Testobjekt Nr. 20037

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Als ich aufwachte, bemerke ich einen kalten Luftzug, welcher über meine Halbnackten Beine streift. Ich taste um mich herum nach meiner Bettdecke, spüre aber nur kalten Boden. Erschrocken reiße ich die Augen auf: Das grelle, weiße Licht blendet mich, doch trotzdem kann ich erkennen: Ich liege nicht in meinem Bett. Das hier ist nicht mein Zimmer. Blinzelnd setzte ich mich auf und versuche zu erkennen wo ich bin. Nach einiger Zeit gewöhnen sich meine Augen an das grelle Licht und ich kann die Umgebung ausmachen: Ich sitze in einem heruntergekommenen Badezimmer, welches einen kleinen Lüftungsschacht hat, von dem anscheinend der Luftzug kommt. Panik überkommt mich und ich versuche aufzustehen. Dabei spüre ich kaltes Eisen an meinem rechten Fußgelenk. Es ist eine Eisen-Fußfessel, welche mit einer Eisenkette an ein Waschbecken gebunden wurde. Bei dem Versuch mich zu befreien scheuern meine Fußgelenke auf. „HILFEEEE!" kreische ich. „HIIIIIIIIIIIIILFEEEEEEEEEE!". Ich spüre wie mir die Tränen in die Augen fließen. Wo bin ich hier? Warum bin ich hier? Und wie komme ich hier verdammtnochmal wieder weg? Obwohl es weh tut, zerre ich weiter an meiner Fußfessel. Es scheppert gewaltig, doch ich kann weder die Fußfessel, noch das Waschbecken lösen um mich zu befreien. „Anscheinend muss ich mir den Fuß abreißen" denke ich. Mit verheultem Gesicht lege ich mich zurück auf den kalten, grauen Fliesenboden und starre in das weiße Licht der Leuchtstoffröhre. Plötzlich nehme ich eine Bewegung hinter mir wahr. Ruckartig drehe ich mich um: Vor mir steht ein erwachsener, junger Mann. Er drückt dich mit dem Rücken an die Wand, anscheinend in der Hoffnung dadurch unsichtbar zu werden. Verflucht! Wo kam der denn her? Ich krabbele ein wenig zurück, wer weiß was der Typ gemacht hat, während ich ohnmächtig gewesen bin. Er starrt mich mit einer Mischung aus Angst, Verzweiflung und Verwünschung an. Eine Weile sagt keiner etwas. Dann löst er sich aus seiner Starre und setzt sich, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, auf den grauen Boden. Dabei lässt er mich nicht aus den Augen. Ich mustere ihn: Er hat kurzes, strähniges, schwarzes Haar, graublaue Augen und sonnengebräunte Haut. „Hey!" Ich zucke zusammen. Bis auf das leise Rauschen des Windes ist es hier vollkommen still. Ich gucke ihn an: Er hat eine Narbe an seiner linken Wange, welche von seinem Mundwinkel zu seinem Ohr verläuft, was irgendwie an ‚Jeff The Killer' erinnerte. „Verdammt! Du erinnerst dich an ‚Jeff The Killer', aber hast keine Ahnung wer dieser, dir bekannte, Typ ist!" schimpfe ich im Stillen. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich ihn die ganze Zeit wie ein Auto angestarrt habe. „Ich...äääh..." stammele ich um überhaupt etwas sagen zu können. „Wie lange liege ich schon hier?". Er verzieht sein Gesicht: „Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur wie das Licht ausgegangen ist. Irgendwas hat mich dann betäubt. Und als ich wieder aufgewacht bin, hast du da gelegen." Das heißt, er ist auch schon länger hier. „Ich war auch angekettet." Fügt er noch hinzu. Hoffnung flammt in mir auf: Wenn er aus den Ketten gekommen ist, muss ich das ja auch schaffen. Immerhin ist jemand da, der mir helfen kann. Doch irgendetwas ist komisch an der Sache. Ich weiß nur nicht was. Naja, ich werde später genug Zeit haben darüber nachzudenken. Ich stehe auf und laufe, soweit es die Fesseln zulassen, durch den Raum. Mir entgeht nicht wie er mich mit seinem Blick regelrecht fixiert. Als würde ich eine Pistole auf ihn richten. Es macht mir irgendwie Angst. Der Bekannte-Unbekannte erhebt sich und geht auf ein schwarzes Stück Wand zu. Ich kann nicht sehen was er dort macht, weil die Fesseln nicht so weit reichen. Ich setzte mich hin und gucke mir den Raum an: Es ist ohne Zweifel ein Badezimmer. An der einen Wand sind Toiletten, an der anderen steht eine Badewanne. Ich beginne mich zu fragen was ich hier mache. Und dieser Mann. Was haben wir getan? Gibt es eine Verbindung zwischen uns? Warum kommt er mir nur so bekannt vor? Während ich vor mich hin grübele setzt sich der Mann wieder gegenüber von mir an die Wand. „Wie heißt du?" fragt er mich. Ich schrecke aus meinen Gedanken: Wie ich heiße? Mir fallen eine Menge Dinge zu mir ein: Wie alt ich bin, wo ich wohne, welchen Film ich als letztes geschaut habe, ... aber mein Name will mir partout nicht einfallen. Ich zucke ratlos mit den Schultern. Er schnaubt. Anscheinend ist es wichtig. Ich wage es nicht zu fragen wie sein Name lautet. Er scheint irgendein Problem zu haben und dieses Problem scheint mich auch zu betreffen. Das würde wenigstens erklären wieso er mich die ganze Zeit so böse anguckt. Eine Weile sagt keiner was. Mein Blick schweift durch den Raum und fällt dann auf seine nackten Füße. Mein wundes Fußgelenk meldet sich wieder und auf einmal trifft es mich wie ein Schlag: Seine Fußgelenke! Sie sind völlig unversehrt. Aber er hat doch gesagt das er auch angekettet gewesen ist. Und SO lange kann ich hier nicht gelegen haben. Erschrocken weiche ich zurück. „Verdammt, was will der Typ von mir?" Der Mann steht wieder auf und geht abermals zur schwarzen Wand. Allerdings kann ich dieses Mal sehen was er macht: Er zieht einen Stein aus der Wand und holt etwas heraus. Er versucht es vor mir zu verbergen doch ich kann es trotzdem erkennen: Es ist eine Pistole. Er schaut mich mit einem Verzweifelten Seitenblick an. „Ganz ruhig bleiben. Gaaaanz ruhig bleiben." Sage ich mir im Stillen. Ich überlege Fieberhaft was ich sagen könnte. „W-w-wie heißt DU eigentlich?" frage ich, weil mir nichts Besseres einfällt. Seine Augen weiten sich als er flüstert: „M-Mark." Na also! Er kann sich, im Gegensatz zu mir, an seinen Namen erinnern. Sehr seltsam. Ich grübele ob ich einen Mark kenne. Doch der Name sagt mir irgendwie nichts. Und doch kenne ich diesen Mann. Nur woher? Während ich noch nachdenke höre ich ein Klicken. Ich kenne dieses Klicken: Es ist das klicken, welches beim Entsichern entsteht. Beim Entsichern einer Pistole. Er richtet die Waffe auf mich und starrt dabei verzweifelt an die Wand: „...Tut...eid...me..." „WAS?!" keuche ich entsetzt. Wie gelähmt sitze ich am Boden und selbst wenn ich mich bewegen könnte, hätte ich keine Chance. Ich bin angekettet und er läuft frei herum. „Es...tut...mir...Leid...Lyme!" presst Mark hervor. Lyme? Ist das mein Name? Warum zur Hölle kennt der Typ meinen Namen. Mark starrt an die Wand und ich folge seinem Blick: An der Wand hängt ein Countdown, der mir vorher noch nicht aufgefallen ist. Ich kann die Zahlen nicht erkennen, aber Marks Gesichtsausdruck wird mit jeder Sekunde panischer. „Scheiße!" brüllt er urplötzlich. Noch bevor ich fragen kann was das hier alles soll geht das Licht aus. Es ist stockfinster, ich höre nur Marks Schrei, einen dumpfen Schlag, und etwas, was auf den Boden fällt. Dann werde ich ohnmächtig.

Als ich aufwache werde ich wieder von übelst grellem Licht geblendet. Ich richte mich auf und bemerke mit Entsetzen, das ich immer noch im selben Badezimmer hocke. Ich gucke auf meine Füße: Sie sind frei und unversehrt, als ob NICHTS geschehen wäre. Ich wundere mich darüber: Das müsste mindestens eine kleine Blase geben. Schwankend erhebe ich mich: Ich bin auf der anderen Seite des Badezimmers. Auf der anderen Seite liegt ein Mädchen. Angekettet. Ich gehe etwas näher an sie heran: Sie hat hellblondes Haar, Sonnengebräunte Haut und rot lackierte Fingernägel. Ich kenne sie, sie ist eine der Oberzicken an meiner Schule. Ich hasse sie. Ich habe ihr einst den Tod gewünscht, als sie sich darüber lustig gemacht hat, dass ich nur mit Jungs abhänge. Was macht sie hier? Ich lasse sie liegen und steuere den Teil der Wand mit dem Countdown an: 6:56:39 zeigt er an. Was hat diese Zeit zu bedeuten? Mir fallen ein paar rote Pfeile auf, welche auf die Mauernische zeigen, aus der Mark die Pistole geholt hat. Ich gehe darauf zu und ziehe den Markierten Stein raus: In der Nische liegt eine Pistole. Daneben liegt ein Zettel: Ich hole den Zettel heraus. Auf ihm steht in krakeliger Schrift: Testobjekt Nr. 20037. Wirst du deine Drohung wahrmachen?

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