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Vor dem nächsten Programmpunkt hatte mich niemand gewarnt. Nach dem Mittagessen wurde ich in einen Raum gebracht, der nur aus Spiegeln bestand - selbst die Decke war verspiegelt! Und die Frau, die soeben in einem riesigen Kleiderschrank verschwunden war, sah aus wie eine Puppe. Sie trug ein hübsches Kleid, hatte eine hoch aufgesteckte Frisur, bei der ich bezweifelte, dass sie allein aus ihren eigenen Haaren bestand, und ihr Gesicht war unter der ganzen Schminke kaum zu sehen. „Ach Mädchen, bei dir wusste ich sofort, in was für Klamotten ich dich stecke. Wenn ich sie nur finden könnte." Nur leise kamen die Worte aus dem Schrank bei mir an. Ich ahnte, dass sie mich in ein Püppchen verwandeln würde, wie sie eines war. Als ich zuvor den Raum betreten hatte, war ich überrascht gewesen, eine menschliche Frau hier vorzufinden. Normalerweise war es Menschen nicht gestattet, den Innenring zu betreten. Lächelnd hatte sie sich mir als Lia vorgestellt und mir erzählt, dass sie schon seit langer Zeit im Innenring lebte und jedes Jahr die Vertiden bei ihrer Initiation auf das Treffen mit ihren Partnern vorbereitete. Anscheinend hatten einige Menschen doch mehr Kontakt zum Innenring, als ich es vermutet hatte. Laut Lia reisten sogar einige ausgewählte Menschen regelmäßig zwischen dem Innen- und Außenring, um Geschäfte zu erledigen. Sie waren aber dazu verpflichtet, darüber zu schweigen.

„Na, wer sagts denn", hörte ich Lia freudig rufen, bevor sie wieder aus den Tiefen des Schranks auftauchte. Triumphierend hielt sie etwas in die Höhe, das nach einer Mischung aus Einteiler und Kleid aussah. Mir blieb keine Zeit, den Stoff genauer unter die Lupe zu nehmen, denn sie forderte mich sofort auf, mich umzuziehen.

Als ich anschließend in den Spiegel schaute, staunte ich nicht schlecht. Ich musste zugeben, dass ich beeindruckt war. Das Kleidungsstück war schwarz und trägerlos. Auf den Beinen schlängelten sich Flammen, die bis zur Taille reichten. Hinten war von der Taille an der Teil angesetzt, der mich an ein Kleid erinnerte. Ein leichter Stoff fiel über meine Rückseite und bescherte meinem Po Kurven, die er in Wahrheit gar nicht besaß. Die Hosenbeine waren sehr kurz, bedeckten nur die Hälfte meiner Oberschenkel, und wurden von dem Stoff hinten überdeckt, da dieser beinahe den Boden berührte. Auch Lia schien begeistert. „Die Farben schmeicheln deinen Augen wirklich wunderbar! Das Schwarz und Orange findet sich in diesen genauso wieder. Ich wusste von Anfang an, dass ich dich nicht in ein Kleidchen stecken konnte. Wir müssen auf die Stärke, die in dir schlummert, setzen und werden dich nicht durch zu viele Spielereien verniedlichen." Erleichtert schenkte ich ihr ein echtes Lächeln. „Danke Lia, das hier ist einfach perfekt. Gegen ein Kleid hätte ich mich geweigert", gab ich zu, als Lia mich bereits zu einem Stuhl leitete. Sie lachte und drückte mich nach unten, sodass ich mich setzte. „Gegen das Make-Up und die Frisur darfst du dich allerdings nicht wehren", informierte sie mich und machte sich sofort an meinen Haaren zu schaffen.

Nach einer unendlich langen Zeit, die durch schmerzendes Ziehen an den Haaren und Hustenanfälles durch Puder geprägt wurde, stand ich nun in der Mitte des Raumes und betrachtete mich erneut in einem der vielen Spiegel. Lia versuchte, ruhig neben mir zu stehen, doch sie hüpfte immer wieder um mich herum und zupfte hier und da. Ein Lächeln stand auf ihrem Gesicht, sie war anscheinend zufrieden mit ihrem Kunstwerk. Als ich mich von oben bis unten im Spiegel betrachtete, konnte ich ihre Leistung nur bewundern. Lia hatte meine schwarzen Augen betont und meinen Lippen einen leichten orangenen Stich verpasst, sodass sie den farbigen Ring im meiner Iris und das Outfit komplettierten. Meine Haut wirkte makellos und die Haare waren zu einem strengen hohen Zopf gebunden, fielen dann aber in kräftigen Wellen, was einen schönen Kontrast bot. Lia hatte es geschafft, mich herauszuputzen, aber gleichzeitig mich selbst nicht überschminkt. Ich konnte die Cecily erkennen, die es liebte, durch den Wald zu rennen, und gern im Regen tanzte.

Als sie mein Lächeln sah, umarmte mich Lia stürmisch. „Es gefällt dir, ich wusste es!" Tatsächlich war ich wirklich beeindruckt. „Dankeschön Lia. Mir gefällt es sehr und ich fühle mich nicht, als würde ich eine Maske tragen, wie ich es zuvor befürchtet hatte." Lia hörte gar nicht auf zu hüpfen und schäumte vor Freude. "Etwas fehlt aber noch", murmelte sie vor sich hin, als sie sich schon auf die Suche nach diesem Etwas begeben hatte. Ich folgte ihr mit meinem Blick und war überrascht, als sie ein Armband hervorzog. Es war meines, das ich heute Morgen auf meinem Bett liegen gelassen hatte. „Schmuck darf nicht fehlen, mein Schätzchen", erklärte sie mir, als sie das Armband an meinem Handgelenk befestigte. Es ergänzte das Outfit ideal, allerdings waren mit ihm auch Gefühle verknüpft, die ich nicht unbedingt willkommen hieß. „Nun ist alles perfekt. Ich habe mich gefreut, dich kennenlernen zu dürfen, Cecily", verabschiedete sich Lia und verließ den Raum, nicht ohne mir vorher noch einmal zuzuwinken.

Die Flamme - Magie des Feuers (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt