My Little Angel #39

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Schweigend saß ich am nächsten Morgen im Auto von Lene. Ich schaute einfach nur aus dem Fenster und meine Gedanken drehten sich um das Gespräch mit meinen Eltern gestern. Da ich meine Eltern, denen es nach dem Gespräch nicht gut ging, nicht dazu zwingen wollte mich dahin zu fahren, hatte ich Lene gefragt.

Selbst einen Tag nach diesem Gespräch habe ich immer noch dieses erdrückende Gefühl in mir. Dazu auch noch Schuldgefühle.
Meine Eltern haben mich ausdrücklich gestern dazu gezwungen nicht zu denken, das ich Schuld an seinem Tod wäre. Es wäre Schicksal, mehr nicht. Warum ist das Schicksal dann so hart?

"Wir haben danach alles, was uns an ihn erinnern könnte, verschwinden lassen, weil deine Mom nach diesem Unfall jahrelang in psychologischer Therapie war. Jedes mal wenn sie etwas von ihm sah, ist sie zusammengebrochen. Wir mussten es tun. Wir hatten keine Wahl.
Außerdem wollten wir nicht das du mit diesem Schmerz und dieser Trauer groß wirst, denn es tut verdammt weh. Es tut so weh! Ich hatte kurz nach seinem Tod immer noch das Gefühl, dass er gleich durch die Tür kommt und 'Dad' ruft.
Am Anfang hast du immer wieder nachgefragt, wo er ist und warum er nicht kommt. Wir wussten nicht, was wir sagen sollten. Wir haben nur gesagt, dass er weg ist und nie wieder kommen wird. Du warst immer klein und sehr zerbrechlich gewesen. Wir hatten Angst dich auch noch zu verlieren. Wir hatten keine Wahl! Und da du erst drei Jahre alt warst, hast du ihn im Laufe der Jahre vergessen und kannst dich jetzt nicht mehr an ihn erinnern.
Helena, der liebe Gott hat uns halt nur drei Jahre mit diesem Engel gegeben. Drei wunderschöne Jahre, die wir nie vergessen werden.Niemals.
Denn auch wenn wir ihn nie erwähnt haben, war er immer tief in unserem Herzen und er wird dort auch immer bleiben. Wir haben ihn nie erwähnt, weil wir sonst zusammengebrochen wären. Aber vergessen haben wir ihn nicht und werden wir auch nie.
Jedesmal wenn wir dich anschauen, sehen wir auch ihn. Deine blonden Haare und eisblauen Augen erinnern uns immer an seine. Aber vor allem dein Lächeln. Ihr hattet schon immer das selbe Lächeln gehabt.
Manchmal fragen wir uns, wie groß er jetzt sein würde, wenn er noch am Leben wäre. Aber wir wissen, dass es ihm da oben gut geht und das er auf uns warten wird."

Das waren die Worte meines Vaters gestern gewesen. Ich habe meine Eltern noch sie so zerstört und am Boden gesehen, wie gestern Abend. Es war so schmerzhaft, sie in diesem Zustand zu sehen. Ich könnte nicht mal im Ansatz den Schmerz verstehen, denn sie haben. Auch ich werde Mutter und ich würde sterben, wenn meinem Baby etwas passieren würde.
"Helena, wir sind da, Schatz", sagte Lene und parkte. Ihre traurigen Blicke trafen meine und sie schaute mich besorgt an. Natürlich hatte ich Lene alles erzählt, weil ich jemanden zum sprechen gebraucht hatte.
"Soll ich mitkommen?", fragte sie mit einem traurigen Blick.
"Nein, ich schaffe das schon. Warte du hier."
Gerade als ich aus dem Wagen aussteigen wollte, rief mir Lene noch etwas hinterher.
"Helena, denk bitte auch an dich und dein Kind. Es ist nicht gut für dich, wenn..-"
"Keine Sorge. Ich schaffe das schon, Lene. Bis gleich", sagte ich und schloss die Autotür.
Ich atmete nochmal tief ein und lief zum Eingang.

FRIEDHOF
Der Ort des Friedens und der Ruhe!

Klingt doch wie einem Horrorfilm, oder?
Ich hatte mich beschlossen ihn zu besuchen. Ich wollte mit ihm reden. Ich muss mit ihm reden. Es gibt so vieles zu sagen.

Ein Grab nach dem anderen rauschte an mir vorbei. Schon immer schauderte es mir über meinen Rücken, wenn ich Friedhöfe sah. Ich habe keine Angst vor Toten. Das ist es nicht. Ich habe nur ein komisches und unangenehmes Gefühl in mir, wenn ich darüber nachdenke, dass alle Menschen hier mal gelebt haben.

Nun war ich an den Kindergräbern, die ich persönlich immer sehr traurig finde. Diese Gräber sind noch so klein. Die Kinder konnten doch noch gar nichts erleben, genau wie Jason.
Ich stand nun vor seinem Grab.

Sein Grab war so klein und auf seinem Grabstein war ein Bild von ihm, auf dem er wieder dieses unschuldige Lächeln hatte.
In mir verkrampfte sich alles schlagartig zusammen. Meine Beine verloren ihre Kraft und ich war gezwungen mich auf den Boden zu setzen. Er lächelte mich auf dem Bild an, so als würde er mich sehen.

"Hallo Jason. Ich bins, deine Schwester Helena..", stotterte ich zitternd und schaute auf das Bild des lächelnden Jungen vor mir.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Irgendwie kam ich mir auch bescheuert vor. Ich saß hier und redete mit einem Grabstein. Aber dennoch fühlte es sich irgendwie gut an.

"Es tut mir so Leid. Ich kam dich nie besuchen, weil ich nichts von dir wusste. Wie konnte ich dich vergessen? Ich hasse mich selber dafür. Du wärst noch am Leben, wenn du mir nicht deinen Platz an dem Tag gegeben hättest. Dann wäre ich jetzt an deiner Stelle. Warum hast du das getan? Du hast mir an dem Tag nicht nur einen Platz, sondern ein Leben geschenkt. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder weinen soll. Ich weiß es wirklich nicht.."
Langsam berührte ich mit meinen zitternden Händen die kalte Erde seines Grabes, während mein Schluchzen immer lauter wurde.
"E..Es tut mir so Leid, Jason! Ich bin Schuld an deinem Tod.Verdammt! Ich mache nichts richtig im Leben. Du hättest bestimmt alles besser gemacht. Du hättest etwas erreicht. Schau dir mich doch mal an. Ich kann nichts. Zu dem bin ich auch noch schwanger mit achtzehn. Ich bin echt unmöglich, oder?"

Bei meinem letzten Satz musste ich trotz der Tränen lachen. Es war ja auch die Wahrheit.

Es tat mir weh mit ihm zu reden und zu wissen, dass er mir nie antworten wird. Aber manchmal hat man keine andere Wahl. Viele sind dann auch davon überzeugt dass Menschen, die tot sind, dich weder hören, noch sehen können. Ich weiß selber nicht, an was ich glauben soll. Ich will einfach nur mit ihm reden. Tief in mir hoffe ich, dass er mich hört und sieht.

Ich saß fast eine halbe Stunde in der Kälte an seinem Grab und erzählte ihm einfach alles von meinem Leben. Auch wenn ich keine Antwort bekam, tat es mir gut.

Nun war es auch wieder Zeit für mich zu gehen. Ich rappelte mich auf die Beine und schaute lächelnd sein Bild an.
"Ich geh dann mal, Jason. Es hat mir echt gut getan mit dir zu reden. Ich werde dich ab jetzt öfters besuchen kommen. Irgendwann mit meinem Baby zusammen. Dann könnt ihr euch kennenlernen.."
Während ich zu ihm sprach, war in mir ein Funken Hoffnung da, dass er mir irgendwie antworten könnte. Doch selbst ich musste mir dann eingestehen, dass das völliger Schwachsinn war. Hart, aber die pure Realität leider.
"..Ich geh dann mal. I..Ich liebe dich, Bruderherz. Verzeih mir."

Damit drehte ich mich um und wollte zurück. Doch etwas brachte mich abrupt zum stehen.
Ich spürte zum ersten mal intensiv die Bewegung meines Babys in meinem Bauch. Vorher war es nie so stark gewesen.
Es fühlte sich ungewohnt, aber dennoch unbeschreiblich schön an. So als ob tausend Schmetterlinge in meinem Bauch wären.

Die Glücksgefühle breiteten sich in mir aus und ich schaute wieder auf Jasons Grab zurück. Meine Hand legte ich auf meinen Bauch.
"Danke für alles. Jetzt weiß ich, was ich tun werde. Für dich, für meine Eltern, für mein Baby und für mich. Jetzt weiß ich es dank dir, Jason. Danke", schluchzte ich glücklich und Freudentränen liefen währenddessen über meine Wangen.

Das Leben geht weiter und man muss leben.
Leben, für die, die es nicht konnten.

Sooo dass war das neue Kapitel! ^-^

Das nächste Kapitel wird übrigens ein Zeitsprung sein, da die Story sonst zu arg in die Länge gezogen wird und manche von euch kein Bock drauf haben! :D

Aber keine Sorge es werden keine Jahre sein, sondern ein paar Monate. Wir wollen ja endlich die Geburt des Babys und auch unseren heißen Boy wieder sehen. xD

Also seid gespannt! ^-^
Ihr könnt mir auch gerne eure Meinungen und Wünsche in die Kommis schreiben, da die Story euch ja auch gefallen soll! So kann ich mich verbessern und vielleicht eure Ideen einbauen. :)

~Seli

My little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt