Kapitel 03 - Aus Glas gebaut

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Kapitel 03 | Aus Glas gebaut

„Er redet von diesen hier, sie riechen sogar nach seinem Parfum. Ich kann nicht glauben, dass du mir das angetan hast. Du bist das Allerletzte, Shayne. Das aller Allerletzte."
Die Welt stand Kopf, alles brach auseinander und Shayne wusste nicht, wie er das Universum vom Kollabieren abhalten sollte. Das war doch alles nicht möglich, das war ein schlechter Scherz, ein dummer Albtraum, eine wahnwitzige Phantasie, aber niemals das was gerade tatsächlich passierte.
Quickie war Liam und Liam war der mysteriöse Typ, den Ivo schon seit Monaten datete, fast genauso lange, wie Shayne mit ihm ins Bett ging. Es konnte gar keine andere Erklärung für das geben, was sich hier gerade abspielte. Woher sonst sollte Ivo wissen, wie Liams Unterhose aussah, wenn nicht aus eigener Erfahrung? Der laute Zusammenprall von Wohnungstür und Wand riss Shayne aus seinem schockähnlichen Zustand.
„Scheiße", war alles, was Liam dazu einfiel, „hättest du mir nicht sagen können, dass Ivo bei dir ist?"
„Hättest du mir nicht sagen können, dass du wen datest?! Wer datet denn Leute und vögelt nebenbei rum? Oder hab ich den Sinn vom Daten nich verstanden? Geht's noch?"
„Das muss ich mir von jemandem wie dir nicht anhören", blaffte Liam zurück und schnappte sich seine Versacehose aus Shaynes Arm. Wut kochte in Shayne hoch. Er war nicht allein für diese beschissene Situation verantwortlich und verglichen mit Liam hielt sich sein Anteil an diesem Dilemma stark in Grenzen.
„Jemandem wie mir, hm? Ich mach wenigstens niemandem falsche Hoffnungen! Mit jemandem auszugehen, nur weil man ihm anders nich an die Wäsche darf is eine ganz ekelhafte Tour. Verpiss dich mit deinem Designerbullshit und fang mal an, auf dein Leben klar zu kommen."
Ein Fausthieb landete in Shaynes Gesicht, der ihn rückwärts in sein Zimmer stolpern ließ. Diese Situation war so absurd, so surreal, so bescheuert, dass es schon wieder komisch war.
Liams Mund bewegte sich, aber falls er etwas sagte ging es in Shaynes Lachen unter. Was konnte er schon von sich geben, das von Bedeutung war? Die Bombe war geplatzt und nun blieb ihnen nichts weiter, als die Scherben aufzusammeln. Liam wirbelte seine Unterhose durch die Luft wie ein Cheerleader seinen Pompom und ließ Shayne dann mit diesem Chaos allein, obwohl er einen verdammt großen Teil dazu beigetragen hatte. Warum zur Hölle war er der Sündenbock? Klar, er hatte Mist gebaut: Ihm war bewusst gewesen, dass Ivo von jemandem schwärmte und trotzdem hatte er ihm den Hof gemacht - während er parallel mit Liam schlief. Allerdings war ihm zu keiner Sekunde klar gewesen, wie sie zusammenpassten. Liam hingegen wusste genau, was er tat und vor allem, mit wem er es tat. Karma musste Shayne wirklich hassen. Sehr. Und das hier war die Abrechnung.

Die Fliesen fühlten sich noch warm unter Shaynes sockenlosen Fuß an. Er konnte genau sehen, wo Ivo und er noch vor wenigen Momenten gelegen hatten, denn der Kakao hatte ihre Silhouetten auf den Boden gezeichnet. Einige Fußspuren verschmierten den puderigen Rand und die Milch fraß sich allmählich in Richtung Tür. Sie ließ sich mehr Zeit damit, als Ivo es getan hatte.
Mit einem Aufschrei schnappte sich Shayne seinen Basketball und flüchtete aus seinem Zimmer. Er konnte es nicht ertragen, sich selbst Vorwürfe zu machen, den Nachhall von Ivos Wärme zu spüren, über die Ungerechtigkeit der Anschuldigungen zu brüten. Er dribbelte den Ball durch den Flur und überwand die Treppenstufen mit großen Sprüngen, die in seinen Knien schmerzten. Es war gut seinen Körper zum Brennen zu bringen, um seinen Kopf zu betäuben. Auf dem Rasen verweigerte der Basketball seine Dienste, weshalb Shayne ihn unter seinen Arm klemmte und den restlichen Weg sprintete.

In den letzten Monaten war er häufig des nachts auf den Sportplatz gegangen und hatte den Korb für sich beansprucht. Problematisch war das selten gewesen, außer wenn sich irgendwelche betrunkenen Studenten direkt darunter verirrt hatten, um sich ihrem Rausch zu überlassen. Als er diesmal auf den Platz trat, waren die anwesenden Studenten hellwach und genug in ihrer Anzahl, um niemanden zu dulden, der nicht in ihr Team gehörte. Das war doch nicht zu glauben! Warum war eigentlich immer das, was er wollte, außerhalb seiner Reichweite? Shayne warf den Ball gegen das Gitter, welches den Sportplatz flankierte. Mit einem lauten Scheppern prallte er von den dünnen Metallstäben ab und schoss gegen Shaynes Oberschenkel. Es wäre passender gewesen, wenn er seinen Schritt getroffen hätte.
Stöhnend bückte sich Shayne, um den runden Verräter unter seinen Arm zu klemmen. Der einzige Ort, welcher ihm jetzt noch einfiel war der fensterlose Durchgang zwischen zwei Campuswohnhäusern, den eigentlich niemand nutzte. Außer Shayne, wenn er sich mal wieder verlaufen hatte.

Aus Glas gebaut (Boy/Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt