Lois

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Auf einer menschenleeren Straße kamen mir plötzlich zwei weitere in Schwarz gekleidete Männer entgegen, die mir den Weg abzuschneiden versuchten. Ich wollte nach links abbiegen, doch dort kamen weitere zwei. Schnell bog ich nach Rechts, doch es kamen erneut zwei Männer auf mich zu. Verzweifelt blieb ich stehen. Ich suchte nach einer Fluchtmöglichkeit, doch es war einfach umsonst.
Ich sah der nackten Wahrheit ins Gesicht: Es war vorbei! Ich war ausweglos umzingelt.

Die Männer bildeten einen Kreis um mich. Dann sah ich ihre Elektroschocker und 'Rockets'. Innerlich musste ich fluchen, denn eine Rocket war klein aber Oho. Von ihrer Größe her konnte sie niemanden beeindrucken. Sie war höchstens fünfzehn Zentimeter lang, dafür waren ihre Schüsse extrem schmerzhaft bis unerträglich. Die Patronen durchbohrten einen langsam und durchlöcherten den Körper wie schweizer Käse.

Die schwarzen Männer holten die Rockets heraus und zielten auf mich, doch die Waffen waren noch gesichert.

Ich kniete mich vor Erschöpfung auf den Boden. Zwar hatte ich immer gewusst, dass dieser Tag, ja dieser Moment, kommen würde, doch dieser Tag, und dieser Moment waren falsch. Ich durfte nicht sterben!
Nicht jetzt und nicht Heute.
Mein Dasein könnte die ganze Welt verändern, ich brauchte nur noch etwas mehr Zeit.
Ich wusste das ich vieles konnte was andere Menschen nicht konnten. Na gut, ich war besonders, was Gordon mir immer wieder predigte, aber angeben tat ich damit nicht.
Gordon war so etwas wie mein Lehrer, aber auch ein Freund. Damals, zwei Jahre nach dem Krieg, hatte mich Gordon gefunden und bei sich aufgenommen. Da war ich zehn. Jetzt war ich siebzehn, Gordon dreiundvierzig und ich wurde in Kampftraining, Naturkunde, Überlebenstraining, Spionage und einigen weiteren Fächern unterrichtet.
Gordon dachte ich wäre die Begabteste, doch ich war mir nie so sicher. Deshalb riet er mir, immer positiv zu denken. Er glaube an mich, sagte er mir immer wieder.

Ich schaute mich um und sah, dass in der Ferne ein Hubschrauber in meine Richtung flog.
Ich befürchtete das Schlimmste.
Die acht in Schwarz gekleideten Männer schauten zum Hubschrauber und ich spürte Erleichterung in ihnen. Es nervte sie, dauernd die Drecksarbeit zu machen und anderen hinterher zu laufen. Ich musste Kraft sammeln und schloss für kurze Zeit die Augen.
Meine Haare trieften vor Schweiß, mein Atem ging rasselnd und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ein warmes, gemütliches Bett und eine Dusche.
Der Lärm des Hubschraubers wurde immer lauter und als er landete, öffnete ich meine Augen wieder. Was ich sah, nein, wen ich sah, raubte mir den Atem. Das konnte doch nicht wahr sein! Zirka dreißig Schritte entfernt starrten mir die meerblauen Augen entgegen und ich sah die kurzen blonden hochgegeelten Haare von Joel McKanzy. Schnell zog er seine Sonnenbrille auf.

„Hi Lois", begrüßte Joel mich. Ich starrte ihn nur voller Unglauben an.
„So sieht man sich wieder, was?", fragte er. Er kam immer näher. Letztendlich war er nur noch ein paar Schritte von mir entfernt.
Die Zeit schien still zustehen. Ich verdrängte Joel aus meinem Gehirn und ebenso die Tatsache, dass er gerade vor mir stand. Stattdessen versuchte ich mich zu konzentrieren und schloss erneut die Augen.
„Versuch es erst gar nicht", warnte mich Joel mit sanfter, aber strenger Stimme.
Du schaffst das Lois. Gordon glaubt an dich. Denk daran woran er denken würde, sagte ich mir in Gedanken.
An die Zukunft.
Ich öffnete meine Augen. Wut durchströmte meinen Körper. Wut auf Joel und diese gesamte, verdammte Situation hier. So wütend, dass meine Augen sich rot färbten.
Ich schaute ernst und mit hassverzerrtem Gesicht in Joels leicht verängstigte Augen. Die vorderen in Schwarz gekleideten Männer waren verwirrt und wichen einen halben Schritt zurück.
Joel war ebenfalls verwirrt und schockiert zugleich. Er fing sich wieder, doch er blieb immer noch auf Distanz.

„Gordon war fleißig, wie ich sehe", stellte Joel unsicher fest. Noch immer starrte ich ihn abschätzig an und sagte nichts. Ich hatte nicht vor den Schwur, den ich mir gegenüber Joel gemacht hatte, zu brechen. Ich wollte nicht ein Wort mit ihm reden.
Die Männer zielten weiterhin mit ihren gesicherten Rockets auf mich. Joel schaute mich mit Bedauern an. Dann hob er den Arm und die Männer entsicherten unsicher ihre Rockets.

„Lois, du lässt mir keine andere Wahl. Du weißt, dass ich dich nicht töten will. Komm mit mir und alles wird wie früher!" Ich wusste nun, dass jetzt die Zeit gekommen war, meinen Schwur zu brechen und zitierte Gordons Worte: „Schaue ins Hier und Jetzt. Vergiss die Vergangenheit, denk an die Zukunft!"

Nun änderte sich Joels Gesichtsausdruck und er schaute mich mit einer Mischung aus Hass und Unglauben an. Ich spürte, wie die Männer in Schwarz immer ungeduldiger wurden und endlich abdrücken wollten.
Schnell schloss ich wieder die Augen, nun bereit zu sterben, obwohl ich doch lieber leben würde.
Ich konnte mir aber nichts vormachen. Der Boden rumorte. Joel schrie: „Hör auf! Komm mit mir!" Doch mein Entschluss stand fest. Tränen liefen mir über das Gesicht, und damit Joel sie nicht sah, schaute ich auf den Boden. Weinen bringt mir jetzt nichts, redete ich mir ein und fasste wieder Mut. Ich schaute erneut fest in Joels Augen und sagte leise: „Das war einmal."

Die darauffolgenden Schüsse und mein Schmerzensschrei hallten noch weit durch die Straßen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 07, 2016 ⏰

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Die letzte Hüterin & Das 'Green Planet' ProjektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt