P R O L O G U E

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Er beobachtete die nichtsahnende Phyllis seit geraumer Zeit.

Und war überhaupt nicht mit der Art einverstanden, wie sie diese Zeit verbrachte.

Zuerst hatte sie ihren Geldbeutel gezückt, den ihr Daddy monatlich füllte, ohne dass sie etwas dafür tun musste, und kaufte den teuren Schuhladen, gegenüber des neuen Starbucks, praktisch leer. Diverse Sandalen, High Heels und Sneakers waren in ihren und Lilys Besitz gewandert. Kein Wunder, dass diese so gerne mit Phyllis shoppen ging. Dabei sprang immer wieder etwas für sie heraus. Gierige Schlampe. 

Und dabei behauptete sie vor ihm stets, sie hätte finanzielle Probleme.

Wer's glaubt wird selig. 

Er wusste es schließlich besser.

Es hatte eine ganze Weile gedauert bis er all die Informationen über Phyllis Thatcher zusammenbekommen hatte und ohne Hilfe wäre ihm das wahrscheinlich gar nicht so gut gelungen. Aber nun hatte er alles, was er brauchte, um ihr das Leben zur Hölle zu machen und sich am König von England zu rächen. Ihm lag viel an ihr. Und dies würde er hinterhältig ausnutzen.

Vielleicht sogar in mehr als nur einer Hinsicht. 

Unauffällig bahnte er sich einen Weg durch zahllose tanzende Studenten, die gerade in ihrer Verbindung eine riesige Party veranstalteten, die auch als banale Diskothek hätte durchgehen können. Übertrieben laute Musik, wummernde Bässe, halbnackte Mädchen... Nichts, was er nicht schon tausend Mal gesehen hätte. Aber er war schließlich nicht hier, um zu feiern. Er war hier, um Phyllis im Auge zu behalten und jede ihrer Taten live verfolgen zu können.

Lily war nicht mit von der Partie. Hatte sie denn gar keine Angst um die kleine Phyllis? Wusste sie etwa nicht, dass sie auf einer ähnlichen Feier vor wenigen Monaten vergewaltigt wurde? Von einem Mann, den sie bis heute nicht gefunden hatte? Den sie offensichtlich gar nicht suchte?

Sehr unvorsichtig, Thatcher. Wirklich sehr unvorsichtig. Und leichtsinnig.

Das würde er sich zu Nutzen machen. Wenn die Zeit gekommen war.

Es würde noch ein bisschen dauern, bis er aufs Ganze gehen würde.

Schließlich war es ein Naturgesetz, mit der Beute zu spielen, bevor man ihr das Herz herausriss und es genüsslich verspeiste. Und es machte bei Weitem mehr Spaß. Angst war ein sehr interessanter Zustand, den zu beobachten es sich immer wieder lohnte. Wenn der Mensch paranoid wurde, sich immer wieder umblickte, aber einfach nichts sehen konnte. Das war ein Erfolgserlebnis der Extraklasse. 

Du wirst mich nicht entdecken, bevor ich entdeckt werden möchte, meine Süße. Und dann wird es für dich bereits zu spät sein. Eigentlich schade, du bist doch noch so jung und hast dein ganzes Leben vor dir. 

Er schüttelte die freudigen Gedanken ab, um sich wieder auf sein Zielobjekt zu konzentrieren, das direkt vor seiner Nase stand: Phyllis Thatcher.

Sie tanzte nicht, trank dafür einen Wodka nach dem anderen.

Das Mädchen war tatsächlich schrecklich unvorsichtig.

Und ihr enges Kleid überließ wenig der Fantasie.

Wir werden viel Spaß miteinander haben, meine Schöne.

Ihm fiel auf, wie sie einen dunkelhaarigen, ziemlich durchtrainierten Kerl musterte, der ein paar Meter weiter lässig an der Wand lehnte. Die Gier in ihren Augen erregte ihn sehr. Auch wenn sie sich nicht an ihn richtete, sondern an einen Möchtegern-Casanova, der schon zu alt für einen Studenten zu sein schien. War sie etwa auf einen One-Night-Stand aus? Oder war der Alkohol schuld?

Sollte ihm egal sein.

Heute würde er sowieso noch nicht zuschlagen. Er würde sich noch ein bisschen Zeit lassen, um die Kleine in Angst und Schrecken zu versetzen. Sollte sie sich doch heute noch mit einem Kerl amüsieren; bald würde sie ohnehin ihm gehören.

Er lehnte sich an eine marmorne Säule, die den großen Raum aufrecht hielt, und unaussprechlich nach Rauch und Wodka stank. Er mochte keine Rauschmittel. Sie waren nur gut genug, um einen Menschen gefügig zu machen, doch für ihn selbst würden sie niemals an Bedeutung zunehmen. Da bevorzugte er die moderne Technik, die es ihm ermöglichte, die kleine Phyllis auf Schritt und Tritt zu verfolgen, auch dann, wenn er nicht körperlich in ihrer Nähe war. Sie wusste nicht, dass er einen Peilsender in ihrer Handtasche deponiert hatte. Und sie wusste ebenso nicht, dass er nicht der war, für den er sich ausgab.

Naive, süße Königstochter, die unehelich mit einer Bediensteten gezeugt wurde. Eine Bedienstete, um die er sich später ebenfalls kümmern würde. Seine Rache würde eiskalt werden. Und spektakulär. Ganz England würde über ihn und seinen mysteriösen Rachefeldzug reden - und er würde endlich das bekommen, was ihm seit dreiundzwanzig Jahren zustand: Aufmerksamkeit und Anerkennung. 

Als sein Blick wieder zu Phyllis wanderte, lag diese bereits in den Armen des Casanovas und knutschte heftig mit ihm herum. Ihr war gar nicht bewusst, wie nah sie dem Tode stand. Wie groß die Gefahr war.

Aber das würde er bald ändern.

Das Mädchen musste sterben. So einfach war das.













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