Die lieben Kinder

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Tote.

...Und Blut.

Halbe Menschen, viertel Teile von Menschen, einzelne Extremitäten und Blut. Es war überall. An den Wänden, auf dem Boden, an der Decke. Es verdunkelte die Fenster und von den einst weißen Wänden waren nur noch einzelne Flecken unberührt, aber auch dies änderten die Mengen des roten Lebenssaft schnell.

In der Ecke ein Kind. Ein Kind von neun Jahren. Zusammengekauert und das Gesicht der Wand zugewandt. Offensichtlich der einzig Überlebende dieses wahrgewordenen Albtraums.

Allmählich wurde ihr schlecht, angesichts des Blutes, das nach Eisen roch. Doch es roch nicht nur danach, sie konnte es schmecken. Auf ihrer Zunge breitete sich ein metallischer Geschmack aus. Wie wenn man eine Handvoll Kupfermünzen im Mund behielt.

Langsam schritt sie auf den Jungen zu. Jetzt konnte sie hören, wie er wimmerte. Sie ergötzte sich daran. An der Angst. An den Schmerzen. Und vor allem genoss sie es, das warme Blut auf ihrem Gesicht zu spüren.

Sie war bei dem Kind angekommen und berührte es an der Schulter. Es hob den Kopf leicht, vergrub ihn aber sofort wieder zwischen den angewinkelten Knien. Sie riss seinen Kopf an den Haaren in den Nacken und zwang ihn, ihr in ihre Augen zu sehen. Augen, hinter denen keine menschliche Seele mehr zu wohnen vermag. Nur Hass. Purer Hass. Sie zog das ausgeklappte Taschenmesser aus dem Hosenbund und setzte es an seiner Kehle an. Mit einem hämischen Grinsen zog sie das Messer von seinem linken Ohr zum gegenüberliegenden, wobei die den Hals beinahe bis zur Wirbelsäule durchtrennte. Ein lautes Pfeifen entwich der Luftröhre und fontänenartig übergoss sie die warme, klebrige Flüssigkeit.

Sie lachte. Wie eine Irre. Wie die Irre, die sie nun einmal war. Doch sie hatte es geschafft. Sie hatte die ganze Familie ausgerottet. Ihre Familie. Ihr Bruder war ihr der liebste gewesen; deswegen war er als letztes dran gewesen. Ihre Eltern, ihre Großeltern und ihre drei Geschwister lagen nun in Einzelteile zerlegt im Zimmer verteilt. Sie ging zu dem Kopf ihres Großvaters, hob ihn auf und sah ihn an.

"Na? Hältst Du mich immer noch für geisteskrank? Würdest Du mich wieder im Keller einsperren?"

Sie lachte. Und lachte. Ihr fiel vor Lachen der Schädel aus der Hand.

Während sie lachte, brachte sie stoßweiße hervor:

"Ihr seit nun schon die dritte Familie, die es nicht geschafft hat, mich zu kontrollieren und die mich weggesperrt hat. Das war ein böser Fehler", beendete sie gespielt tadelnd.



Sie schlug ein paar mal ihren Kopf gegen den Türrahmen, zerriss ihre Kleidung und kratzte sich ein paar mal selbst, um den Anschein zu erwecken, sie hätte sich wehren müssen. Dann lief sie zum Telefon, wählte die 110 und erklärte gespielt hysterisch und verängstigt, wo sie sich befinde. Sobald sie aufgelegt hatte, begann sie wieder zu kichern. Als sie die Polizeisirenen hörte, zwang sie sich zur Ruhe und lies das Messer fallen.



Mühsam versuchte der Notarzt, sie zu beruhigen, als sie erklärte, sie hätte sich wehren müssen, nachdem ihr Bruder erst ihre Familie getötet und zerstückelt hatte und sie dann aus dem Keller geholt hatte, um sie auch noch zu töten. Sie sagte ihm auch, dass sie ihrem Bruder die Kehle aus Notwehr hatte durchschneiden müssen. Doch der Arzt hörte ihr nicht mehr zu. Er teilte einem Polizisten mit, er solle kurz auf sie aufpassen, solange er sich mit einem Kollegen unterhalten würde.

Sehr leise, aber trotzdem noch hörbar, verstand sie, wie der Notarzt seinen Kollegen fragte:

"...wie kamen die Eltern auf die Idee, ihre siebenjährige Ziehtochter im Keller einzusperren? Hat das Jugendamt diese Familie nicht anständig überprüft? Das ist jetzt schon die dritte Familie, in der sie jemand eingesperrt hat oder versucht hat, sie umzubringen. Meist Du, es liegt an diesem Mädchen?"

Sie grinste in sich hinein, ehe sie anfing zu weinen und panisch versuchte, dem Polizisten zu erklären, was vorgefallen war und wie leid es ihr tat, ihren Bruder umgebracht zu haben. Sie beteuerte, das nicht gewollt zu haben.

BlutrauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt