Beside You

F O U R

Er hielt vor dem Internat und lies den Motor sterben. Manuel wendete mir seinen Kopf zu und meinte: "Ich hoffe das war weit genug. Meine wunderbare Karre schafft es leider nicht weiter." Gespielt verletzt hielt ich mir an mein Herz und wischte mir eine imaginäre Träne von der Wange. "Das ist leider genau der Ort vor dem ich flüchten will." Sein Gesicht wurde ernst.

"Es ist nicht die Schule, sondern deine Gefühle. Ist es wegen Miko?" Das klingt als würde ich in Miko unsterblich verliebt sein, aber durch irgendein Drama hätten wir jetzt Streit. Was mir, nebenbei bemerkt, in den ersten 24 Stunden aufgefallen war, ist dass es hier anscheinend unglaublich viel Drama gibt. Und niemand schafft es, sich davor zu schützen. "Nein, ich bin nicht gewöhnt so weit von zuhause entfernt zu sein", antwortete ich und öffnete die Türe. Er kam flink hinterher und holte sich die Gitarre aus dem Kofferraum.

Seine Haare waren durch den Fahrtwind zerzaust und dies sah unglaublich süß aus. "Du musst ihn besser kennenlernen. Er kann ganz korrekt sein", sagte Manuel und begann Richtung Gebäude zu schlendern. Das klang unglaublich motivierend. In Zukunft wird er mir einfach die Kleidung klauen und damit wegrennen?

"Mal schauen, aber derzeit möchte ich mich nur von der Welt verstecken", gab ich zu und hielt mir meine Hände vor Augen. Noch nie hatte mich jemand so nackt gesehen und das sollte eigentlich auch so bleiben.

Es fiel mir leicht mich Manuel anzuvertrauen. Er hatte irgendwas freundliches und offenes in sich, was mir gefiel. Prinzipiell war er der perfekte Freund für jedes Mädchen. Ich stellte mir gerade vor, wie es wäre, wenn er meiner wäre. Unmöglich, daher ich ihn nicht gut kannte, aber es war nur in meinem Kopf. Mein Vater würde ihn mögen, meine Mum wahrscheinlich auch. Sie wäre unglaublich stolz auf mich.

Ich raffte mich auf und grinste Manu von der Seite an: "Hast du Lust mit mir in die Bibliothek zu gehen? Ich würde mir gerne ein Buch in unser Zimmer nehmen." Kritisch sah er nun auch mich an und schob die Gitarre auf seinem Rücken zurecht. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und antwortete: "Es ist schon spät. Wenn uns jemand erwischt sind wir am Ende."

Dies war mir bewusst, aber es floss gerade Adrenalin durch meine Adern. Und Adrenalin bedeutet vergessen.

"Ach, komm! So viel kann uns nicht passieren." Ich nahm ihn am Handgelenk und zog ihn schneller zum Eingang des Hauses. Überrumpelt rannte er mit und holte mich langen Schritten auf. Schnell waren wir bei der Bibliothek angekommen

Die Türe war verschlossen. "Tja, dann müssen wir jetzt wohl gehen." Er setzte schon den ersten Fuß auf die Treppe, aber ich packte ihn am Arm und zog ihn wieder zurück. Er begann zu schmollen und oh Hilfe, er war zum auffressen. Bevor ich mich irgendwie stoppen konnte knuffte ich ihm einmal in die Wange. Manuel begann zu grinsen und fragte: "Wofür war das denn?" Ich zuckte mit den Schultern, schirmte meine Augen ab und sah in den Raum hinein.

"Komm, morgen kannst du immer noch her", meinte der Junge und legte mir seine große Hand auf die Schulter. In meinem Hirn ratterte es. Plötzlich kreischte ich auf: "Ich weiß wie!" In Filmen funktionierte es auch immer, also warum jetzt auch nicht bei mir? Ich fummelte in mein Haar und holte eine Haarklammer heraus. Ich verbog sie und steckte sie in das Schloss. Das Gebäude war alt, die Schlösser auch.

Die Türe sprang auf. Ich lies Manuel den Vortritt und folgte ihm dann hinein. "Wir müssen das Licht auslassen." Ich stimmte ihm zu und ging zu dem ersten Regal in meinem Blickwinkel. Es nervte mich, dass die Bücher nicht alphabetisch geordnet waren. Solche alten Wunderwerke haben was viel besseres verdient.

"Kennst du am Tisch des Lebens? Das war mein erstes Buch was ich gelesen habe." Manuel erschien neben mir, zog ein Buch aus dem Regal und legte es mir in die Hände. Ich drehte es mehrmals und öffnete es dann. Es sah ziemlich abgenutzt aus. Ich klemmte es mir zwischen Arm und Körper und meinte: "Nein, aber ich kann ja mal hineinschauen." Er grinste und führte mich in eine kleine Ecke mit einem Sofa.