jackson lustlos durch die Fernsehkanäle.

Eine Liebeskomödie schien ihm schließlich zu gefallen, denn als der Film zu Ende war, weinte er vor Rührung.

In diesem Moment betrat Jayden den Raum. „Was machst du denn da, du Heulsuse?", fuhr er ihn an.

Dieser zuckte nur mit den Schultern, wischte sich unauffällig die letzten Tränen weg und setzte wieder einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf.  „Nichts", meinte er.

Stolz präsentierte Jayden die dreistöckige Zitronen-Sahnen Torte. „Ich hoffe, sie wird deinem Vater gut schmecken!", sagte er an mich gewandt. „Dann wollen wir mal!" Jackson zückte einen Säbel.

Oh nein. Wo blieben nur mein Vater und Grace?

Jayden packte mich an den Schultern.

Das war mein Ende.

Jackson atmete tief durch, umklammerte den Säbel mit zwei Händen und holte aus.

Ich fing an zu kreischen. Ein zweites Kreischen ertönte: „Lucy!"

Jackson und Jayden fuhren herum.

In diesem Moment ertönte ein Krachen und mein Vater und Grace stürmten ins Zimmer. Mein Vater richtete eine Pistole auf Jackson und dieser warf den Säbel nach ihm. Da mein Vater rechtzeitig ausweichen konnte, blieb der Säbel in der gegenüberliegenden Wand stecken.

Doch als mein Vater sich fallen gelassen hatte, war ihm die Pistole aus der Hand gerutscht und davongeschlittert. Jayden bückte sich danach und ich dachte schon, dass jetzt alles zu spät war. Doch einen Augenblick, bevor er abdrücken konnte, zog mein Vater den Säbel aus der Wand und schwang ihn.

Das wurde mir alles zu viel und bevor alles schwarz wurde, sah ich gerade noch, wie die Köpfe meiner Entführer über den Boden rollten.

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Ok, ich weiß das Ende ist ein bisschen komisch aber ich hoffe trotzdem, dass euch die Geschichte gefallen hat!!! :)

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