Währenddessen...

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Es war gegen Abend. Die Gesellschaft hatte sich zum dinieren eingefunden. Die letzte Etage des Tour de Montparnasse, war heute beinahe leer. Nur ein einzelner Tisch war für die Ehrengäste reserviert worden. Kerzen brannten. Etwas ruhige Musik klang aus der Surround-Anlage des spitzen Lokals. Eine Mondscheinsonate von Beethoven. Der letzte Gang wurde gerade abgeräumt, und große Käseteller nahmen die Tafel ein. Wein wurde ausgeschenkt.
-Ein Bordeaux Pomerol 1955, lobte der Kellner.
Der Todestag Eines Steins, dachte Malo finster. Er sprach einen Toast aus. Die Anwesenden hatten sich gerade in verschiedene Gesprächsgruppen geteilt, als der Fahrstuhl aufging. Herein traten mehrere Männer unterschiedlichen Alters. Alle samt waren sie ebenso festlich gekleidet wie die vorherigen, jedoch etwas ordinärer. Es musste sich um die Presse handeln, da die Gesellschaft wenig Notiz von Ihnen zu nehmen schien. Tatsächlich trug einer der Herren eine Kamera um die Schultern.
-Darf ich bitten. Nur ein paar Minuten ihrer teuren Zeit beanspruchen zu dürfen.
Einer der Herren hatte sich dem Host der Veranstaltung präsentiert. Malo musterte ihn. Der Mann schien wesentlich jünger zu sein als die anderen Reporter. Jedenfalls hatte er keinen Bart, und markellose straffe Haut, welche im dunklen Teint seine sportliche Figur bedeckte. Er trug einen gewöhnlichen schwarzen Anzug mit allem was sich gehörte. Einzig auffällig war die rote Fliege, welche sein Hemd schloss. Der junge Herr blickte ihn mit seinen azur-klaren Augen erwartungsvoll an. Malo überlegte. Eigentlich hatte er überhaupt keine Muse für ein Interview.
-Nein tut mir leid. Ich habe nicht die Zeit für sowas.
In der Hoffnung in Ruhe gelassen zu werden drehte er sich um und wendete sich wieder den Gästen zu.
-Bedaure, mein Herr. Auch nicht wenn es sich um Constantin handelt?
Malo horchte auf. Der Name erschrak ihn. Schon lange hatte ihn keiner mehr verwendet. Es galt allgemein als tabu ihn in seiner Gegenwart auszusprechen. Er drehte sich langsam zurück zu seinem Störenfried.
-Ich höre.
Der Mann räusperte sich.
-Ich habe einige Informationen seines Betreffs, die Ihnen von äußerstem Interesse sein sollten.
Malo zog eine Augenbraue hoch. Es war unwahrscheinlich dass jemand mehr über C. wusste als er selbst. Jedoch schien sein Gegenüber nicht vom Format zu sein Scherze zu machen. Er betrachtete ihn genauer. Sein Anzug war tadellos maßgeschneidert, und ganz offensichtlich nicht minderer Preisklasse. Aber sowas war kommod. Schon unten in der Lobby achteten die Türsteher, neben Identität und Einladung, natürlich auf Aussehen und Beweggründe. Nun da er genauer hinsah, fiel ihm auf, dass die Schleife, welche den letzten Knopf des Hemdes verdeckte(der anscheinend offen war), etwas besonderes an sich hatte. Der seidene Stoff war durch und durch Purpur ribricatus, jedoch schimmerten einige Fäden in hellem Violet. Sie schienen so etwas wie Zeichen oder Buchstaben zu formen. Jedoch konnte er kein sinnvolles Gebilde entziffern.
-Sprechen sie ruhig weiter.
Der Unbekannte hatte sein Interesse geweckt.
-Wie Sie wissen ist C. an einer Überdosis gestorben...
Malo runzelte die Stirn. Der Tod Constantins hatte damals niemanden überrascht. C. war ein machtgeiler Geldhengst gewesen, mit starker Neigung zur Risikoklimax. Dennoch, er war sein Freund und es war grässlich mit an sehen zu müssen wie die ganze Sache aus dem Ruder lief. Am meisten schmerzte ihn seine Hilflosigkeit, als er vergebens versucht hatte C. von seinem Höllentrip abzuhalten. Es war alles so schnell gegangen. Nur wenige Tage nachdem die neue Droge die oberen Kreise eroberte, hatte sich C. das Monopol gesichert. Seitdem gehörte die komplette Produktion inklusive Forschung seiner Leitung.
-...allen hier im Raum sind die Umstände bekannt...
In der Tat wussten die oberen Kreise ihrer Gesellschaft Bescheid. Selbst der Presse war es kein Geheimnis geblieben, auch wenn ihnen die nähere Sachverhalte unklar blieben.
-...C. waren die Gefahren bekannt nicht wahr...
Natürlich. Selbst Malo hatte Bescheid gewusst. Jedoch war es absehbar gewesen, dass C. nicht zurück halten würde. Die Verlockung war einfach zu groß gewesen. Er selbst hatte Schwierigkeiten gehabt zu widerstehen. Doch es waren die Flügel des Ikarus. Der Wahn nach Macht und Stärke hatte C. geblendet. Seither war die Droge verboten worden. Ihre Konsumtion wurde streng bestraft. Jedoch waren zu C.'s Zeiten große Mengen auf die Straßen gelangt, bevor Malo die Sanktionen erlassen konnte. Noch immer waren beachtliche Mengen unkontrolliert im Umlauf.
-...Wissen sie das die Erscheinung der Droge und der Tod Constantins kein Zufall war?
Malo horchte auf. Das war neu. Aber was wusste der denn schon. Konnte ja jeder behaupten zwischen zwei nicht allzu entfernen Ereignissen gäbe es einen Kausalzusammenhang.
-Ist das so? Die These ist nicht ganz unwahrscheinlich. Ich selbst hatte sie auch schon erwogen. Jedoch schien mir keinen Grund ihr weiter nachzugehen. Sowieso ist dies seit den Sanktionen irrelevant geworden.
Der Fremde schien wenig beeindruckt, und verharrte mit der selben undurchsichtigen Mine.
-Ich versichere ihnen dem wird noch Bedeutung zukommen. Haben Sie selbst die Gelegenheit genutzt die Droge zu probieren?
Was für eine Frage. Natürlich nicht.
-Nein. Vor allem seit C. ist es wohl Sonnenklar die Droge sei zu verachten.
-Gestatten die Frage ob ihrer Excellence andere Todesfälle nebst C. bekannt seien?
Was sollte dieser Vorwitz. Doch nur ein lästiger Presseangestellter. Frechheit ihn so aufzuhalten.
-Nein.
-Ist dies nicht sonderbar?
Welch Impertinenz. Das C. das einzige Opfer war, bedeutete nur er hatte als einziger Geld und Einfluss genug gehabt, um genügend Stoff für eine Überdosis aufzubringen.
-Nein ganz und gar nicht sonderbar. Und jetzt empfehlen Sie sich gefälligst. Sie haben schon genug meiner Zeit gekostet.
-Monsieur Malo de Cendreseau. In jedes ihrer Weingläser wurden 2,3 mg gemischt. Genau die Toxische Dosis die C. sterben ließ. Wie fühlen Sie sich...
Malo war wie vom Blitz getroffen. Seine Hände verkrampften. Das Weinglas in seiner Hand erzitterte. Wie in Trance drehte er sich zu seinen Gästen, welche allesamt vom teuren Wein getrunken hatten. Ihm war schwindelig. Unter dem Druck seiner Hand zersprang das Glas, sodass der Stiel zu Boden fiel. Noch während die Splitter durch die Luft flogen und seine Hand zerschnitten blickte er um sich. Alles war düster. Während des Gesprächs war ihm gar nicht aufgefallen, dass die Sonne untergegangen war. Nun wurde der Raum nur noch von Licht des Kronleuchters erhellt. Lange Schatten zogen sich von den Figuren durch den Raum. Er konnte nur noch die dunklen Umrisse der umstehenden Tischnachbarn erkennen. Er blickte zu Boden und sah den Schatten seines Gegenüber. Er erschrak. Der Kopf des Schatten reichte gerade bis zu seinen Füßen. Der hellblaue Teppich hatte sich an dieser Stelle dunkel mit seinem Blut gefärbt, welches ihm aus der Hand floss. Auf etwa der Höhe des Schatten welche den Kopf umzeichneten, waren zwei weiße Stellen. Dort war wider Erwartung kein Schatten, sondern zwei leuchtende Augen die zu ihm hoch funkelten. Er blickte auf. Der Andere hatte seine bisher steinerne Mine zu einem bösem lächeln verzogen und starrte ihn an. Gebannt sah ihn Malo an. Etwas hatte sich verändert. Er hätte schwören können, der Fremde hatte im Sonnenlicht blaue Augen gehabt. Nun waren sie rot. Blutrot, wie der Seidenknoten wenige Zentimeter darunter. Aber noch schrecklicher. Die Sklera seines Auges war nicht mehr weiß wie bei normalen Menschen, sondern schwarz! Pech schwarz, wie dunkle Höhlen in der die rote Iris wie ein Mond in tiefer Nacht scheint.
Er wurde bleich. Sein Kopf brannte. Nein. Dieser Blick brannte! Der Boden bewegte sich. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er sackte zusammen.

die Schachkarten-Liebe [Ultra Viole(n)t Edition]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt