Zwei Eisblöcke

538 6 0
                                    

Es waren einmal zwei Eisblöcke. Das Verhältnis zwischen ihnen war sehr kühl, was nicht verwunderlich ist. Der eine dachte: Warum kommt der andere nicht näher zu mir? Aber der Eisblock konnte nicht gehen und kommen. Da dachte der eine: Wenn der andere auftaut, dann taue ich auch auf. - Aber weil der Eisblock nicht von selbst auftaute, taute keiner von beiden auf. So geschah es, dass jeder noch mehr in sich selbst vereiste. 

Nach Monaten - oder war es nach Jahren? - entdeckte der eine Eisblock eines Mittags, als die Sonne strahlte, dass er schmelzen konnte, und er sah, dass er sich zu Wasser verflüssigte, und dass er doch noch er selbst war. Auch der andere machte diese wunderbare Entdeckung. Über die ganz alltäglichen Wassergräben flossen sie aufeinander zu. Sie begegneten sich. Zwar spürten sie ihre Kälte noch, aber auch ihre Schwachheit und ihren guten Willen, ihre eigene Not und die von anderen. Sie fanden, dass sie einander nötig hatten und zusammenbleiben müssten.

Da kam ein Kind und dann noch eins und noch andere Kinder. Und die ließen kleine Schiffe auf dem großen, starken Wasser fahren. Sie hörten, dass die Kinder glücklich waren. Und diese Freude spiegelte sich wie eine Sonne im Wasser.

P. Cornelis

________________________________________________________________________________

Sind es nicht die kleinen Dinge im Leben, die uns manchmal wieder zusammenbringen? Nach einem Streit, der Eiszeit zwischen zwei Menschen, durch eine besondere Begegnung wieder auftauen? Sich gemeinsam über etwas freuen. Oder der Moment, wenn man merkt, dass man einander braucht. Man nähert sich langsam wieder an, und am Ende ist man wieder vereint. Bei manchen dauert die Eiszeit etwas länger als bei anderen. Doch jede Eiszeit geht irgendwann einmal vorbei...

Geschichten zum NachdenkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt