Fox and Raven

Zwei

Memories

Nachdem Raven wieder zu Hause war, hatte sie sich daran gemacht, etwas mehr über Felix herauszufinden. Sie hatte bisher eine sehr geteilte Meinung über ihn, was sie aber nicht davon abhielt in den Jahrbüchern nach ihm zu suchen.
Im Laufe ihres Gesprächs hatte sie wenigstens etwas über ihn herausgefunden, was ihr ein paar Anhaltspunkte geliefert hatte, die ihr die Suche etwas verkürzen konnten. Felix hatte gesagt, dass er, bevor er das Auslandjahr gemacht hatte, in der Fußballmannschaft ihrer Schule gespielt hatte und im Schülerrat war. Da Raven bezweifelt hatte, dass der Schülerrat interessant genug war, um auch nur ein Sterbenswörtchen darüber im Jahrbuch zu verlieren, schaute sie gleich bei den Sport- und Freizeitangeboten.

Das Jahrbuch aus dem letzten Schuljahr verzeichnete vier Fußballmannschaften; jeweils zwei für Jungen und Mädchen. Nachdem sie die beiden Bilder der Jungenmannschaften schon das zweite Mal vergebens nach einer fuchsroten Haarpracht durchsucht hatte, fand sie Felix beim dritten Mal dann letztendlich doch noch. Er schien Co-Captain gewesen zu sein.
Da sie langsam Spaß an der ganzen Sache gefunden hatte, blätterte Raven die Seiten der Jahrbücher durch.

Doch als sie ungefähr in der Mitte des Jahrbuchs vom Vorletzten Jahr angekommen war, stockte ihr der Atem. Ihre zuvor noch unnatürlich gute Laune kippte. Black Ink stand (ironischerweise in grüner Schrift) auf der Buchseite und direkt darunter prangte ein Bild eines jungen Mannes. Dennis Walker – Chefredakteur der Schülerzeitung war die Unterschrift des Fotos.
Raven hatte es die letzten Wochen und Monate einigermaßen geschafft, alles zu vergessen, was sich zwischen ihr und ihrem Ex-Freund abgespielt hatte. Trotz der Tatsache, dass sie akribisch sorgfältig versucht hatte, alle Rückbleibsel und möglichen Erinnerungsstücke an diese traumatische Beziehung zu entsorgen und mit eigener Hand für immer zu vernichten. Doch anscheinend war Raven Carter doch nicht sorgfältig genug mit der Auslese gewesen, denn sonst hätte sie jetzt dieser Kerl angestarrt, der ihr so viel Leid zugefügt hatte.

Und da waren sie wieder; jene, die Raven so krampfhaft versucht hatte, aus ihrem Leben und ihrem Gedächtnis zu entfernen. Die Erinnerungen. Vereinzelte Szenen spielten sich erneut vor ihrem inneren Auge ab. Sie vermischten sich zu einem wirrem und gelichzeitig grauenvollen Szenario. Mit aller Macht kämpfte Raven dagegen an. Doch umso mehr sie versuchte dem Ganzen ein Ende zu setzen, desto lauter wurde das Geschrei in ihrem Kopf.

Ihre Atmung beschleunigte sich und Schweißperlen begannen sich vor lauter Anstrengung auf ihrer Stirn zu bilden. Immer unregelmäßiger ging ihr Atem, bis nur noch ein hysterisches Schnappen zu hören war. Krampfhaft klammerte sich das Mädchen an die Kannten des Schreibtisches. Ihr Herz raste. Raven kämpfte nun gegen zwei Dinge gleichzeitig an; ihre Gedanken und die Angstattacke.

Da sowas schon einige Male vorgekommen war, hatte sie sich schon ausführlich darüber informiert, wie man solche Attacken so schnell wie möglich wieder abklingen ließe. Normalerweise wusste sie jedem Schritt dafür auswendig, doch in diesem Augenblick konnte sie sich an keinen einzigen mehr erinnern.
Raven wusste nicht genau wie lange sie schon mit sich selbst kämpfte, bis dass ihre Zimmertür aufgerissen wurde und eine besorgte Trixi Carter hereingestürzt kam. Nur gedämpft konnte Raven die Stimme ihrer Mutter wahrnehmen, welche immer wieder ›Raven, Liebling, alles wird gut. Beruhig dich‹ wie ein Mantra wiederholte. »Denke an etwas Schönes«, hörte Raven nun schon ein kleines bisschen deutlicher. »Denke an unseren Deutschlandurlaub letztes Jahr, als wir Grandma Olivia besucht haben oder an den kleinen Sammy.« Mit zitternden Händen nahm die besorgte Mutter die schweißnassen und ebenfalls zitternden Hände ihrer Tochter in ihre eigenen. Mit kreisenden Bewegungen strich sie mit den Daumen über Ravens Handrücken. »Atme langsam ein und wieder aus. Alles wird wieder gut.« Trixi versuchte selber so ruhig wie möglich zu bleiben, was ihr nur schwer gelang, da sie selber mit der ganzen Situation mehr als nur ein kleines bisschen überfordert war.