Ich wandere durch die Schule, sitze in meinen Fächern, existiere. Den ganzen Tag lang. Doch mitbekommen tue ich nichts. Weder von dem Unterricht, noch meinem Umfeld oder irgendwelchen Personen um mich herrum. Ich sitze zwar mit Zoe in der Cafeteria während sie von irgendeinem Typen den sie auf dieser gigantischen Party kenngelernt hat schwärmt, doch mehr als ein Nicken bekommt sie von mir nicht. Was sie auch nicht großartig zu stören scheint denn abgesehen von ein paar komischen Blicken in meine Richtung erzählt sie ununterbrochen wie ein Wasserfall. Ich bin kalt. Eiskalt...
Als ich dann doch endlich nach einem jetzt schon viel zu langen Tag zu Hause ankomme, beobachte ich wieder so eine Misere wie heute Morgen schon. Meine Mom steht in der Küche und kocht ihr Lieblings Rezept. Oder besser gesagt sie versucht es. Als sie dann verzweifelt jede Schublade aufreißt um eine Kochtopf zu suchen, ist es mir zu viel und ich flüchte in mein Zimmer. Mal wieder.
Dort angekommen schmeiße ich mein Laptop an um das zu machen das ich schon viel länger hätte machen sollen. Ich suche zum ersten Mal diese scheiß Krankheit. Das kann doch nicht noch länger so weiter gehen, dass ich wirklich überhaupt nicht weiß wie es weiter geht geschweige denn wie ich meiner Mom helfen kann. Schockiert über das was meine Augen lesen doch mein Kopf nicht wahr haben will überfliege ich die Seiten. Das was ich lese ist sogar furchtbarer als alles was ich mir bereits ausgemalt habe...
Wenn ich mir so anschaue was uns in naher Zukunft alles erwartet erschaudere ich und würde am liebsten mein Laptop schließen und mich in irgendeiner Ecke heulend zusammenrollen. Aber ich heule nicht. Nicht solange ich es mit aller Macht verhindern kann.
Alexie, Akalkulie, Apraxie, Aphasie.
Die Unfähigkeit zu lesen und zu rechnen und Einschränkungen beim gezielten hantieren und beim Sprechen.
Einfach gesagt: Meine Mom wird körperlich wie seelisch verkrüppeln, uns vergessen, im Prinzip überhaupt nicht mehr existieren und niemand auf der Welt kann ihr auch nur ansatzweise helfen. Unsere derzeitige Situation ist also so ziemlich im Arsch und ich verzweifle weil ich nicht weiß was ich tun kann. Ich weiß, eigentlich kann ich gar nichts tun aber ich kann doch nicht einfach nur so zuschauen.
Ich kann doch nicht Tag für Tag für Tag meiner eigenen Mutter dabei zusehen wie es ihr immer schlechter geht, wie sie verlernt zu sprechen und zu lesen. Sie liebt Bücher doch über alles. Ich könnte ihr später dann nicht einmal vorlesen. Sie vergisst mich irgendwann und wer lässt sich denn bitte von einer Fremden vorlesen? Richtig, niemand. Sie wird vergessen. Mich und auch sich selbst.
Genau in dem Moment in dem ich realisiere wie machtlos ich doch bin habe ich einen Entschluss gefasst. Wir wissen nicht, weder Lexi noch ich, wie es weiter geht. Wie man mit jemandem umgeht der einen nicht mehr erkennt. Meine Mutter sagte es gebe einen Grund für unseren Umzug, dass man ihr hier helfen könne. Und genau zu dieser Hilfe werde ich sie bringen.
Es ist nicht leicht für mich und ich habe nicht die leiseste Ahnung wie ich das Lexi beibringen soll aber es ist absolut notwendig.
Es ist das einzige was wir momentan tun können denn die Hoffnung auf eine Wunderheilung ist bei mir schon vor längerem verebbt. Ich glaube nicht. Nicht an Gott, nicht an Zufälle oder eine höhere Macht die uns leitet. Wir existieren im Universum. Wir sind so klein, so unbedeutend. Das Universum ist groß und kalt und nichts und niemand ist da um uns zu leiten oder uns zu bewachen. Wir sind auf uns alleine gestellt, das habe ich spätestens verstanden als das mit meiner Mutter heraus kam denn gäbe es irgendwo auf dieser Welt Gerechtigkeit, wäre das nicht passiert. Und falls da doch jemand ist der auf uns aufpassen sollte, ist er einfach nur ein unfaires und unfähiges Etwas das sich am Leid anderer ergötzt.
Das habe ich im Hinterkopf während ich auf den Bestätigen-Knopf der Website des Heims drücke und spüre wie in meinem inneren ein weiterer Teil meiner Selbst zerspringt und eine einzige Träne, die ich beim besten Willen nicht hätte unterdrücken können, rollt mir über mein Gesicht.
Jetzt sind wir alleine. Ab morgen sind wir voll und ganz auf uns alleine Gestellt.
A/N: Na, ist es gut was sie mit ihrer Mutter anstellt? Wie würdet ihr eigentlich bei solch einer Nachricht reagieren? Könnt ich sie verstehen oder würdet ihr ganz anders handeln??
<3
DU LIEST GERADE
How to kill a Soul - and fix it?
Ficción GeneralEs braucht nicht viel um eine Seele zu zerstören, doch ist sie das erst einmal, ist es nicht sicher ob sie sich jemals davon erholen wird... Rose ist neu in der Stadt. Hier will sie neu anfangen und all die Strapazen die ihr altes Leben geboten hat...