Er wurde durch einen lauten Knall geweckt. Schlaftrunken strich er sich über den Mund und machte ein jammerndes Geräusch. Er war so müde. Gerade wollte er wieder schlafen gehen, als ihm auffiel, dass er nicht in seinem Apartment war. Sein Kopf schoß hoch und vor sich sah er Reihen von verschiedenen Kaffeepackungen und eine alte, italienische Kaffeemaschine. An der Decke flackerte Neon-Licht und erschaffte ein kalte Atmosphäre. Er drehte sich um und sah hinter sich eine Reihe von Tischen und Stühlen. Es dämmerte ihm, dass er noch immer im Café war. Er war in diesem ekligen Gebäude eingeschlafen. Angewidert putzte er sich sein Gesicht. Etwas streifte sein Bein und er schaute hinüber.
Ein schwarzer Lockenkopf verschwand unter die Theke und tauchte wieder auf. Er kannte das Gesicht und auch das, was die Frau in ihrer Hand hielt. „He!“ Er schlug seine Brieftasche aus ihrer Hand und stand auf. Sein Stuhl krachte auf den Boden und die Frau schaute ihn verwundert an. „He du!“ Er stellte sich hin und versuchte zu überlegen was er als Nächstes sagen sollte. „Du Diebin! Verpiss dich oder ich zeig dich an wegen Köperverletzung und Diebstahl!“ Sein Zorn war zurück und er richtete sich vor der Frau auf. Er war einen Kopf größer als sie und schaute auf sie hinab.
In ihren Augen las er Vergnügen und um ihre Lippen spielte ein Lächeln. Doch in einem Wimpernschlag war es verschwunden und ihre ausdruckslose Miene war zurück. „Treten Sie zurück.“ Ihre Stimme war drohend. Er schwankte und überlegte ob er nachgeben sollte oder nicht, aber er wollte nicht. Trotzig blieb er stehen und schaute mit dem selben arrogantem Blick, wie sie vorher, auf sie hinunter.
Kurz sah er Furcht über ihre Gesichtszüge huschen und bevor er einen Schritt zurück treten konnte, schubste sie ihn von sich. Die Bewegung kam so überraschend, dass er Mühe hatte sein Gleichgewicht zu behalten. Fluchend musste er sich an einem Tisch abstützen. Die Frau starrte ihn nur an und hob seine Brieftasche auf. Sie rieb mit ihrem Daumen über das Leder und sagte: “Entschuldigen Sie bitte meine Grobheit und meine Unhöflichkeit.“ Sie ging auf ihn zu und überreichte ihm die Brieftasche. „Sie war Ihnen lediglich aus der Hosentasche gefallen und ich wollte sie Ihnen nur zurück geben.“ Er starrte auf ihre Hand und erwartete halb, dass sie ihn wieder angriff. Unsicher schaute er in ihr Gesicht und als sie seine Unsicherheit bemerkte, lächelte sie.
Es war das gezwungenste Lächeln, das er je in seinem Leben gesehen hatte, aber für ihn zählte nur die Mühe und dankbar nahm er seine Brieftasche an.
Peinlich berührt kratze er sich am Hinterkopf und sagte: „Man, man. Es tut mir auch leid, dass ich Sie so belästigt habe. Ich hatte eine schlimme Nacht.“ Verständnisvoll schaute sie ihn an und nickte nur. „Ich heiße Jack Anderson und Sie?“ „Ich heiße Laurie Rease. Schön Sie kennen zu lernen, Mr.Anderson.“ „Ach was, nennen Sie mich doch einfach Jack.“ Er schenkte ihr ein Lächeln, als er sah wie sehr sie mit sich kämpfte. Sie schien wie eine von denen zu sein die jahrelang mit einem arbeitet und trotzdem noch den Nachnamen benutzte. Wahrscheinlich war sie Bürofrau. „Na gut, Jack. Ich entschuldige mich nochmals dafür, dass ich Sie heute angegriffen habe.“ Er winkte ihre Entschuldigung ab. „Laurie das ist kein Problem, mir ist schon Schlimmeres als das passiert.„ Jack lachte laut. Ihm war schon viel Schlimmeres als das passiert. Doch die Erinnerung an etwas Anderem machte seine Gedanken düster und sein Lachen erstarb. Er setzte sich und schaute auf seine Hände. Er hatte heute Nacht etwas vorgehabt.
Laurie bemerkte seinen Stimmungswandel sofort. Vor einer Sekunde lachte er noch unbekümmert und in der Anderen war er ernst, ja fast schon traurig.
Sie wusste nicht was sie machen sollte. Mit Menschen konnte sie nicht umgehen und der einzige Mensch in ihrem Leben, mit dem sie fast täglich redete, war ihr Boss. Und sie glaubte nicht, dass er je in ihre Lage kommen würde. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was andere machen würden. Eine Sitcom kam in ihre Erinnerung und sie versuchte die Miene der Schauspielerin nachzuahmen. Die Schauspielerin spielte eine Mutter die vom Tod ihres Sohnes erfuhr. Laurie konnte sich noch erinnern, wie lächerlich ihr alles vorkam und wie unecht. Ach, scheiß drauf. Sie gab auf und machte das, was sie am Besten konnte und sprang über die Theke und machte Kaffee. „Das wird langsam zu einer schlechten Angewohnheit von dir.“,hörte sie hinter sich. Sie zuckte nur mit ihren Schultern.
Italienischer Kaffee war der Beste und irgendwie konnte Laurie ihn kochen. Irgendwann in ihrem kaputten Leben wird sie das wohl gelernt haben. Der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee überdeckte alles und vernebelte Lauries Sinne. Das Licht im Café wurde weniger grell und die Nacht wurde weniger schlimm.
Sie winkte Jack zu sich und er schaute sie nur halblächelnd an. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist Laurie. Es ist schon spät und ich werd nicht einschlafen können, wenn du mich mit noch mehr Kaffee verwöhnst.“ Laurie schüttelte ihren Kopf und schob ihm den Kaffee zu. Der Geruch erreichte seine Nase und er war wieder hellwach. „Vielleicht noch einen...“ Er schlürfte und genoß den guten Geschmack. Lauries Gesichtsausdruck war zufrieden und sie schenkte sich selber eine Tasse nach. Eine Weile saßen sie schweigend da.
Jack genoß Lauries Gesellschaft und ihre nach innen gekehrte Ruhe. Er wünschte er könnte auch so ruhig und mit sich zufrieden sein. Ihre Ruhe ging auf ihn über und eine Last wurde von seinen Schultern gehoben. Er beobachtete sie, während sie mit einem Zahnstocher Formen in den Kaffeeschaum machte. „Dafür das du so ernst bist, macht es dir ja ziemlich Spaß mit Zahnstochern zu spielen.“ Ertappt ließ sie den Zahnstocher fallen und schaute ihn an. Erst jetzt bemerkte er ihre Narbe. Sie war lang und hell und ging quer über ihre Wangenknochen bis hinauf zu ihren Augen. „Woher hast du deine Narbe?“
Nachdenklich gingen ihre Augenbrauen zusammen und sie schien zu überlegen. Jack glaubte sie würde ihm diese Frage nicht beantworten als sie plötzlich „Arbeitsunfall“ sagte. Er nickte mit seinem Kopf. Glaub ich nicht. Kann ein Bürojob wirklich so gefährlich sein? Bevor er sie fragen konnte, ob sie überhaupt in einem Büro arbeitete, fiel sein Blick auf die Uhr hinter ihr. Er zischte laut. Es war verdammt spät.
Augenblicklich hatte er einen Knoten in seiner Brust. Bevor er in diesem Café gelandet war, hatte er etwas vorgehabt. Der Gedanke daran schnürte ihm die Luft ab. Die Zeit schien hier stehen geblieben zu sein und Jack hatte eine schöne Zeit. Laurie hatte ihm diesen Moment nur vergoldet. Schweren Herzens schaute er zu Laurie. Sie beobachtete ihn mit forschendem Blick.
Er kannte sie gerade mal ein paar Stunden und schon war sie ihm ans Herz gewachsen. Diese Nacht war die Schönste gewesen die er je gehabt hatte. Und dabei hatte sein Tag so schlecht begonnen.
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Das Café - ein außergewöhnliches Treffen
AdventureAls eines Nachts zwei unterschiedliche Menschen in einem Café aufeinander trafen, ahnten sie nicht, dass sie viel mehr verband als ein schlechter Tag. Es verband sie etwas viel Größeres als das.