Pirate's Love

Kapitel 20

Mit großen Schritten ging ich über das Hauptdeck. Es war die ganze Zeit so einfach gewesen. Wie so oft war ich mir aber selbst im Weg gestanden und hatte das zu spät erkannt. In dem Moment als Luan mir seine Liebe gestanden hatte, hätte ich fühlen müssen, dass ich genau dasselbe für ihn empfand. Aber nein, ich hatte erstmal ewig darüber nachdenken müssen und hatte Probleme dort gesehen, wo keine waren.

Jetzt fühlte ich mich, als hätte ich RedBull getrunken und mir würden gleich Flügel wachsen wie in dieser Werbung. Bei dem Gedanken musste ich kurz grinsen.

Aber dann blieb ich abrupt stehen. Ich hatte gar keine Ahnung, wo Luan war. Suchend schweifte mein Blick über das Deck, aber ich konnte ihn nirgends entdecken. Dann war er entweder bei Cole oder unten, dort wo die anderen ihre Hängematten zum Schlafen hatten und die Kanonen gelagert wurden.

"Hey, Ava!", brüllte plötzlich jemand. Erschrocken drehte ich mich um, konnte aber niemanden entdecken. Seltsam ... Wer hatte mich gerufen? Keiner der Piraten, die hier auf dem Deck arbeiteten hatte sich mir zugewandt.

"Ava! Hier oben!", rief wieder die eindeutig männliche Stimme und diesmal legte ich den Kopf in den Nacken, um in den Himmel zu schauen. Und tatsächlich stand dort im Mastkorb ein Mann, der mir zuwinkte. Verwirrt winkte ich zurück. Ich konnte mich nicht daran erinnern, mit ihm schon mal geredet zu haben. Woher kannte er meinen Na- Dumme Frage, natürlich kannte er meinen Namen, schließlich war ich das einzige Mädchen hier auf dem Schiff und wie der Kaptain vorhin schon so nett angedeutet hat, bin ich hier einfach plötzlich aufgetaucht.

"Komm doch hoch!", schrie der Mann euphorisch und beugte sich über den Korb zu mir herunter.

"Ich würde echt gerne, aber ich kann gerade nicht.", rief ich entschuldigend und lächelte aufmunternd, auch wenn ich bezweifelte, dass er das Lächeln übehaupt sehen konnte.

"Ach, komm schon. Du hast doch wohl zehn Minuten für mich Zeit!", war seine Antwort darauf und ich konnte sehen, wie er mich breit angrinste.

Mein Blick schweifte abwechselnd vom Mastkorb zu der im Boden eingelassenen Türe, die mich hoffentlich zu Luan führen würde. Ich war innerlich zerrissen. Zum einen wollte ich unbedingt mit Luan reden, zum anderen würde ich gerne mal in den Mastkorb hinauf. Natürlich konnte das warten, aber so eine Gelegenheit würde sich vielleicht kein zweites Mal bieten.

Ein schwerer Seufzer entwich mir. Ich warf noch einen letzten Blick auf die Tür im Boden und wandte mich dem Mastkorb zu.

"Wie komme ich da hoch?"

"Klettern!", war seine wirklich hilfreiche Antwort darauf und ich verdrehte die Augen. Ach was, darauf wäre ich nicht gekommen. 

Zweifelnd blickte ich an dem Pfosten hoch, an dessen Ende sich der Mastkorb befand. Zwar hatte ich Zuhause schon einige Kletterparks besucht, aber die waren ja ein Witz dagegen. Außerdem war ich kein verdammter Koala oder Affe, der so etwas jeden Tag machte.

"Da sind tiefe Kerben in dem Pfosten. Da kannst du dich festhalten und deinen Füßen einen Halt geben!", rief der Mann mir von oben zu. Meine Augen suchten den Mast ab und tatsächlich konnte ich Kerben erkennen, die hineingeritzt worden waren.

Mir selbst Mut zusprechend krallte ich meine Finger in zwei Kerben fest und hievte mich langsam hoch. Die Zehen meines einen Fußes hatte ich in einer Kerbe direkt über dem Boden gestellt. Mit einer Hand suchte ich nach der nächsten Kerbe und Meter um Meter kletterte ich vorsichtig den Mast hoch.

Als ich ungefähr die Hälfte geschafft hatte, machte ich eine kurze Verschnaufpause. Meine Finger zitterten von der Anstrengung und die kühle Abendluft hier oben tat ihr Übriges. Vielleicht hätte ich auf Mom hören sollen und hätte einmal am Tag joggen gehen sollen, um meine Kondition zu verbessern. Aber das Bett wollte mich einfach nicht gehen lassen.