Regen

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Ein kleines Mädchen tapste den fast schon überfluteten Weg entlang. Ihre erdbeerblonden Haare verdeckten die wunderschönen ozeanfarbenen Augen, welche suchend umher blickten. Der Regen hielt schon lange an, kein Ende war zu sehen. Nur endlose, fast schon schwarze Wolken spickten den eigentlich strahlend blauen Himmel. Fast keine Menschen liefen jetzt herum, nicht ein Händler pries seine Ware an und von den edlen Herren durfte man garnicht erst anfangen zu reden. Das Kind war schon durch und durch nass, doch aus irgendeinem Grund wollte es nicht aufhören im strömenden Regen, der schon eher Hagel glich, zu spazieren. So manche gütige Menschenseele bot ihr an diese Nacht in ihrem Heim zu verbringen. Das Mädchen blickte nur kurz auf. Immer direkt in die Augen und es war so, als wollte sie in die Seele sehen, als wollte sie die Menschen testen. Nie entkam auch nur ein Wort ihren Lippen. Jedes mal drehte sie sich um, ging weiter. Irgendwann gaben die Bewohner auf, auch, weil es anfing zu Stürmen. Die einzelnen Bäume, die da am Wegesrand standen, bogen sich schon so viel, dass man meinen könnte sie brachen gleich ab. Ein Wald kam in die Sicht des Kindes. Als hätte sie entdeckt was sie suchte, weiteten sich ihre Augen und ein kleines Funkeln gab sich in ihnen zu erkennen. Leichtfüßig lief sie über den von Wurzeln und Pflanzen übersäten Waldboden. Nein, es sah fast schon so aus, als ob sie schweben würde. Die nachtaktiven Tiere, welche gerade damit beschäftigt waren ihre heutige Beute zu fangen, flüchteten nicht, sondern beobachteten still und mit Neugierde den Betreter ihres Territoriums. Immer weiter schritt das Mädchen voran und immer mehr Augen hefteten sich an ihre Gestalt. Bald schon erreichte sie den Kern, das Zentrum des Waldes. In diesem Augenblick schien die Zeit still zu stehen. Der Sturm hatte aufgehört. Es war nicht ein Mucks zu hören, doch diese Ruhe war nicht angespannt oder beängstigend, im Gegenteil, sie war voller Fröhlickeit und Sicherheit. Sehnsüchtig blickten die ozeanblauen Augen in den durch die Sterne leuchtenden Himmel. Die wunderschöne Nacht war auch in den Spiegelungen der Wasserpfützen zu sehen, was alles noch traumhafter machte. Langsam flog das Wasser aus den Pfützen. Die Magie des Himmels ließ es funkeln und so tanzte es in der nach Regen riechenden Luft umher. Das Mädchen betrachtete mit aufgeregten Augen dieses Schauspiel. Wie hypnotisiert trat sie einen Schritt nach vorne um das Wasser zu berühren und die Magie zu spüren. Mit ihren zarten Fingern umschloss sie es, so, als wollte sie einen bunten Schmetterling in einer lauwarmen Sommernacht einfangen. Zarte Lichtstrahlen wichen aus dem Wasser, hinaus aus der Dunkelheit der Innenseiten der Hände. Das Licht umfing das Kind und klang abrupt wieder ab. Mit diesem Verschwinden war auch das Mädchen nicht mehr zu sehen. Die Zeit fing wieder an zu laufen und eine glockenhelle Stimme seuselte in den Wind:

"Jetzt bist du endlich wieder Daheim."

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