"Und nun...", sagt der Jugendliche, der mit den Kindern am Lagerfeuer sitzt, mit einem Lächeln: "Nun erzähle ich euch noch von einer Person, die ebenfalls sehr wichtig ist. Es geht um meinen Vorfahren, er..."
"Hey, ich hab eine Frage!", mault ein kleines Mädchen mit zwei blonden Zöpfen.
"Ja, bitte?"
"Warum lächelst du? Das ist ja mal voll uncool!", kichert sie nun.
"Darf ich deinen Namen erfahren, kleines Mädchen?"
"Hey! Ich bin nicht klein, ok? Mein Name ist Kiara, merk dir das!", sagt sie laut und verschränkt ihre Arme.
"Nun, Kiara. Es ist halt so, dass mein Vorfahre eine für mich sehr bewundernswerte Person ist. Allerdings nicht am Anfang...", setzt er etwas leiser bei.
"Erzähl schon!", quengeln nun die Anderen und der Junge beginnt.
"Ich habe Sie besiegt, Baron", sage ich monoton und schaue den älteren Herrn an, der mir gegenübersitzt. Ein gläserner, hochwertiger Tisch steht zwischen uns, beladen mit einem Schachbrett.
"Sie sollten wirklich aufhören, gegen mich zu spielen. Verlieren tun Sie doch sowieso...", murmle ich, während ich meinen Kopf hebe und an die Decke starre. Der Baron schnaubt verärgert und tippt mit seinem Finger gegen die Stuhllehne.
"Noch ein Spiel! Sowas lasse ich nicht auf mir sitzen!", sagt der Baron, weiterhin schnaubend. "Oh, aber Baron, Sie fordern mich immer noch heraus, nach all den Spielen, die Sie jämmerlich verloren haben?" Ich nehme meinen Blick von der Decke und sehe ihm direkt in die Augen. Ein teuflisches Grinsen umspielt mein Gesicht. Der Baron hält meinem Blick stand, wirkt jedoch leicht verunsichert. Kein Wunder, schließlich sitzt der ehrenhafte Präsidentensohn, meine Wenigkeit, direkt vor ihm. Ich schaue auf die versilberte Kuckucksuhr zu meiner Linken und klatsche in die Hände.
"Es wird Zeit, Baron. Sie müssen gehen. Wir spielen eine weitere Runde in naher Zukunft. Vorausgesetzt Sie leben dann noch." Mein Grinsen wird breiter. Den Baron fröstelt es, er steht auf und verneigt sich. Mit schnellen Schritten eilt er hinaus aus dem Zimmer, genau dann, als mein Vater hereinkommt.
"Verehrter Präsident!", spricht der Baron meinen Vater an und verneigt sich schnell. "Oh, Sie gehen schon? Ach ja, die Zeit rennt, nicht wahr? Ich wünsche Ihnen noch einen wunderschönen morgigen Tag", sagt mein Vater und sieht dabei den - verzweifelt dreinblickenden - Baron kaltherzig an. Dieser verneigt sich nochmal und eilt noch schneller als vorhin hinaus. Mein Vater währenddessen, der Präsident des Landes, blickt nun mich an. Doch seine Miene ist ausdruckslos. Fast so, als hätte er keine Gefühle. Nun, vielleicht hat er ja gar keine? Bei so einem Vater würde es mich nicht wundern.
"Sohn." Sprach er nun laut und bestimmt. "Bereite dich vor. Der Tag der Säuberung beginnt noch diese Mitternacht."
Ich sah aus dem Fenster, es war noch früher Mittag. Die Sonne scheint, die Bäume wehen im Wind, alles wirkt friedlich. Ich kann die Gebäude sehen, in denen die Landsleute und Adligen leben. Und nur in einem Tag wird alles im Chaos enden. So viele Leute werden auf Jagd nach Menschen gehen. Wer kam auf die bescheuerte Idee, einen Tag im Jahr zu einem Tag zu machen, an dem man tun kann, was man will? Bescheuert, bescheuert, bescheuert und dumm.
Mein Vater.
Er sieht mich immer noch an, wartet auf eine Antwort. Ich starre zurück, ohne ein Wort zu sagen. Im selben Moment bemerke ich seine Leibgarde, zwei gutgebildete Männer, im Flur stehen. Herr Präsident dreht sich wortlos um und verlässt den Raum. Seine Leibgarde schließt die Tür. Ich bin nun allein in dem Zimmer, die lauten Schläge der Kuckucksuhr erfüllen den Raum. Hastig erhebe ich mich, nur um mich gleich wieder zu setzen. Was soll ich tun? Bald schon ist der Säuberungstag und ich werde mit meinem Vater für den kompletten Tag im Bunker eingeschlossen sein. Klingt doch reizend. Einen kompletten Tag mit meinem Vater zu verbringen, dem Mann, der diesen Tag erfunden hat. Wenn er schon so eine hirnverbrannte Idee hatte, sollte er doch der Erste sein, der nach draußen geht um sich umzubringen. Sobald ich die Zügel des Landes in der Hand halte, werde ich diesen Tag unverzüglich abschaffen. Bis dahin heißt es warten, ich werde meinem Vater bis dahin nicht in die Quere kommen. Und wenn ich dann erstmal das Land regiere, werde ich der beste Präsident aller Zeiten sein. Wer kann das Land besser regieren als ich? Niemand! Ich habe beste Lehre genossen und bekomme alle politischen Handlungen und Verhandlungen direkt mit. Theoretisch könnte ich gleich anfangen zu regieren, niemand würde es so perfekt hinkriegen wie ich. Vor meinem inneren Auge sehe ich schon, wie ich in prachtvoller Kleidung vor dem Volk stehe und sie mich bejubeln. Mich, den großartigen Präsidentensohn, der nicht mehr nur Präsidentensohn wäre, sondern ein wahrhaftiger Präsident. Sie alle würden mich lieben, weil ich den Säuberungstag abgeschafft hätte. Und eine Frau nach der anderen würde mich zum Manne haben wollen, doch ich würde sie alle ablehnen, weil keine gut genug für mich wäre.
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Die Säuberung
Teen Fiction"Die Säuberung", wie die Regierung diesen Ausnahmezustand nennt, ist nichts weiteres als ein Tag, an dem man einfach alles machen kann, was man will. Ursprünglich war sie als "Reinigung" der Stadt von schwachen, kranken und allei...