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Geschafft schloss ich die Tür zur Gärtnerei hinter mir ab, das ‚Geschlossen' Schild lachte mich dabei an. Ich fühlte mich so platt wie ein überfahrener Pfannkuchen. Immerhin waren meine Kopfschmerzen halbwegs verschwunden, und ich hatte nur noch zwei Straßen zu laufen, dann erwartete mich ein schöner, kalter Eiskaffee.
Etwas munterer machte ich mich auf den Weg, warf dabei einen kritischen Blick nach oben. Der Himmel hatte sich verdunkelt, die Sonne war nicht mehr zu sehen. Dennoch war es noch immer brütend heiß, und ich war froh, mir heute Morgen ein luftiges, unter den Armen weit ausgeschnittenes Top ausgesucht zu haben. Anfangs steckte der weiße Stoff noch im Bund meiner schwarzen Jeansshort, doch auf Dauer wurde es mir damit zu heiß, weswegen ich das Top nach außen verbannt hatte.
Im Laufen las ich eine ewig lange Nachricht von meiner besten Freundin durch, die zurzeit in China verweilte. Sie beschwerte sich, dass sie aufgrund ihrer gesunden Bräune angesehen wurde, als hätte sie die Pest. Zudem lästerte sie über das Essen (sie hatte aufgrund eines Tipps ihrer chinesischen Kollegin Entenzunge probiert und wäre beinahe gestorben) und versprach mir, mir eine gefälschte Rolex mitzubringen.
Während ich geschickt diversen Menschen auswich, die durch die drückende Hitze hasteten, um möglichst schnell in ein klimatisiertes Gebäude zu kommen, tippte ich eine Antwort, dann steckte ich mein Handy in meine Tasche. Bei der Gelegenheit kramte ich auch noch zwischen Deo und Kaugummi nach meiner Wasserflasche. Das Wasser war warm, die Kohlensäure schon fast weg, doch ich war dankbar für die Erfrischung.
Als ich endlich vor dem Polizeirevier stand war ich erneut völlig ausgelaugt. Mit meiner letzten Kraft (So fühlte es sich jedenfalls an) öffnete ich die Tür und stand endlich in der klimatisierten Lobby. Seufzend sah ich mich um, erblickte James' Partner Derek, der lässig am Tresen der Empfangsdame lehnte. Offensichtlich wartete er auf jemanden.
Gerade, als ich einen Schritt auf ihn zu machte, rempelte mich ein Mann an. Er sah mich mit braunen Augen wütend an, eilte schnell weiter. Verblüfft sah ich ihm hinterher. Er war doch in mich hineingelaufen, da brauchte er mich nicht so böse anzusehen!
Er guckte sich ein paar Mal um (wobei seine viel zu langen, blonden Haare lustig durch die Gegend flogen), bevor er die Tür zur Männertoilette öffnete. Vielleicht war er ja paranoid und wollte eine Anzeige gegen irgendjemanden aufgeben, den er für gefährlich hielt. Ich achtete nicht länger auf ihn, sondern ging endlich zu Derek.
„Oh, Hi Fay!", rief er mir zu, umarmte mich kurz. „Wie geht es dir?"
„Na ja, so gut, wie es bei dieser blöden Hitze eben geht. Ist Jimmy oben?"
„Ja, er arbeitet an unserem neuen Fall. Eine verzweifelte junge Frau soll ihren Ex - Freund umgebracht haben, du kennst das sicher." Er zwinkerte mir zu, was ihm ein Augenverdrehen meinerseits einbrachte. „Danke", murmelte ich, drehte mich um und ging zu den Fahrstühlen. James' Büro lag im sechsten Stock, da war es mir lieber, Aufzug zu fahren, obwohl ich diese Dinger wie die Pest hasste. Doch ich war zu erschöpft, um auch noch Treppen zu steigen.
Oben angekommen atmete ich erst einmal tief durch, dann ging ich mit halbwegs festen Schritten zu dem Büro meines besten Freundes. Er saß am Schreibtisch, die braunen Haare verwuschelt, das weiße Hemd offen. James hielt nicht viel von Unterhemden oder Tops, weswegen ich einen guten Blick auf seine muskulöse Brust hatte. Das Leben als Polizist hatte viele Vorteile, und die Muskeln ergänzten sein attraktives Gesicht perfekt. Ich hatte mit schon vor Ewigkeiten eingestehen müssen, wie gut er aussah. Und vor einer kleinen Weile hatte ich bemerkt, dass ich nicht abgeneigt wäre, mehr als nur mit ihm befreundet zu sein.
Müde ließ ich mich auf Dereks Bürostuhl sinken. James hatte mich noch nicht bemerkt, was das aggressive Klackern der Tastatur verriet. Also machte ich es mir so bequem wir möglich und sah ihm einfach nur zu. Er hatte die Angewohnheit, sich in Sachen zu vertiefen. Im Moment fuhr er sich mit den langen Fingern durch die Haare, bemerkte mich noch immer nicht. Amüsiert sah ich zu, wie er den Kopf hob und zusammenzuckte, als er mich bemerkte. „Heilige Scheiße, hast du mich erschreckt!", beschwerte er sich, fuhr aber brav seinen Laptop herunter. Während er aufstand, knöpfte er das Hemd zu und verwehrte mir somit weitere Blicke auf seinen durchtrainierten Körper. „Ach man", schmollte ich und funkelte ihn wütend an, was er nur mit einem Lächeln quittierte. „Liebes, du kannst es ruhig sagen, wenn du mich anziehend findest." Mit einem Zwinkern zog er mich auf die Beine. „Na komm, ich hab Hunger."
Gemeinsam gingen wir zurück zum Aufzug. Die Abteilung war beinahe vollkommen leer, die meisten waren entweder essen oder gingen einem Hinweis nach. Durch die verglasten Wände konnte ich erkennen, dass es angefangen hat, heftig zu stürmen. Und das in nur fünf Minuten.
„Müssen wir Aufzug fahren?", murrte ich, als wir warteten. Ich hatte eine scheiß Angst davor, bei Sturm in einen Aufzug zu steigen. „Jetzt stell dich nicht so an, der Strom geht doch noch", gab James zurück, legte mir aber dennoch eine Hand auf den Rücken, was mich zumindest ein bisschen beruhigte.
„Also, was hältst du davon, wenn wir am Wochenende ins Kino gehen?", fragte Jimmy, der sich lässig an die Metallwand gelehnt hatte. Als ich die Hand auf die Metallstange legte, durchzuckte mich ein leichter elektrischer Schlag, dem ich nicht weiter Beachtung schenkte. „Wenn du zahlst, komme ich mit."
James lächelte und wollte gerade etwas erwidern, als es plötzlich einen lauten Knall gab. Die Lichter erloschen, und ein Ruck erfasste den Aufzug.

36 HoursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt