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Ich hatte Watte überall. 


Die Watte war an mir, in mir. 

Sie war überall. 


Ich konnte nichts mehr riechen, da sie meine Nase mit ihrem widerlichen Zuckerduft verstopfte. Der Zuckerduft war irgendwann so stark, dass ich ihn nicht mehr wahrnahm. Ich konnte nichts riechen.


Sehen konnte ich auch nicht, da die Watte meine Augen zu klebte. 

Ich konnte nichts hören, weil die Watte in meinen Ohren war und alles dämpfte. Ich hatte so viel Watte in meinen Ohren, dass sie alles dämpfte. Bewegen ging nicht, da die Watte mich festklebte und mir die Bewegungsfreiheit nahm, sie ließ mich bewegungslos. 


Und jetzt... 

jetzt spürte ich nichts mehr, ich konnte nicht fühlen. Die Watte füllte mich aus und alles was ich fühlte war diese elendige Watte die mich immer mehr und mehr ausfüllte, langsam und qualvoll, schmerzhaft süß erstickte sie mich. 


Es war wie ertrinken, fast. Ich ertrank in Watte, in meiner eigenen Watte.


Ich merkte wie sie langsam in meine Lunge stieg und mir immer und immer mehr Luft nahm. 

Sie erinnerte mich an jemanden, ihn, ich weiß noch, wie er seinen Arm um meinen Hals schlang und zudrückte, mir immer mehr die Luft nahm. Ich spüre seinen festen Arm an meinem Hals, als wäre er gerade wieder dabei mich zu erwürgen. Es tat weh. Es schmerzte. Es war qualvoll und ich spürte genau wie die Luft immer weniger wurde, wie ich panisch wurde. Aber mir wurde geholfen, damals.

Aber wie will man jemandem helfen, wenn er von innen erstickt wird?

Wenn er an sich selbst erstickt?


Ich schloss die Augen und merkte wie alles verblasste, der Schmerz verblasste, genauso wie alles andere um mich und in mir.

Riechen, nichts. Sehen, nichts. Hören, nichts. Bewegen, nichts. Fühlen, nichts.

Einfach gar nichts.

Den Schmerz, welchen die Watte in mich biss, wurde sanfter.

Aus diesem quälenden Schmerz wurde nur ein dumpfes Pochen. 

Ich schloss die Augen, entspannte mich, ruhig. 

Alles was ich spürte war diese liebliche Watte, so scheußlich. Sie hatte mich schon von außen umschlossen, den süßen Geruch roch ich schon lange nicht mehr. Den Rosafarbton konnte ich nicht mehr sehen, da die Watte meine Augen verklebt hatte und der süßliche Duft hatte schon lange meine Nase verstopft. Bewegen ging nicht, denn ich war überall festgeklebt, Watte war schon immer so klebrig.


Nun kroch die Watte auch in mir immer weiter nach oben, unaufhaltsam. Es tat weh und doch... tat es irgendwie gut. Ich war in Watte eingepackt. Die Watte war in meiner Lunge und fing an mir die Luft abzuschnüren, sie mir zu rauben, damit sie selbst atmen konnte.


Ich hatte Watte in meiner Lunge, die mich erstickte. Watte, die mich erstickte.


Ich merkte wie die Watte nun meine Lunge füllte, panisch wollte ich mich umsehen, doch ich konnte nichts sehen und genauso wenig konnte ich mich bewegen. Ich merkte die Panik immer höher steigen, stetig mit der Watte mit. Ich dachte Watte wäre süß und weich, ich hätte wissen sollen, dass auch Watte töten kann.  

Nun war meine Lunge voll mit Watte, es war so weich und dennoch traf mich die Erkenntnis hart, hatte sich jemand auch schon mal so gefühlt? Als wäre sein Hals voller Watte, welche ihm die Stimme zum Reden und die Luft zum Atmen nahm? So, als würde man an sich selbst ersticken?


Ich bekam keine Panik, dass einzige was ich spürte war ein Schmerz, kein Schmerz, ein Schmerz, kein Schmerz. K-/ein Schmerz.


Ich fühlte alles und doch spürte ich nichts. Die Watte füllte mich nun komplett aus, ich fühlte mich innerlich weich. Ich spürte diesen ganzen Schmerz... und dennoch spürte ich nichts.

Ich spürte alles und doch gar nichts, ich spürte diese Watte in mir, diese imaginäre Watte.


Ich merkte wie mein Körper schlaff wurde, die Luft zum Atmen blieb aus, alles was mir übrig blieb war nur die Watte, die (nicht) existierende Watte, welche mir alles genommen hatte, nicht nur die Luft zum Atmen sondern auch mein Leben. 

Diese Süße hat mich aufgefressen, hat meine Kehle zugeklebt, meine Tränen süßlich getrocknet und mein Lachen fröhlich abgeschnürt.


Watte war alles was ich je hatte und alles, was ich nie haben wollte.


Watte war mein Leben und doch mein Tod.


Ich war die Watte und die Watte war ich.


Sie hatte mir das Leben genommen, ich hatte mir das Leben genommen.



Ich hatte Watte in meiner Lunge, welche mich erstickte. 

Ich hatte Watte in meiner Lunge, Watte, welche mich erstickt hatte.

W A T T E  #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt