VERGANGENHEIT

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NATHANS POV

Drei Tage bis Neujahr


Immer wenn ich an Meer oder an Urlaub dachte, schoss mir als allererstes immer Zandvoort in meinen Kopf. Ich hatte das kalte Meer vor Augen und konnte die Meeresluft förmlich riechen. Drei Kinder liefen lachend barfuß im Sand, während die Eltern den Kindern glücklich zuschauten. Es war eine ausgelassene Stimmung, niemand war unglücklich und wir genossen den Urlaub als große, sich liebende Familie. Bis heute treibt diese Erinnerung mir Tränen in die Augen. Einerseits vermisste ich es, jedoch habt ihr mich nicht akzeptiert und mich nicht so geliebt, wie ich bin. Bereute ich es so zu sein, wie ich geworden bin? Wahrscheinlich, denn es gab bisher noch keinen Grund darauf, stolz zu sein, wie ich bin. -gesendet um 09:11 Uhr [fehlgeschlagen]


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Ich atmete die salzige Meeresluft ein und streckte meine langen Gliedmaßen. Es war eine lange Fahrt gewesen und trotzdem sind wir ohne irgendwelche Umstände angekommen. Wir hatten Glück mit dem Verkehr und mein Auto hatte es ohne Mühe geschafft, die hunderte von Kilometer zu überwältigen. Da Paul seinem Körper noch nicht wirklich traute, überließ er mir wohl oder übel das Fahren.

Der besagte Mann stieg auch aus dem Auto, tat es mir gleich und blickte um sich. Wir befanden uns an einem Kliff der in einigen Metern von feinen Grashalmen bedeckt wurde. Dahinter ging es steil hinunter und am gesamten Horizon erstreckte sich das strahlend blaue Meer. Nicht weit entfernt war das Ferienhaus. Bildlich konnte ich mir vorstellen, wie drei kleine Kinder hier umherrannten und Eltern, die versuchten, ihre wilden Kinder wieder einzufangen. Traurig lächelte ich bei dieser Erinnerung und bemerkte, wie mich mein Patient mich intensiv beobachtete. Überfordert blinkte ich mehrmals und vertrieb mir die Erinnerung aus meinem Blickfeld.

Um eine komische Situation zu vermeiden, lief ich schnell zum Kofferraum und hievte die Taschen aus dem Auto. Ich hörte wie Paul sich mir näherte, mir seine Hilfe anbot und zusammen brachten wir unsere Gepäckstücke zur Eingangstür. Der Boden war mit einer leichten Eis- und Schneeschicht bedeckt und es fühlte sich nun wirklich so an, als wäre der Winter nun vollständig angetroffen.

„Das ist unser Zuhause für die nächsten vier Tage. Mach es dir gemütlich und fühle dich wie Zuhause", forderte ich ihn auf und stellte die Reisetaschen auf dem Flur ab. Diese waren so die ersten Worte nach der Abreise, da wir die langen Stunden großteils mit Schweigen verbracht haben und Paul öfters zwischendurch geschlafen hat. Anfangs war Paul verwirrt als ich ihm mein Reiseziel mitteilte, da er mit dem Ortsnamen kaum etwas anfangen konnte, doch zum Glück hatte er keine Einwände.

Und wir sind nun endlich angekommen. Als er schließlich gesehen hat, in welchem Land wir uns befanden, bemerkte ich ein leichtes Aufleuchten in seinen wunderschönen Augen. Es machte mich für kurze Zeit froh, ihn so zu sehen. Solche Reaktionen beobachtete man nur selten bei Paul.

Endlich im Flur stehend, bemerkten wir beide sofort, dass es ziemlich kalt war. Arschkalt, besser gesagt. Wie denn auch, wenn dieses Haus schon mehrere Jahre lang leer stand und niemand regelmäßig auftauchte und sich um das verlassene Grundstück kümmerte. Ich ließ Paul alleine stehen, rannte hinunter in den vertrauten Keller und machte Strom, Heizung und warmes Wasser an. Als ich die Treppen wieder hochsteigen wollte, bemerkte ich den ganzen Staub der sich über die Zeit angesammelt hatte und konnte daraus schließen, dass keiner von meiner Familie in letzter Zeit hier war.

Oben angekommen sah ich, wie er unschlüssig im Eingang vor sich hinstarrte und nachdachte. Er sah sich die Familienbilder an, die vereinzelt an den Wänden hingen. Glückliche Kinder tobten im Winter oder im Sommer herum und die Eltern hielten die Momente fest oder waren selbst darauf. Jedes Jahr mindestens ein Bild in 17 Jahren und aus einem Kind wurde drei.

Nathan |  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt