Sonea *pausiert*

3. Von einem Pinguin, Verstehen und einem eventuellen Widerspruch

Der Chemieunterricht am Freitag war für Sonea kaum anders als jeder andere, nur dass Frau Hänel mit ihrem Kurs besprach was in der Klausur dran kommen würde und die Themen wiederholte. Sie rief verschiedene Leute auf, die dann an der Tafel eine Aufgabe lösen mussten.

Sonea sah aus dem Fenster, es langweilte sie. Sie dachte an ihren Park. Wie gerne wäre sie jetzt dort. Sie beobachtete einen kleinen Vogel beim Nestbau. Eifrig flog er hin und her und kam mit kleinen Stückchen, Moos und allerlei, was er zum Nestbau brauchte, wieder. Wie gerne würde Sonea auch fliegen können. Sie konnte es nicht. Sie fühlte sich wie ein Pinguin. Ihre Flügel waren nicht mehr groß genug zum Fliegen. Dafür konnte sie tauchen, besser als die meisten anderen, aber es war ihr nicht bewusst, sie sah bloß ihre verkümmerten Flügel.

"Quinn, würden sie bitte diese Aufgabe lösen?", forderte Frau Hänel ihn auf. Sonea sah gespannt nach vorne. Quinn zuckte gleichgültig mit den Schultern und ging nach vorne.

Sonea sah Frau Hänel an, dass sie sein Scheitern erwartete und das, obwohl sie eine leichte Aufgabe ausgewählt hatte. Ähnlich der Hausaufgabe, die Sonea mit Quinn zusammen gelöst hatte.

Nach leichtem Zögern nahm Quinn ein Stück Kreide in die Hand und begann die Aufgabe zu lösen, zwar etwas umständlich und anders als Sonea es getan hätte, aber sie war fehlerfrei. Danach setze er sich wieder.

Frau Hänel war sichtlich überrascht und gleichzeitig mit ihrer Entscheidung, Quinn mit Sonea zusammen arbeiten zu lassen, äußerst zufrieden. Der Junge schien sich zu bemühen. Das stille Mädchen tat ihm gut. Und er schien ihr auch gut zu tun. Die Chemielehrerin hatte den Eindruck, dass Sonea seit ein paar Tagen häufiger bei der Sache war und nicht ständig in ihren Gedanken. Sie fragte sich auch warum man das äußerst intelligente Mädchen normal beschulte. Sonea war deutlich unterfordert und es schien ihr nicht gut zu tun, aber ändern konnte sie es nicht, sie konnte nur hoffen, dass Sonea durch Quinn endlich einen Anschluss zu ihren Mitschülern fand. Der Altersunterschied und ihre Hochintelligenz machten es ihr nicht leicht.

Das Klingeln verkündete das Ende der Stunde und somit den Schulschluss für Quinn und Sonea. Chemie war freitags ihre letzte Stunde.

Sonea wartete auf Quinn. Für ihn ein Zeichen, dass sie wieder zu ihm gehen würden.

"Sonea, schön dich wieder zu sehen", begrüßte Quinns Mutter sie, als sie das Haus betraten.
"Darüber, dass ich nach Hause komme, freust du dich natürlich nicht", sagte Quinn wenig begeistert und nahm somit Sonea die Chance etwas zu antworten.

Sie war sich eh nicht sicher gewesen, was sie hätte antworten sollen. Es wäre wohl auf ein einfaches "Hallo" oder "Hallo, Frau Boerling" hinaus gelaufen.

"Wollt ihr schon mal nach oben gehen? Ich rufe euch, sobald das Essen fertig ist", überging Quinns Mutter das Gesagte.

Quinn kickte seine Schuhe zur Seite, Sonea stellte ihre ordentlich daneben und folgte ihm nach oben.

Das Zimmer sah ein kleines bisschen verändert aus, stellte Sonea fest. Quinn - oder seine Mutter - hatte anscheinend aufgeräumt und sogar das Bett gemacht. Zudem stand ein zweiter Stuhl an Quinns Schreibtisch.

Quinn beobachtete wie Sonea sich umsah, ihm fiel auf wie ihr Blick am Schreibtisch hängen blieb: "Ich hab' einen zweiten dazu gestellt, damit wir nicht wieder auf dem Boden arbeiten müssen."

Sonea sah ihn überrascht an und sagte mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen: "Aufmerksam."

Quinn wusste nicht, ob sie die Geste oder die Erklärung ihrer Beobachtung meinte. Vielleicht bezog es sich auch auf beides.

"Setz dich doch", bot er ihr an.

Sie nickte zögerlich und nahm auf einem der Stühle Platz, aus Höflichkeitsgründen. Es hatte ihr nichts ausgemacht zu stehen. Während Sonea da saß, griff Quinn seine Sporttasche und nahm seine Sportsachen aus dem Schrank, um sie für das Training nachher einzupacken. Sonea sah ihm zu wie er Sportkleidung, Sportschuhe und Sachen zum Duschen einpackte. Daraus schließen welche Sportart er ausübte, konnte sie trotzdem nicht.