23.09.2077

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Ich sitze auf meinem Bett und versuche mal wieder ein Buch zu beenden, doch zu viele Gedanken lenken mich ab. Ich habe mir niemanden über die Geschehnisse vor ein paar Tagen geredet, selbst mit Cassie nicht. Bis sie eines Tages durch die Tür kam. Starr nach vorne schauent und mich nicht mal beachtent. Sie setzte sich auf ihr Bett und starrte einfach nur die Wand an. Selbst Minuten später machte sie keine Anstalten sich zu Bewegen oder einfach nur auf meine Fragen zu antworten.
Hilfe suchend machte ich mich auf den Weg zu Thea. Sie folgte mir ohne weitere Fragen zu stellen. Sie setzte sich zu ihr und strich ihr über die Hand. Von dem Tag an versprach sie uns endlich Klartext zu reden und immer ehrlich zu antworten.
Dann fing sie an zu erzählen:
"So wie ihr das Leben hier bisher kennen gelernt habt, wird es auf Dauer nicht bleiben. Doch ihr habt selbst in der Hand, wie schwer es wird. Zuerst, Cassy es tut mir leid aber du wirst niemals an die Front kommen und andere Leute kennen lernen."
Entsetzten stand mir ins Gesicht geschrieben, doch sie ließ mich erst gar nicht zu Wort kommen.
"Das liegt aber nicht an dir, sondern daran das es uns alles verboten ist. Die Männer die Tag für Tag im Kampf ihr Leben riskieren, taten dies natürlich nicht von Anfang an freiwillig. Nein, zu dem Zeitpunkt, am dem alles verloren schien, machte jeder was er will und alle Rekruten mussten mit Gewalt eingesammelt werden."
Sie wurde mit jedem Wort schneller und verhaspelte sich immer mehr. Eine Wut von ganz tief innen, scheint endlich ein Ventil gefunden zu haben.
"Ablenkung! Pah! Sie würden zu sehr abgelenkt werden von den wenigen Frauen ,die noch überlebt hatten. In einer Welt, in der nichts wirklich mehr existiert,  gilt das Recht des Stärkeren und das war in diesem Fall der Orion. Eine Gruppe ehemalige Politiker und Kriegsoffiziere. Natürlich alles Männer. Mit seinen Truppen stürmten sie alles und erichteten über Jahre diese Anlage.
Beiden Seiten wurde der Kontakt miteinander verboten. Und das so lange und konsequent, dass es auf der Soldaten-Seite, die Frau, nach vielen Jahren, nur noch als Legende gilt. Das viel dem, wie in Anarchie herschendem, Orion natürlich super in die Hände und so wurde alles getan , um die Illusion des einsamen Mannes, aufrecht zu erhalten.
In den Schulen wurde nur noch Wissenschaft und die Lehre der künstlichen Befruchtung gelehrt."

"Aber sie müssen doch gefragt haben was mit den weiblichen Baby's passiert!"
Cassy hatte die ganze Zeit still neben mir gesessen und aufmerksam zugehört. Wie auch ich, konnte sie die ganze Geschichte nicht fassen.

"Natürlich haben sie das," Thea nickt langsam, " doch durch ein angebliches anderes Gen, würden diese nicht länger als ein paar Jahre überleben. Gerade so lange das für 'Nachschub' ", sie spuckte dieses Wort förmlich, "gesorgt sei, aber nicht lang genug um sie der gefährlichen Welt auszusetzen."

Lange sagte niemand etwas. Zu viele Gedanken kreisten durch meinen Kopf und einer ganz besonders:

"Woher weißt du das alles? Und warum bist du dir sicher, dass das alles stimmt ?"

Sie lächelte mich liebe voll an:
Ich war in deinem Alter ungefähr, da lernte ich eine alte nette Dame kennen. Sie war wie eine Mutter für mich. Aber vor allem hatte sie eine gute Beziehung zu einem der Offiziere im Orion, so bekam sie alles mit und erzählte mir dies Abends. Ich musste ihr Versprechen das ich es niemandem weiter erzählen würde und auch niemanden das ich es wusste. Auch uns hier wird einiges verschwiegen, denn wer wenig weiß, der kann wenig in Frage stellen uns vor allem nicht dagegen gehen."

Ihr Gesicht wurde ganz traurig und müde. Und ihre aufbrausende Wut verschwand.

"Zwei Tage später verstarb Sie. Sie war gerade bei mir und las mir vor..,als sie auf einmal stumm wurde ..mich anstarrte und zuckte," sie schluckte, "Herzinfarkt. Ich konnte ihr nicht helfen."

Ich legte meinen  Arm auf ihre Schulter und schaute sie mitfühlend an. Ich kann ihre Gefühle nachvollziehen. Ich könnte es auch nicht ertragen, wenn sie vor meinen Augen sterben würde. Sie schaute mich an. Ihre Augen waren matt und glanzlos, so habe ich sie noch nie gesehen, noch nie in meinem ganzen Leben.

"Aber ein gutes hattest", fing sie wieder an, "dadurch habe ich meinen Beruf gefunden. Ich wollte einfach nie wieder so hilflos sein. Und da .. Da Clary .. Da hab eich dann deine Mutter kennen gelernt."

"Was meine Mutter ??! Wie du kennst sie ? Wer ist sie?! Warum sagst du mir das erst jetzt ?! Ich will zu ihr! Omg ich kann es nicht glauben !" Ich sprang mit vollem Elan vom Bett und schaute sie begeistert an. Doch sie war nicht so begeistert wie ich, nein sie wirkte her bedrückt. Dann schüttelte sie langsam den Kopf.

"Es tut mir leid kleine.. Sie hat es nicht geschafft. Du musstest per Kaiserschnitt geholt werden und das hat sie nicht überlebt. Es tut mir so leid."

All meine Kraft sank aus meinem Körper und hätte Thea mich nicht aufgefangen ,wäre ich auf den Boden gestürzt. Noch heute läuft mir ein Schauer über den Rücken wenn ich an ihre Worte denke. Ich hatte 5 Sekunden lang eine Mutter, bis man mir meine Illusion wieder beraubte.
Den ganzen Nachmittag hat sie uns von ihr erzählt. Auf Cassies frage nach ihrer Mutter musste sie leider verneinen. Sie kennt sie nicht.
Ich habe mir damals die Frage gestellt was besser sei, zu wissen das seine Mutter lebt und man mit ihr ein einem Gebäude lebt, aber keine Ahnung zu haben wer es ist, oder zu wissen das seine Mutter tot ist und sich nicht jeden Tag aufs Neue Fragen zu müssen 'Wer ist sie ?'.
Bis heute weiß ich keine Antwort, dich was mir klar geworden ist, das es den Müttern genauso gehen muss. Ein Mensch verändert sich sein lebenslang. Da einen wieder zu erkennen, den man als Baby das letzte mal gesehen hat, grenzt an Unmöglichkeit.
Ich lege das Buch zur Seite und will aufstehen, als mir wieder schlecht wird. Vor meinen Augen scheint sich alles zu drehen, ich sprinte zur Toilette. Seid Tagen das gleiche und es wird einfach nicht besser.
Ich versuche mir den ekelhaften Geschmack aus dem Mund zu spülen als Theater die Tür rein kam.
"Clary kannst du bitte ..." sie schaut mich an und versteht sofort. Sie kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm:
"Oh mein Kind mein liebes Kind, ich hatte so gehofft das es nicht so wäre."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 31, 2016 ⏰

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