Teil 1

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Nun saß ich da am Tisch und unterschrieb mein Todesurteil. Ich hieß ab jetzt also nicht mehr Öz, sondern Civan. Jeder war glücklich oder tat so, auch ich tat so. Was blieb mir anderes übrig?
Es tat mir nicht weh, dass ich jemanden heiraten musste, den ich nicht liebte. Es tat weh, dass ich ihn im Stich gelassen hatte. Meine große Liebe Ercan. Ich bemerkte, wie mein Herz erneut anfing zu bluten, es hätte nicht so kommen dürfen. Es hätte nicht so kommen sollen. Wir hätten glücklich werden sollen. Ich sah in die Augen meines jüngeren Bruders, Tränen stiegen mir hoch. Unser Schmerz war viel zu frisch und tief. Er kam zu mir und umarmte mich. Von außen sah es so aus, als ob er mir gratulieren würde, doch eigentlich spendete er mir Trost. "Es tut mir leid Abla." "Es braucht dir nicht leid zu tun Canım." "Ich hätte es verhindern müssen, ich hätte dafür sorgen müssen, dass du glücklich wirst... So wie es Abi getan hätte..." Ich hielt mich schwer zurück um nicht zu weinen. Mein Bruder. Er war gestorben und ich heiratete seinen Mörder.
"Er hat es nicht verhindern können und du wirst es auch nicht tun. Ich kann es nicht riskieren dich auch noch zu verlieren Rüzgar." "Und was ist mit Ercan Abi? Verkraftest du es ihn zu verlieren?" Ich trennte mich von meinem Bruder, wir konnten dieses Gespräch jetzt nicht führen. Ich durfte jetzt nicht weinen. "Wir reden später", flüsterte ich ihm zu. Als wir rausgingen, stand Ercan mit seinem jüngeren Bruder da, ich konnte ihm nicht in die Augen schauen. Traute mich nicht. Sein Schmerz würde mich umbringen. Rüzgar stand mir bei, ich war ihm dankbar dafür. Seine Nähe schenkte mir Kraft, zumindest so viel, dass ich noch auf den Beinen stehen konnte.

Unsere Familien gingen gemeinsam essen zur Feier des Tages, wirklich Hunger hatte ich nicht. "Darf ich ihre Tochter entführen? Ich werde sie auch pünktlich nach Hause bringen", bat Tunç. "Tabi ki oğlum (Natürlich mein Soh)" , willigte mein Vater gleich ein.
Wir stiegen ins Auto und er fuhr los, gesprochen wurde zum Glück nicht. Wir kamen an einer Neubausiedlung an. "Das ist unser Haus. Gefällt's dir?" Das Haus war atemberaubend. Ercan und ich hatten uns immer vorgestellt in so einem Haus zu leben. Jetzt lebte ich unsere Träume mit einem anderen, es war ekelerregend. Ich ekelte mich vor mir selber.
"Es ist schön hier", dachte ich laut. Er hielt mich an der Hand, ich wollte sie ihm entziehen, doch er war zu stark. Er führte mich nach Oben. "Das ist unser Schlafzimmer." Es hatte ein Bad und ein Ankleidezimmer. Ich sah raus aus dem Fenster, die Sonne ging unter. Ich liebte Sonnenuntergänge. Erneut dachte ich an Ercan. Wann tat ich das denn nicht? Er hatte mir öfters Überraschungen gemacht. Mal war es ein Abendessen unter freiem Himmel oder lange ausgiebige Spaziergänge, natürlich alles bei Sonnenuntergang.
"Endlich gehörst du mir." Tunç stand dicht hinter mir, sehr dicht, zu dicht. Er gab mir einen Kuss auf den Nacken. Ich drehte mich um. "Halt dich fern von mir!" "Du bist meine Frau, ich kann das machen, was ich will!" "Nur weil wir jetzt offiziell verheiratet sind, heißt es nicht, dass sich meine Gefühle zu dir ändern werden! Ich hasse dich immer noch, Tunç!" Er spannte sein Kiefer an und ich wünschte mir in dem Moment, dass er mich einfach umbrachte und dieser Albtraum endlich sein Ende fand.
"In zwei Wochen wirst du mir nicht entkommen! Da bist du Schlampe dran." "Ich hoffe, ich sterbe bis dahin!" Ich verließ flüchtend das Haus. In zwei Wochen sollte unsere offizielle Hochzeitsfeier stattfinden. Eine große Feier, so wie es bei uns Türken üblich war. Dabei war der Tod meines Bruders erst einige wenige Wochen her. Wie sollte ich das nur aushalten? All das hatte ich mir mit Ercan ausgeträumt. Es waren seine Träume, unsere Träume. Und ich würde sie mit einem anderen ausleben, auch wenn ich dabei nicht glücklich war. Ich war ein widerlicher Mensch. Ich widerte mich selber an. Meine Beine zitterten, ich schluchzte. Ich hielt mich schwer zurück um nicht auf den Boden niederzufallen. Ein Auto blieb mit quietschenden Reifen vor mir stehen. "Steig ein", forderte mich die Person auf, ich folgte seinem Befehl, doch traute ich mich nicht ihn anzuschauen.
Er fuhr an unseren See. Er lag in einem Wald und war deswegen ziemlich abgelegen. Ercan stieg aus und lehnte sich an die Motorhaube. Ich konnte nicht in sein Gesicht schauen, doch allein seine Statur von hinten zu sehen, reichte aus um mein Inneres mit Frieden zu erfüllen. Ich stieg aus dem Auto und lehnte mich ebenfalls an die Motorhaube. "Hat er dich angefasst?" Er war wütend, zornig. Ich hatte Ansgt, dass er etwas falsches tun würde. Also schüttelte ich nur meinen Kopf. "Wieso Hayal, wieso?" Ich schwieg. "Hayal, sen benim hayalimdin, benim anlıyor musun?! (Hayal, du warst mein Traum, meiner, verstehst du?!)" "Ercan, yapma nolur... (Ercan hör auf, bitte...)" "Nein, ich werde nicht aufhören im Gegensatz zu dir! Du hast einfach aufgehört zu kämpfen. Scheiße man, du bist die Frau eines anderen! Du trägst den Nachnamen eines anderen!" "Hör auf! Ich habe das mir nicht ausgesucht, okay? Mete ist schon gestorben, ich kann Rüzgars Leben nicht für mein eigenes Glück aufs Spiel setzen!" Ich schrie, doch ich schrie nicht ihn an, sondern viel eher mich. Er hatte doch Recht, ich hatte aufgegeben. Er schüttelte nur seinen Kopf, stieg in den Wagen und wartete bis ich dazu kam.
Eine Straß weiter von meinem Haus hielt er an. "Seni seviyorum, bunu unutma. Bu kalp sen varsın diye atıyor. Mutlu olmaya bak tamam mı? (Ich liebe dich, vergiss das nicht. Dieses Herz schlägt nur, weil es dich gibt. Schau, dass du glücklich wirst, okay?)", hauchte ich und verschwand. Zuhause angekommen, kam mir Rüzgar entgegen. "Geht's dir gut?" Ich wollte nicken, doch schaffte es nicht. Mittlerweile war ich einfach zu schwach, die Tränen stauten sich in meinen Augen. Wut überkam mich, ich löste mich von meinem Bruder und ging ins Wohnzimmer. "Ich hasse euch! Wieso habt ihr uns auf die Welt gesetzt, wenn wir euch nichts wert sind? Der Tod von Mete Abi hat euch nicht interessiert, anstelle, dass ihr etwas dagegen tut, gibt ihr eure Tochter an die Familie seines Mörders her! Er kam mir heute viel näher, als er sollte, ist euch das bewusst?" "Er ist dein Mann, du hast ihm zu gehorchen! Und jetzt verschwinde! War das, das Einzige, was meinem Vater dazu einfiel? "Ich hasse euch! Ich wünschte, ihr wärt an Metes Stelle gestorben!" Nach diesen Worten klatschte mir mein Vater eine, es war nicht das erste Mal, doch würde das letzte Mal werden. Rüzgar ging dazwischen und brachte mich ins Bad, damit ich mein Nasenbluten unter Kontrolle bekam, danach brachte er mir meinen Bademantel.
"Hat er dich angefasst?" Ich schüttelte meinen Kopf. Unter der Dusche rubbelte ich meinen Nacken, so dass er wund wurde. Meine Tränen verwischten sich mit dem Duschwasser.

"Wie geht's dir?", fragte mich mein kleiner Bruder, als ich das Zimmer betrat. "Besser." Nachdem ich mich umgezogen hatte, ging ich auf Metes Zimmer, wo Rüzgar auch schon war. "Ich vermisse ihn..." "Ich auch Rüzgar, ich auch." Seit seinem Tod schliefen wir in seinem Zimmer, mit seinem Geruch und seiner Nähe. Unsere Eltern wollten das Zimmer entleeren, doch wir hatten sie mit aller Kraft davon abgehalten. "Ercan Abi hat dich hergefahren, stimmt's?" "Woher weißt du das?" "Du bist direkt auf Mama und Papa losgelaufen. Und du sahst so aufgelöst aus, doch trotzdem haben deine Augen geglänzt." Ich lächelte traurig. "Erzähl mir von euch." Ich deutete auf meinen Oberschenkel, wo er seinen Kopf drauftat und ich somit mit seinen Haaren spielen konnte, so wie ich es bei Ercan immer getan hatte. Rüzgar kannte unsere Geschichte schon in- und auswendig, doch kriegte nicht genug von ihr. Vielleicht versuchte er mir auch nur einen Gefallen damit zu tun, falls es so war, dann gelang es ihm. Mete, ich und Rüzgar waren eine Familie gewesen, unsere Eltern hatte nie dazugezählt.

"Erzähl weiter", forderte er mich auf. Wir hatten uns dem Ende geneigt, all das, was geschehen war, war erst vor zwei Monaten passiert, auch wenn es mir wie Jahre vorkam. "Sicher, dass du es hören willst?" Nicken, also fuhr ich fort und versank in meiner Vergangenheit....

Da bin ich wieder, diesmal mit einem anderen Werk. Hoffentlich hattet ihr viel Spaß beim Lesen meine lieben Zuckermenschen! ❤
An alle Muslime unter uns; Eid mubarak mögen all unsere Gebete erhört werden! Verbringt schöne Tage mit euren Liebsten 🌹

Und ein riesen Dank an  @islim6327 für das Cover nochmals vielen lieben Dank Dilêmin 😘

Eure Verâ ♡

Hayalimdin. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt