Ich liebte Samstage. Nicht nur, dass ich ausschlafen konnte, nicht an die Schule denken musste, keine wirklichen Verpflichtungen hatte, nein, ich konnte auch Zeit mit Mom verbringen. Wenn es unter der Woche mal vorkam, dass wir beide Zuhause waren, musste ich meist Hausarbeiten schreiben, für Klausuren lernen oder dergleichen. Oder sie war so kaputt von der Arbeit, dass sie keinerlei Lust mehr hatte, sich noch zu unterhalten und oft auch beim Lesen auf dem Sofa einschlief.

Doch die Samstagmorgende gehörten uns, Mom und mir.

Diese Woche war ich dran mit Frühstück machen. Ich tapste also gähnend in die Küche, kochte Kaffee, schob Brötchen in den Ofen und machte Rührei. Als alles fertig war, stellte ich es gemeinsam mit Geschirr und Besteck auf ein großes Tablett und huschte zurück die Treppe hinauf zu Moms Zimmer. Mit dem Ellbogen drückte ich die Klinke hinunter und die Tür auf und trat ein.

„Mom. Aufwachen!", sagte ich und stellte das Tablett auf dem Regal ab. Ich setzte mich auf die Bettkante und rüttelte meine Mutter sanft an der Schulter. Wie immer, wenn sie gerade aufwachte, knurrte Mom leise. „

„Mommy! Es ist zehn Uhr, ich hab Frühstück gemacht", zischte ich.

Mom gähnte, nickte und rutschte zur Seite. Ich stellte ihr das Tablett auf den Schoß und schlüpfte dann mit unter die Decke.

Etwas verschlafen, aber sichtlich zufrieden hatte Mom sich schon über ihre Portion Rührei hergemacht.

„Willst du auch Kaffee?", fragte ich und sie nickte.

„Ich muss sagen, ich habe mir da echt eine prima Tochter erzogen", lachte Mom und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Danke, dass du Frühstück gemacht hast."

Ich nickte nur, da ich gerade in mein Brötchen biss und sie lachte wieder. „Und eine hungrige."

„Von wem hab ich das wohl?", entgegnete ich mit Blick auf ihren schon beinah leeren Teller.

Wir kicherten beide in uns hinein und aßen dann fröhlich über Gott und die Welt redend alles auf.

Als wir fertig waren mit Essen, schlug Mom vor, alte Fotos anzuschauen und machte sich nach meiner Zustimmung auf den Weg, das Fotoalbum zu suchen. Derweil räumte ich unser benutztes Geschirr schon einmal in die Spülmaschine und wir trafen uns anschließend wieder im Bett.

Mom schlug das Album auf und wir tauchten ein in die Vergangenheit. Zwei ganze Stunden verbrachten wir damit, in Erinnerungen zu schwelgen und uns Fotos anzuschauen, von Mom von früher und auch viele Fotos von uns gemeinsam. Auf einigen davon, den Fotos, die in meiner frühen Kindheit entstanden waren, war auch mein Vater zu sehen.

Meine Eltern hatten sich getrennt, als ich dreieinhalb Jahre alt war. Mein Vater lebte in Connecticut, also ein ganzes Stück entfernt von meinem kalifornischen Heimatstädtchen, doch das störte mich nicht. Einerseits, da ich es kaum anders kannte, als allein mit meiner Mutter zu leben, andererseits auch, weil ich ihn nicht besonders gern mochte. Er hatte sich nie wirklich für mich interessiert, war immer der durchgeplante und gestresste Businessman, der nicht einmal in den Ferien, die ich ab und zu bei ihm verbrachte, Zeit für seine Tochter fand.

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Erschöpft ließ ich mich mit meinem Mitternachtssnack an einem Tisch nahe der Bühne nieder. Samstagabende waren immer furchtbar stressig; gefühlt die ganze Oberstufe meiner High School und bestimmt auch sämtlich Studenten, die hier aufs College gingen, besuchten das Old Ivy Café, bevor sie weiterzogen in einen der wenigen Clubs, die es in dieser winzigen Stadt gab. Ich kannte nicht viele Leute, die sich hier nie blicken ließen, und dazu zählte Lucas. Ich wusste nicht, was er gegen das Café hatte, doch irgendeinen Grund gab es bestimmt.

„Kann ich mich hier hinsetzen?" Eine warme Stimme ließ mich aufblicken. Neben dem Tisch stand die junge Frau, die heute Abend hier gesungen hatte und deutete auf den freien Stuhl.

„Klar", nickte ich.

Sie lächelte und ließ sich mir gegenüber nieder. Eine Weile aß ich schweigend weiter, dann beschloss ich, die etwas unangenehme Stille zu unterbrechen.

„Sie haben eine wirklich schöne Stimme", sagte ich. Das stimmte, ihre leicht rauchige, tiefe Singstimme war wunderbar angenehm und die Lieder, die sie vorgetragen hatte, hatten mir auch sehr gut gefallen. Es waren vor allem Cover von etwas sanfteren Popsongs gewesen, die sie selbst am Keyboard begleitet hatte, aber auch ein paar Jazzstücke.

„Danke. Und wollen wir uns nicht duzen? Wir sind doch ungefähr im gleichen Alter."

Ich lachte. „Das bezweifle ich. Aber gerne. Ich bin Stacey." Ich hielt ihr über den Tisch meine Hand entgegen. Mein Gegenüber drückte sie kurz und fest und sagte dann: „Ich bin Alicia, 24 Jahre alt. Gescheiterte Philosophiestudentin, die jetzt hier versucht, ihre Leidenschaft zu leben. Klappt aber auch nur begrenzt."

„Stacey, wie gesagt. Ich bin 17 und versuch das Jahr als Senior noch zu überstehen. Am Wochenende und nachmittags kellnere ich hier manchmal."

„Freut mich!", sagte Alicia und schien es wirklich so zu meinen. Ein breites, ehrliches Lächeln verzauberte ihr Gesicht und ich konnte nicht anders, als dieses Lächeln zu erwidern.

„Du siehst aber älter aus, finde ich", meinte sie noch.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Wieso hast du gesagt, dein Studium wäre gescheitert?"

„Ich hab gemerkt, dass der ganze Kram mit Lernen und Prüfungen und so nichts für mich ist. Hab geschmissen. Hast du schon eine Ahnung, was du nach der Schule machen willst?", antwortete sie, ohne Luft zu holen.

Lächelnd nickte ich. „Ich hab ein Stipendium für die Boston University, ich werde Literatur studieren."

Alicia zog anerkennend eine Augenbraue in die Höhe. „Cool."

Ich warf einen Blick auf meine Uhr. „Tut mir Leid, aber ich muss jetzt los, sonst macht meine Mutter sich Sorgen", sagte ich entschuldigend.

„Kein Problem. Wir können uns ja wann anders weiter unterhalten, ich komm bestimmt noch öfter her in dieses Café."

Ich nickte und stand auf. „Ciao", sagte ich im Gehen.

An der Tür sah ich mich nochmal um, ohne zu wissen, warum, und sah das Mädchen mit den dunklen Locken und der schönen Stimme zur Bar gehen.

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Hey Leute, ich wollte nur noch mal sagen, dass ich mich wirklich wirklich über Feedback freuen würde!!! Dankeschön :)

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