la tour de Montparnasse

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Malo war in seiner Bewegung versteinert. Ungläubig schaute er in das Weinglas in seiner Hand. Sowas war ihm noch nie passiert. Die Szene die noch Sekunden zuvor seine Sinne getäuscht hatte, schien ihm viel zu real um nur Einbildung gewesen zu sein. Dennoch. Sein Glas war immer noch in seiner Hand, und er stand mit beiden Beinen senkrecht auf den Boden. Zögernd blickte er um sich. Die anderen verhielten sich ziemlich normal, und waren eifrig in ihre Gespräche vertieft. Er wandte sich wieder dem Herrn mit der roten Fliege zu. Jetzt hatte der Typ definitiv seine Aufmerksamkeit. Forschend schaute er ihm in die Augen. Nichts außergewöhnliches ließ sich feststellen. Nur seine Irisfarbe war etwas anders. Zum hellenblau war etwas rot dazu gekommen, sodass sie in einem blau-weißem Violett leuchteten. Vielleicht war es auch nur Einbildung, und er hatte vorhin nicht genau genug hingeschaut.

Ein anderes Bild. Paris 0000 Ende July. Gestern war der heißeste Tag des Jahres. Der warme Föhn war Mittags selbst in der untersten Etage nicht auszuhalten. Nachdem sie ihre Klamotten durchgeschwitzt hatte, Tinder gecheckt und mit ihrem jüngeren Bruder über die Logik und Psychologie von Stephen King und a bad book geredet hatte, nahm sie eine dusche. Erfrischend. Ihr Handy hatte aufgehört zu summen. Der Akku war leer. Entzwischen sitzt sie auf ihrem Bett an die Wand gelehnt und kann nicht schlafen.
Sie überlegt wieso. War es der Streit mit den Eltern nach dem Abendessen? Nein, sowas war sie gewöhnt.
Das Fenster ist weit offen. Anders ist es hier oben nicht auszuhalten.
Die Tür, welche das Zimmer von den Treppen und dem Nebenzimmer trennt war zu. Langsam und im Augenwinkel nicht zu erkennen, aber mit einem unüberhörbaren grässlichen knarren und quietschen ging sie wie von Geisterhand auf. Von ihrer Position aus konnte sie jetzt auf die Treppen blicken, die zum Flur ein Stock tiefer führten. Das war als unten noch Licht brannte. Jetzt war da nur noch Dunkelheit, Schatten und glozte sie an. Die kühle Nachtluft streichelte ihre Beine. Sie bekam Gänsehaut. Was sonst so ein angenehmes Gefühl ist, war in der Präsenz dieses klaffenden Spaltes der sich in Dunkelheit verlor, gänzlich unerträglich. Sie schauderte.
Da erschrak sie. Ein jauler Schrei zersplitterte die bisher friedliche Nacht. Gibt es wohl eine Nachbarschaft auf dieser Welt ohne Katzen? Dämliche Fiecher.
Da begann sich plötzlich etwas zu regen. Die Tür bewegte sich langsam. Als nächstes das Papier auf dem sie Tags zuvor noch etwas gezeichnet hatte. Die Härchen an ihre Beinen begannen sich aufzutun. Etwas streichelte über sie. Kalt strich es über ihren Bauch, bis es sie endlich am Hals fasste und sich bis zum Kinn tastete.
Draußen rauschten die Blätter. Eine immer größer werdende Spannung am obersten Wirbel, schnürt ihr fast den Atem ab. Da löst sie sich plötzlich und bildet einen einzigen Tropfen. Eisig rinnt er ihr den Rücken runter.
Es knarrt wieder und die Tür schlägt zu.

13

[The illusion of choice is what makes men mortal. The illusion of knowledge is what makes him foolish. The illusion of Time makes him weak.]

Das Bild wechselt zurück zu Malo. Ein anderer Raum.
Malo musterte die große Steintafel am anderen Ende der Halle. In goldenen Lettern waren allerlei Maxime und Apostrophen abgebildet. Das meiste ergab allerdings wenig Sinn. Jedenfalls war das seine Auffassung. Er blickte sich weiter um. Nur sporadisch standen allerlei Möbel umher, doch alles schien nur den Zwecke zu dienen diese eine Tafel zu garnieren.

-Ich hoffe ich habe ihnen nicht allzu viele Dérangements bereitet.
Der Jüngling der noch vor kurzem ihn in Angst und Schrecken versetzt hatte, war ihm nun herzlichst angenehm. Nun war er der Gast und der andere sein Gönner. Nach dem unangenehmen Zwischenfall in Montparnasse, hatte dieser ihn zu sich, in seine Räumlichkeiten eingeladen, und ihm den Transport geleistet. Die Limousine zeugte zweifelsohne, ja schon beinahe sicher, seines Standes Vermögen. Sein Gastgeber war also jemand. Es verwunderte ihn nur diesen Herrn nicht schon bei anderer Location getroffen zu haben.
-Nicht im geringsten. Der Abend war mit dem Dinner geschlossen,
versicherte Malo ihn. Wir haben somit den ganzen Abend, fügte er hinzu.

die Schachkarten-Liebe [Ultra Viole(n)t Edition]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt