Broken Smile

Broken Smile Kapitel 1.1

"Affenfresse" riefen Taisan's Klassenkameraden, die zu einer wütenden Meute geworden waren, hinter ihr her. Völlig erschöpft rannte Taisan so schnell sie nur konnte, auf der Suche nach einem geeigneten Versteck, genau auf eine Sackgasse zu. Zwischen dem riesigen Hauptgebäude der Schule und einer nicht all zu hohen Mauer kauerte sie sich in eine Ecke, eingekreist von ihren Mitschülern, die im Chor immer und immer wieder „Affenfresse" brüllten. Tränen flossen ihre Wangen hinunter. Sie hasste die Pausen, dauernd wurde sie von den anderen geärgert und bis zur Verzweiflung getrieben. Mittlerweile hatte das Brüllen nachgelassen. Nun warfen sie Steine nach ihr. Jedes mal wenn sie ein Stein traf, lachten sie über ihr schmerzverzerrtes Gesicht.

Anfangs hatte Taisan sich gefragt, warum die anderen sie so hassten, erst seit einiger Zeit war ihr klar, dass man sie nur aus Spaß ärgerte. Die ganzen Verfolgungsjagden über den Schulhof und das Risiko von einem Lehrer erwischt zu werden schien ihnen einen Kick zu geben. Sie war sich sicher, dass einige auch nur aus Angst mitmachten, selbst zum Opfer zu werden. Wie z.B. Claire, die bis vor einigen Wochen ihre beste Freundin war und auch jetzt noch auf dem Spielplatz vor dem Haus mit ihr spielte.

Hoch konzentriert versuchte Taisan den auf sie zukommenden Steinen auszuweichen, was den anderen noch mehr Freude zu bereiten schien. Nach und nach gelang es ihr einige Steine zu fangen und zurückzuwerfen, sodass daraus eine Steinschlacht wurde, bei der sie klar unterlegen war. Trotz allem wurde sie immer mutiger und so gelang es ihr sich durch die Meute zu drängen und ihr zu entfliehen. Flink kletterte sie auf einen Baum und schmiss Kastanien auf die anderen, nun hatte sich das Blatt gewendet. Zum ersten Mal setzte sie sich zur Wehr. Wahrscheinlich da es der letzte Schultag vor den Sommerferien war und sie sich dadurch sicherer fühlte. Sie war stolz darauf endlich mal die Oberhand zu haben, alles andere war ihr egal. Vergebens versuchten die anderen sie mit Steinen zu treffen, die jedoch meist nicht so hoch flogen oder an den Ästen abprallten. Einige versuchten den Baum ebenfalls hinaufzuklettern, trauten sich jedoch nicht weiter als einige Meter, aus Angst, dass die immer dünner werdenden Äste brechen würden. Den Rest der Pause harrte Taisan auf der Spitze des Baumes aus, während ihre Mitschüler versuchten sie durch kräftiges Schütteln vom Baum zu holen.

Erst als sie das Klingeln hörte und sich alle auf den Weg in ihre Klassen machten kletterte sie vom Baum runter, lief in die Klasse und setzte sich ganz hinten auf ihren Platz.

Nachdem sie sich gesetzt hatte hielt ihr die Lehrerin eine Standpauke.

„Also Taisan das ist schon das dritte Mal in dieser Woche, dass du zu spät aus der Pause kommst. So geht das nicht weiter!", redete Mrs. Novak, zwar mit ruhiger, aber dennoch strafender Stimme, auf Taisan ein. Schweigsam hielt Taisan dem vorwurfsvollen Blick ihrer Lehrerin stand und ertrug das Gespräch so gut es ging. Während Mrs. Novak weiter auf Taisan einredete kicherten die anderen unentwegt.

„Warum kommst du denn in letzter Zeit ständig zu spät?", fragte Mrs. Novak in der Hoffnung dieses Mal eine Antwort zu bekommen. Doch Taisan schwieg immer noch, zögernd schaute sie Benjamin und dann Claire an, beide gaben ihr zu verstehen, dass sie besser die Klappe halten solle.

„I-Ich weiß es nicht Mrs. Novak!", sagte Taisan so leise, dass man sie kaum verstehen konnte und wich dabei dem Blick von Mrs. Novak aus.

„Nun gut wenn du mir nicht sagen willst, was es ist, kann ich dir auch nicht helfen!", entgegnete diese mit einem bedauerlichen Unterton.

Dann wendete sie sich wieder der Klasse zu und begann mit dem Unterricht.

Still, so als wäre sie gar nicht da, saß Taisan auf ihrem Platz in der letzten Reihe und blickte auf das von ihren Tränen durchnässte Arbeitsblatt.