Plötzlich Schwestern (I)

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Ashley machte sich gerade auf den Weg in die Schule, als ihr Handy sich meldete.

Hey Ash, ich kann heute nicht kommen, bin krank.

Ich wünsch dir einen schönen Tag.

Grace

Ein wenig enttäuscht schrieb Ashley schnell eine Gute-Besserung-Nachricht zurück. Klar, sie hatte genug Freunde in der Schule. Aber Grace war wie eine Schwester für sie. Mit ihr konnte sie über alles reden und auch über Themen, die sie sonst niemandem anvertraute, zum Beispiel Dave. Schon allein bei seinem Namen machte ihr Herz seinen Satz. Dave war gross, sportlich und sehr attraktiv.

„Hey Ash!" Sie drehte sich um und sah Riley, eine gute Freundin von ihr, auf ihrem Skateboard auf sie zu rasen. „Hallo Riley", wollte Ash gerade sagen als diese höchst unelegant bremste und Bekanntschaft mit dem Boden machte. Lachend half sie ihrer Freundin auf und umarmte sie kurz. „Meine Güte! Da war schon wieder diese Frau mit den Katzen. Sie hat mich gefragt, ob ich meinem netten Lehrer einen Gruss von ihr ausrichte. Ich weiss nicht mal wen sie meint. Der einzige gutaussehende Lehrer ist der Sportlehrer. Aber der ist doch viel zu jung für sie. Ist aber auch egal. Hast du einen schönen Morgen gehabt?"

Riley quasselte in höchst Geschwindigkeit. Lächelnd beantwortete Ash Rileys Frage. Eigentlich ist Riley eher schüchtert und braucht eine Zeit um jemanden zu vertrauen. Aber wenn sie jemandem mal vertraute, war sie total witzig, aufgeweckt und offen. Ausserdem konnte sie echt lange und ununterbrochen reden.

Als sie an der Schule ankamen, trennten sich ihre Wege den Ashley ging schon voraus zu ihren Freunden. Riley hingegen huschte unauffällig hinter das Schulhaus. Ihr Freund Chris wartete schon auf sie. Riley bekam ein Kribbeln im Bauch, als er sie mit einem Kuss begrüsste. Sie mussten sich immer heimlich treffen, weil niemand von ihrer Beziehung wissen durfte. Riley beste Freunde kannten ihr Geheimnis, aber sie würden es nie weitererzählen. Die Hauptsache war, dass Chris Eltern nichts davon erfuhren, weil sie streng katholisch waren. Aus diesem Grund war Riley noch nie bei Chris Zuhause gewesen und hatte seine Eltern nie kennengelernt. Andere Mädchen wären deswegen wahrscheinlich misstrauisch, doch Riley vertraute ihm vollkommen. Und dass sollte etwas heissen, denn wie schon erwähnt, es ist nicht einfach Rileys Vertrauen zu bekommen.

Riley kam zu spät ins Klassenzimmer, der Unterricht hatte bereits angefangen. Herr Müller, ein Lehrer mittleren Alters, schien sie nicht zu bemerken. Er war gerade in Geschichte vertieft. Die meisten Schüler hörten ohnehin nur mit einem Ohr zu, flüsterten ab und zu miteinander und schrieben einander Zettel. Sehr wenige hörten Müller aufmerksam zu und schrieben sich Notizen. Einige Jungs, darunter Kurt, Thomas und Kevin, die wie immer in der hintersten Reihe sassen, machten überhaupt nichts.

Michelle und ihr Freund Luke schienen über etwas zu streiten. Luke war bei den meisten Schülern sehr beliebt. Mit seinen schwarzen Haaren und den grünen Augen hattte er schon manchen Mädchen den Kopf verdreht. Michelle hingegen wurde von vielen gehasst. Mit ihrer zickigen und frechen Art stiess sie jeden ab, ausser Luke. Einige Schüler hatten zuerst Mitleid mit ihr, weil sie vor einem halben Jahr einen Gehirntumor hatte. Seitdem trägt sie eine blonde Perücke.

„Da war nichts zwischen Amelie und mir. Sie hat mich nur wegen den Hausaufgaben etwas gefragt. Sei doch bitte nicht immer so eifersüchtig!" „Ich bin nicht eifersüchtig!" Leider war dieser Ausruf lauter als gedacht. „Michelle, gibt es ein Problem?" Herr Müller hatte mitten in seinem Vortrag aufgehört zu reden und schaute die besagte Schülerin stirnrunzelnd an. „Nein, Herr Müller. Tut mir Leid für die Unterbrechung." „Nun denn, möchtest du uns erklären, was Hitler unter Rassenlehre verstand?" „Ähm, jeder Mensch, jedes Volk gehört einer bestimmten Menschenrasse an. Je nach Fähigkeiten ihrer Angehörigen ist eine Rasse mehr oder weniger wertvoll." Mit einem etwas überraschten, aber zufriedenen Gesichtsausdruck, fuhr er mit seinem Unterricht fort. Michelle lächelte, als ihr Freund ihr einen Zettel hinlegte.

Sorry Michelle,

Du weisst doch dass ich dich liebe.

Nachdem es geläutet hatte, wollten alle schon eilig zusammenräumen, doch Müller redete noch zwei Minuten weiter nach dem Motto: „Ich beende den Unterricht". Als ob noch jemand zuhören würde. Die einzigen Wörter die die Klasse noch interessierten war: „Der Unterricht ist beendet". Als er endlich fertig war, stürmte die ganze Klasse aus dem Schulzimmer, als ob sie ein Wettrennen veranstalten würden.

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