Eine Woche später fand die Hochzeit statt. Während wir den Eröffnungstanz machten, erblickte ich Ercan. Alles in mir schmerzte. Ich verspannte mich. "Woher wusstest du eigentlich, mit wem ich ein Paar war?", fragte ich Tunç. "Wusste ich nicht, doch es herauszufinden, wäre das Leichteste überhaupt." Ich spannte mein Kiefer an. Wut machte sich breit in mir. Tunç hatte mich verarscht. Nein, hat er nicht, denn für ihn wäre es echt ein Kinderspiel gewesen es herauszufinden. Ich war verzweifelt, es gab einfach keinen Ausweg, die Sache war aussichtslos. Als die Zeremonie für die Geschenkübergabe dran kam, stand Ercan vor mir, er gab mir ein Päckchen und als er mich zur Gratulation umarmte, flüsterte er mir mit, der schönsten Stimme; 'Meine Mutter wollte, dass ihre Schwiegertochter das kriegt.' Nach diesen Worten hätte ich mich am Liebsten an ihn geklammert, angefangen zu weinen und ihn nie wieder losgelassen. Doch ich tat nichts, nichts außer seine Umarmung zu erwidern. Als er sich von der Umarmung löste, löste er sich von mir und meinem Leben. Er entglitt mir einfach. Und ich konnte nichts tun. Lediglich dabei zusehen, wie er mir entglitt. Er drückte kurz Tunçs Hand und gratulierte ihm. Dabei merkte ich, wie schwer es ihm fiel, er rang mit sich, um ihm nicht an die Gurgel zu gehen. Sollte ich heulen, weil alles in mir schmerzte oder weil alles in ihm schmerzte und ich die Schuldige war?
Zum Glück verschwand Ercan auch schon gleich, so war es besser für ihn.
Gegen Ende fingen Tunç und sein enger Freundeskreis an zu trinken, auch deren Väter gesellten sich dazu. Es war einfach nur widerlich. Das Niveau sank, als ob ihr kaum vorhandenes Niveau nicht reichte, konnte mittlerweile nicht mehr die Rede von Niveau sein.Nachdem ich Tunç, der stark nach Alkohol stank mit Mühe in sein Bett gehievt hatte, nahm ich mir eine Decke und machte es mir im Wohnzimmer bequem. Nach wenigen Stunden Schlaf stand ich auf und bereitete Frühstück vor, als ich meinen Teller in die Spülmaschine einräumte, torkelte Tunç in die Küche. "Wo warst du heute Nacht?" "Wo soll ich gewesen sein?", fragte ich ihn verwirrt. "Du lagst nicht im Bett." "War im Wohnzimmer." Ich reichte ihm eine Tasse Kaffee und befahl: "Hier trink das. Sorgt dafür, dass du zu dir kommst." Er zeigte auf einen Stuhl und befahl mir, dass ich mich setzen soll. Als ich mich auf den Stuhl neben ihm setzen wollte, zog er mich auf seinen Schoß. Ehe ich verstand, was geschah, fing er an meinen Hals zu küssen. Ich entzog mich ihm schleunigst. "Wag es ja nicht dich mir nochmal zu nähern!", drohte ich Tunç. "Du bist meine Frau, ich darf das! Du wirst die Nacht mit mir schlafen und wenn du dich weigern solltest, dann zwing ich dich eben dazu." "Du bist ein Dreckskerl! Du bist der größte Bastard, den ich kenne! Du bist der Mörder meines Bruders und seiner Freundin, die deine eigene leibliche Schwester ist! Ich hasse dich Tunç, ich hasse und verabscheue dich!" Er klatschte mir eine und verließ das Haus.
Ich wusste einfach nicht, was zu tun war, zum Glück rief im nächsten Moment Rüzgar an. "Abla, kann ich dich besuchen kommen?" "Klar Canım."
Nach einer halben Stunde stand mein Bruder vor der Tür. "Ist er da?" "Nein, komm rein." Wir saßen in der Küche und ich machte Çay.
"Wie geht's dir?", fragte mich mein kleiner Bruder besorgt. "Gut, dir?" "Auch." Irgendetwas stimnte mit ihm nicht. "Rüzgar, was ist los mit dir? Du bist so unruhig." "Nichts." "Rüzgar!", ermahnte ich ihn. "Abla... Hat er dir etwas angetan?" Da ich nicht ganz verstand, was er meinte, blickte ich zu ihm. Sein Kopf war gesenkt und er war leicht rot angelaufen. "Nein, hat er nicht." Er stellte sich vor mich, weshalb ich aufschauen musste, da er größer war. "Sicher?" "Evet Ablacım. Sen beni merak etme. Ben izin vermedikçe o bana dokunamaz. (Ja Bruderherz. Mach dir keine Sorgen um mich. Solange ich es ihm nicht erlaube, kann er mich nicht anfassen.)" Dank Rüzgar fühlte ich mich geborgen und musste lächeln. Nach zwei weiteren Stunden verabschiedete sich mein Bruder von mir, ich öffnete die Geschenke, um sie einzuräumen. Als ich das Kästchen von Ercan in der Hand hielt, musste ich stocken. Ich öffnete es. Ganz oben war eine Notiz, welche ich öffnete.
'Wir konnten nicht glücklich werden, ich hoffe, du wirst es. Denn ich kann es auch nicht mehr, da man mir meinen Traum und mein Glück genommen hat. Ich liebe dich.' Meine Tränen flossen, der Schmerz war einfach zu groß. Als nächstes lag eine Kette drin, sie war aus Gold und hatte einen rechteckigen Anhänger, der ebenfalls aus Gold war, in der Mitte war ein hell leuchtender herzförmiger Smaragd. Ich drehte die Kette um und sah drei verschiedene Daten, die ersten zwei sagten mir nichts, das letzte jedoch kannte ich umso besser. '23.3.2009' es war unser Datum. Ich überlegte, was die anderen zwei bedeuten konnten, beide lagen ziemlich weit in der Vergangenheit, doch das zweite Datum sagte mir etwas. Mit Mühe versuchte ich mich daran zu erinnern. 09.07.1984 es war der Hochzeitstag seiner Eltern. Ercan hatte mir von dieser Kette erzählt, es war ein Familienerbstück. Und das erste Datum stand für den Hochzeitstag seiner Großeltern. Ich verdiente diese Kette nicht, sie war so wertvoll. Ich war ihr nicht würdig, trotzdem legte ich sie mir um.
Nachdem ich das ganze Zeug weggeräumt und den Brief gut versteckt hatte, machte ich mich ans Kochen ran. Tunç sollte gegen 20 Uhr eigentlich Zuhause sein, doch er kam nicht, also fing ich an zu essen. Im Wohnzimmer sitzend sah fern, als ich Türgeräusche hörte, ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir schon nach 23 Uhr hatten. Er torkelte ins Wohnzimmer, da er angetrunken war, packte mich am Arm und zerrte mich ins Schlafzimmer.
"Du wirst jetzt mit mir schlafen, du Schlampe", lallte er. Ich wollte wieder zurück ins Wohnzimmer, doch er hielt mich zurück. "Tunç bırak! (Tunç lass es!)" Anstelle, dass er auf mich hörte, versuchte er mir mein Oberteil auszuziehen. Ich schubste ihn weg, da er angetrunken war, fiel er zu Boden, die Zeit nutzte ich, um abzuhauen.

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Hayalimdin.
Short StoryManchmal muss man aus seinen Träumen aufstehen, um diese Realität werden zu lassen. Träumen ist einfach, diese zu verwirklichen eine Kunst. Eine Kunst die viel Glauben und ein kleines bisschen Mut erfordert. Hayal nannte ich sie. Hayal. Der Traum...