Nachdem mir der Typ seine Nummer aufgeschrieben hat und um die nächste Ecke verschwunden ist, habe ich beschlossen doch nicht in die Bibliothek zu gehen.

Skeptisch betrachte ich den zerknitterten Zettel, auf dem eine hässlich gekritzelte Nummer steht. Als ob ich den wirklich angerufen hätte.

Mit einem verächtlichem Seufzen schmeiße ich das Stück Papier in den nächsten Papierkorb. Umwelt und so.

Was sollte schon passieren?

-

Nach einer Viertelstunde komme ich endlich zu Hause an. Ich war den ganzen Weg zu Fuß gegangen, denn wer weiß schon, ob Mike nicht doch noch im Bus sitzt und wie ein Irrer im Kreis fährt, um mich abzupassen.

Dem Kerl traue ich wirklich alles zu.

Zu Hause angekommen steige ich schnurstracks die Treppen zu meinem Zimmer hinauf und lasse mich auf mein Bett fallen. Nur um zwei Sekunden später meine Eltern rufen höre, dass sie heute ausgehen und Pizzen im Gefrierschrank sind.

Spätestens jetzt sollte geklärt sein, dass weder Sophie noch ich Meisterköche sind. Aber hey, für Pizza reicht's.

Also trampel ich die Treppen wieder hinunter und beginne die Pizzakartons aufzureißen. Durch dieses Geräusch angelockt, steht plötzlich Sophie hinter mir.

Gerade will ich ihr von meiner äußerst seltsamen Begegnung erzählen, als es an der Tür klingelt.

Ich drücke meiner Schwester das Pizzablech in die Hand und gehe zur Tür. Mit der Erwartung, meine Mutter vorzufinden, die wieder einmal ihre Handtasche vergessen hat, öffne ich die Tür nur um sie gleich darauf wieder zu schließen.

Der seltsame Kerl, der mich vor Mike gerettet hat steht vor der Tür.

Nachdem ich ein paar Mal tief ein- und ausgeatmet habe öffne ich nochmal die Tür und sage :"Falsche Tür, mein Freund."

Damit will ich die Tür schließen, aber der Kerl hat andere Pläne und stellt seinen Fuß in den Türrahmen.

Erschrocken sehe ich zu wie der Typ in seiner Jackentasche kramt und will schon nach Sophie rufen, falls er durchdreht und mit einem Messer aus mich losgeht.

Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen wäre das gar nicht mal so unwahrscheinlich.

Doch zum Glück ist es nur ein zerknitterter Zettel, den er mir vors Gesicht hält.

"Wir hatten einen Deal, schon vergessen?", knurrt der Typ sauer.

"Warte mal, hast du den Zettel extra aus dem Müll gefischt?", frage ich ungläubig.

Mein Kommentar wird nur mit einem tödlichen Blick quittiert.

"Wieso hast du meine Handynummer weggeworfen?", fragt der Typ mit den schönsten Wangenknochen, die ich jemals gesehen habe.

Nein, hör auf so über ihn zu denken!, meldet sich meine geliebte innere Stimme sich.

Arggh wie ich sie hasse.

Genau in dem Moment gesellt sich Sophie neben mich an den Türrahmen. Erstaunt schaut der fremde Kerl zwischen Sophie und mir hin und her, fasst sich aber schnell wieder und sagt sehr zu meinem Unzufrieden, als würden wir uns schon länger kennen "Du hast mir ja gar nicht erzählt, dass du eine Zwillingsschwester hast!".

Argwöhnisch schaut Sophie den noch immer namenlosen Jungen, oder sollte ich eher sagen Mann, ich weiß ja noch nicht einmal wie alt der Typ eigentlich ist, an.

Langsam streckt sie ihre Hand aus und fragt "Und wer bist du?".

Gerade als ich ihr erklären will, dass da ein creepy Stalker vor unserer Tür steht, der mir bis hierher gefolgt ist, antwortet der Kerl :"Mein Name ist Carter und ich bin der Freund von deiner Schwester".

Anscheinend haben Sophie und ich gleichzeitig einen ziemlich verstörten Gesichtsausdruck gemacht, weil sich Carter, wenn er wirklich so heißt, sein Lachen verkneifen muss.

"Dein Freund???", Sophie starrt mich wütend an, "Wie konntest du mir das nicht erzählen?". Nach jedem Wort boxt sie mir in die Seite und wirft sich dann auf mich, sodass wir schlussendlich auf dem Boden landen.

Wie ihr seht, wir beide lieben uns sehr und würden uns NIEMALS gegenseitig weh tun.

Röchelnd rapple ich mich wieder auf die Beine und will gerade die Situation aufklären, als meine Schwester den Kerl, pardon, Carter umarmt und die peinlichsten Worte von sich gibt, die sie in dieser Situation hätte sagen können.

"Es freut mich sehr Wens ersten Freund kennenzulernen." Dabei strahlt sie von einem Ohr zum Anderen. Waruuuum?

"Erster Freund? Wow, Wen", grinsend zwinkert er mir zu, " davon hast du mir ja noch kein Wort erzählt."

"Vielleicht liegt das daran, dass ich dich nicht kenne?!".

"Hey Wen, du musst mir deinen Freund doch nicht verheimlichen, aber wenn du willst, dass das hier ein Geheimnis bleibt", mit diesen Worten deutet sie auf Carter, " dann gehe ich jetzt mal besser."

Damit lässt sie mich vor der Haustür stehen.

"Deine Schwester ist echt cool", meint da plötzlich Vollidiot Nummer eins.

"Du meinst wohl eher verrückt, krank und geistesgestört", schnaube ich vor mich hin.

"Also, was willst du eigentlich hier, Carter?". Verächtlich zische ich seinen Namen, sodass er seine Augenbrauen grimmig nach oben verzieht.

"Also Wen, du hast den Zettel weggeworfen, also bin ich dir gefolgt, beinahe wäre ich mit deinen Eltern zusammengestoßen, aber glücklicherweise, habe ich sie rechtzeitig bemerkt.
Nun zu meiner Frage: Warum hast du den Zettel weggeschmissen? Jedes andere Mädchen, hätte sich den Zettel aufgehoben, eingerahmt, über ihr Bett gehängt und dreimal am Tag dazu gebetet."

Nicht nur dumm, sondern auch arrogant.

Ich würde mal sagen Jackpot.

-

Würde mich über Votes und Kommentare freuen!



Why you shouldn't lieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt