Kapitel 3.

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And if somebody hurts you I wanna fight, But my hands been broken, one too many times. Die Stimme von Tom Odell, gepaart mit den inzwischern nicht mehr ganz so zarten Klavierklängen, kriechen ich mein Ohr. Durch meine geschlossenen Augen blendet mich die Sonne. Ich drehe michum, vergrabe mein Gesicht in dem zerqnautschen Kissen, bete die Macht der Hypnose zu beherrschen. LIEBESTER TOM BITTE. NICHT. SINGEN. Tom ist von diesem kläglichen Versuch nur wenig beeindruckt. And I'll sing a song, that'd be just ours, But I sang 'em all to another heart And I wanna cry I wanna fall in love, But all my tears have been used up. Tom hat Liebeskummer, und ich kann mich nur allzu gut mit ihm identifizieren. Aber nicht morgens, und erstrecht nicht wenn Tom mir seinen Kummer ins Ohr zu brüllen scheint. Langsam realisiere ich, dass es doch vielleicht nicht nur Toms Schuld ist sondern vielmehr an mir liegt. An meinem optimistischem Ich, dass gestern beschlossen hat, dass es kein gesteigertes Interesse daran hat, in Menschenmassen einkaufen zu gehen und stattdessen schon um 10 Uhr in den Geschäften sein wollte. Alleinanschein nach habe ich mir gestern einen Wecker für Zufrüh gestellt, der mir gerade enthusiastisch sein Leid klagt. Mir kommt der Gedanke, dass ich eventuell eine multiple Persönlichkeitsstörung entwickelt habe und das Gestern-Ich das Heute-Ich nicht leiden kann. Um die Streitigkeiten zwischen den Beiden zu beenden, öffne ich meine Augen, taste nach meinem Handy und erlöse Tom von seinem Leid.

Ruhe.

Ich drehe mich noch einmal um, verstecke mich vor dem Tag und der Sonne unterm Kissen und sinke erneut in einen traumlosen Schlaf.

Bis ich erneut gestört werde.

„Marie, Schatz, du wolltest doch heute früher aufstehen. Ich habe uns schon Frühstück gemacht."

Die Stimme, ebenso die rüttelnde Hand auf meiner Schulter sind penetrant.

„M-a-r-i-e,  a-u-f-s-t-e-h-e-n."

„Das war mein Gestern-Ich" murmle ich unter meinem Kissen. Diese Antwort scheint weder die Stimme noch die Rüttelhand zu befriedigen. Es wird hell. „Oh, fuck" ich ziehe mir meine Decke über den Kopf.

„Komm Marie, dein Chai-Latte wird kalt."

Hat da jemand Chai-Latte gesagt? Ich wage mich vorsichtig unter der Decke hervor und identifiziere die Rüttelhand als zu meiner Tante gehörend.

„Morgen" grummle ich.

„Guten Morgen" antwortet mir meine deutlich wachere Tante. „Kann ich dich dir selbst überlassen oder sind ist die Gefahr eines Rückfalles zu hoch?"

Sie grinst, ich nicht.

„Wird schon, oder so" Ich setze mich auf. Damit ist Ingrid zufrieden und lässt mich allein.

„In fünf Minuten komm ich mit nem Eimer Wasser wieder." tönt es von unten.

Duschen ist gar keine so schlechte Idee, denke ich und trotte ins Bad.

Fünf Minuten später, sitze ich mit Ingrid, frisch geduscht, auf der Terrasse und klammere mich an meinen Vanille-Chai-Latte. Das scheint fast eine Tradition zu werden. Während ich an meinem Johannisbeermarmeladenbrot nage besprechen wir den Tag. Es ist inzwischen 8 Uhr. Somit habe ich noch genügend Zeit, entspannt um 10 Uhr bei den Geschäften anzukommen. Ingrid leiht mir ihre Klapperkiste, einen Ford, der inzwischen mindestens genauso alt zu sein schient wie ich.

Aufgrund meiner gestrigen Recherche über Berlin, habe ich beschlossen den Kudamm für meine Besorgungen in Angriff zu nehmen. Der scheint zwar, in der Kategorie Menschenmassen eine Katastrophe zu sein, aber ein Ort, den man in Berlin gesehen haben muss. Zumindest laut des Internets. Ich habe schlicht die Hoffnung, mich nicht sofort zu verlaufen und früh genug dran zu sein, um nicht von Touristen überrannt zu werden.

This girl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt