ANSPANNUNG

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NATHANS POV


Heute fängt mein erster richtiger Arbeitstag ohne meine Aufseherin an. Ob ich mich gut schlagen werde? Eigentlich muss ich mich nur um die ganzen neuen Verletzten und um Organisatorisches kümmern, was hoffentlich nicht so schwer sein wird. Aber einer der vielen Soldaten ist anders, denn ich bekomme ihn irgendwie nicht aus meinem Kopf. Schauen wir mal, ob es ihm besser gehen wird. -gesendet um 07:21 Uhr [fehlgeschlagen]


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Schlecht gelaunt schloss ich mein Auto ab. Heute war einfach so ein Tag in der Woche an dem man sich dachte, ob das Irrenhaus auf Wanderschaft war. Die Autofahrer fuhren so, als hätten sie nie ihren Führerschein gemacht und dann fragte man sich, wie sie diesen überhaupt bestanden haben.

Dazu kam noch, dass ich verschlafen habe und mir meine Kaffeemaschine wegen den inkompetenten Möbelpackern kaputt gegangen ist. Ohne mein morgendliches Koffein lief bei mir leider gar nichts. Super Start in die Woche, nicht? Wenigstens verdiente ich dabei was, früh aufzustehen und Menschen zu helfen. Doch der Hangover, der hinter meinen Augen und Schläfen pochte, machte mir mein Leben um einiges schwerer. Selbst Schmerzmittel konnten mir nicht mehr helfen.

„Morgen", begrüßte mich eine Rezeptionistin worauf ich nur höflich zurücknickte. Zumindest versuchte ich es. Wie mich Montage nervten.

„Ich wollte Ihnen Bescheid geben, dass Frau Clemens nicht kommen kann und sie kurzfristig Urlaub genommen hat. Ich soll mich mindestens zwei Wochen um ihre Patienten, spezifisch auch Paul Williams, kümmern. Ihr Gehalt in der Zwischenzeit bekomme ich leider nicht, wie sie mir sehr eindringlich versichert hat", ratterte ich schnell herunter und blickte zu meinem Chef, welcher ein bekannter Chirurg in unserem Krankenhaus war.

„Danke für die Information, Nathan. Und ich gebe dir einen kleinen Bonus, weil du letztens so gut mitgewirkt hast und ich dich bemitleide. Ich finde es toll, dass du dich bereit erklärst, für jemanden einzuspringen, obwohl du als Arzt noch nicht viel Erfahrung gesammelt hast", lächelte er mir zu und klopfte ermutigend auf meine Schulter, um kurz darauf zu winken und wegzugehen. Ich griff an meine Schulter und versuchte den Schmerz wegzutreiben. Er unterschätzte seine Kraft.

Mein Chef Ron war ein sehr freundlicher und lebensfroher Mensch. Er strahlte nur von positiver Energie und das zeigte er auch seinen Mitmenschen indem er ständig nett kommentierte, jedem ein Lächeln zuwarf und Witze riss. So etwas fand man leider immer seltener in dieser Industrie vor. Er hat auch ohne lange nachzudenken, meine Bewerbung angenommen und dachte sich nichts dabei, dass ich mehrere Klassen übersprungen habe. Er war lediglich nur begeistert von mir und neben unserer Arbeitgeber-Arbeitnehmer Rolle, waren wir auch Freunde.

„Hey Caroline. Kannst du mir bitte die Akte von Paul Williams, Zimmer 324 geben", begrüßte ich eine gute Freundin von mir. Sie war ebenfalls diejenige die mich dazu gebracht hat, hier meine Bewerbung hinzuschicken.

„Oh, hey Nathan! Klar, hier ist sie. Hast du schon mal seinen Lebenslauf gesehen? Echt krass, was in seinem Leben so alles passiert ist. Ich muss dir in der Mittagspause was ziemlich Wichtiges erzählen, also treffen wir uns um 12 Uhr in der Cafeteria? Ok, bis dann!", murmelte sie schnell vor sich hin und wandte sich wieder an ihren Laptop und eifrig die Tasten zu misshandeln.

Sie erwartete keine Antwort und kopfschüttelnd machte ich mich auf den Weg, um nach Williams zu sehen.


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Zögernd drückte ich die Türklinke vom Zimmer 324 hinunter und starrte geradewegs in die Augen eines großen, weißen Werwolfes. Ich war wie erstarrt, er trat langsam näher und näher. Seine Krallen kratzten den polierten Boden und sein Sabber schäumte sich in seinem Maul zusammen.

Nathan |  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt