Kapitel 1

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Sterne spiegeln die Hoffnung wider. Das sagte jedenfalls mein Vater immer. Solange Sterne am Himmel stehen, wird alles gut werden.

Ich lag im Garten, auf dem feuchten Rasen und blickte in den klaren Nachthimmel. Das aufgeklappte Buch auf meiner Brust hob und senkte sich sanft bei jedem meiner Atemzüge. Die Blätter des mächtigen Apfelbaums über mir raschelten leise, als ein leichter Windhauch durch die Nacht wehte. Meine Aufmerksamkeit war auf einen Stern gerichtet, der heller strahlte als alle anderen. Und er wurde größer.

Mit ungeheurer Schnelligkeit raste er auf mich zu und leuchtete heller und heller. Ein immer lauter werdendes Rauschen durchschnitt die Stille der Nacht. Irgendwann konnte ich dem Licht nicht mehr standhalten und kniff die Augen zusammen.

Im nächsten Moment war die Nacht um mich herum wieder in Stille getaucht. Das Rascheln der Blätter und das anschwellende Rauschen waren verschwunden, stattdessen hörte ich ein leises Knistern. Vorsichtig öffnete ich die Augen und schaute in einen nun blutroten Nachthimmel.

Mein rechter Arm, der plötzlich eine angenehme Wärme verspürte, lenkte mich ab. Ich blickte zur Seite und entdeckte gut zwei Meter von mir entfernt züngelnde Flammen, die ihre Arme zum Himmel emporstreckten. Innerhalb von Sekunden war ich auf den Beinen. Das Buch, welches gerade eben noch auf meiner Brust gelegen hatte, schlug mit einem dumpfen Geräusch auf der feuchten Erde auf. Ich drehte mich auf dem Absatz um und machte einen Satz nach vorn, ehe ich erstarrte.

Feuer.

Verzweifelt drehte ich mich um meine eigene Achse und bemerkte, dass ich umzingelt von der tödlichen Hitze war. Auf einmal spürte ich einen Windzug im Gesicht und in den Flammen tauchten vier Personen auf. Mit schreckerstarrtem Gesicht erkannte ich Lauren, Jaleb, Mum und Dad. Ersticktes Röcheln erfüllte die friedliche Stille der Nacht und ich spürte mein Herz gegen meine Rippen hämmern.

Meine Stimme zitterte, als ich ihre Namen schrie.

„Jaleb! Lauren! Kommt aus dem Feuer! Rennt! Mum ... Dad ...! Bitte ..." Plötzlich verschwanden Lauren, Mum und Dad. Ängstlich wanderte mein Blick zu meinem kleinen Bruder, der sich im nächsten Augenblick ebenfalls in Luft auflöste. Die Feuerwand wurde größer und baute Mauern aus Flammen um mich herum. Ganz kurz erhaschte ich einen Blick auf einen Schatten, der mich, an den Apfelbaum gelehnt, beobachtete. Dann verschlang mich das Feuer.


Mit einem erstickten Schrei setzte ich mich im Bett auf. Meine Wangen waren tränennass, das Nachthemd klebte mir feucht am ausgemergelten Körper. Meine Hände krallten sich krampfhaft am Bettlaken fest.

Noch ehe ich richtig wach war, überschlugen sich meine Erinnerungen und ich stürzte aus dem Bett zum Fenster, das ich weit aufriss. Nur langsam erreichte die kühle Luft meine Lunge, ich schloss erschöpft die Augen und lehnte mich an den Fenstersims, während die tröstende Dunkelheit mich umarmte.

The Shadow of a FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt