Klinik

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Die Fahrt zu der Klinik verläuft komplett still, im Auto herrscht eine angespannte Stimmung. Noch immer bin ich gewissermaßen sauer auf Liam, weil er mich küssen wollte. Er weiß, dass ich verlobt bin, mehr oder wenig glücklich, und in jeder Lebenslage zu Harry stehen würde. Außerdem war ihm zu diesem Zeitpunkt bewusst, wie ich nervlich kurz vor dem Ende stand und er wollte dies eiskalt ausnutzen.

Ich parke das Auto schließlich auf dem Parkplatz der Klinik und steige aus, ohne auch nur einen Blick zu Liam zu werfen. Ich kann hören, wie auch er das Fahrzeug verlässt, weswegen ich auf einen Knopf des Schlüssels drücke, der es verriegelt. Meine Tasche werfe ich über eine Schulter während ich mich mit schnellen Schritten dem riesigen Gebäude nähere. Um der kalten Luft, in der ich mich ohne Jacke befinde, zu entfliehen, stoße ich die Glastür, die in die Eingangshalle führt, auf und betrete den großen Raum.

„May, es tut mir leid, dass ich -", beginnt Liam und beschleunigt sein Gehtempo, um neben mir zu marschieren. Schnell unterbreche ich ihn, indem ich eine Hand hebe und zische: „Lass' uns das einfach vergessen und nie wieder darüber reden. Verstanden?"

Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie er heftig nickt und sich räuspert. Liam vergräbt seine Hände in den vorderen Taschen seiner schwarzen Jeans und dreht seinen Kopf zu mir. Noch immer nähern wir uns der Rezeption und ich beschließe, ihn so lange zu ignorieren, bis er von selbst verschwindet.

Mein Plan wird schnell zerstört, als er mir mitteilt: „Ich bin trotzdem immer für dich da, wenn du jemanden zum Reden brauchst." Seufzend stelle ich mich vor den großen Rezeptionstisch und wehre ab: „Ich kenne dich kaum, da rede ich lieber mit Freunden. Aber dennoch danke für das Angebot."

Ich wende mich an die blonde Frau, die vor mir sitzt und mich abwartend anschaut. Anscheinend wurde die letzte Rezeptionistin gefeuert oder hat gerade Urlaub, denn mein Gegenüber ist mir unbekannt. Wobei mich Ersteres bei ihrer Unhöflichkeit und ihrem Desinteresse nicht wundern würde.

„Guten Tag, ich heiße May Richards und würde gerne meinen Verlobten, Harry Styles sehen.", teile ich der Frau mit und füge schnell hinzu: „Ich sollte auf seiner Besucherliste stehen."

Stumm nickt sie und zeigt mir mit einer Handbewegung, dass ich kurz warten soll. Mein Gegenüber tippt auf der Tastatur des Computers herum, ihr Blick gleitet über den Bildschirm. Anschließend greift sie nach dem Telefonapparat und wählt eine Nummer. Kurz lächelt sie mir zu und teilt mir, indem sie geräuschlos ihre Lippen bewegt, mit: „Gleich."

Die Rezeptionistin teilt ihrem mir unbekannten Gesprächspartner mit, dass ich Harry sehen will, worauf zahlreiche „Aha, ok" folgen. Schließlich legt sie den Hörer wieder auf seinen vorgesehenen Platz und dreht sich zu mir. „Mr. Styles wird in wenigen Momenten in die Eingangshalle kommen. Warten Sie doch derweil auf einer Couch oder einem Sessel.", erklärt sie und lächelt mich noch einmal freundlich an.

Ich bedanke mich bei ihr und gehe daraufhin zu den Sitzmöglichkeiten. Mir ist unklar, wieso Harry hier her kommen sollte, denn normalerweise habe ich ihn immer bei seinem Zimmer besucht. Vielleicht würde er mich abholen.

Nachdem ich meine Tasche auf ein kleines Tischchen gestellt habe, setze ich mich auf den weichen Sessel neben diesem und lehne mich nach hinten. In der Eingangshalle ist es komplett still, hin und wieder durchqueren Mitarbeiter den großen Raum. Zum Glück ist von Liam weit und breit keine Spur, anscheinend hat er verstanden, dass ich ihn heute nicht mehr sehen will.

Ich schließe die Augen, um mich ein wenig erholen zu können. Der Tag bis jetzt war schon anstrengend genug und ich hoffe, dass Harry sich wieder etwas beruhigt hat. Eigentlich habe ich geplant, dass, sobald ich von der Arbeit zurückkomme, mit Harry eine Runde spazieren würde und anschließend in einem Restaurant mit ihm essen gehen würde. Doch da wusste ich noch nicht, dass Harry mich mit einem Messer verletzen würde und mir diesen an die Kehle halten würde.

Ein Räuspern lässt mich aus meiner ruhenden Position schrecken und ich reiße meine Augen panisch auf. Ich erkenne, dass Harry einige Schritte entfernt von mir steht und dass sein Blick auf mir liegt. Hinter ihm befinden sich zwei große, kräftige Männer, die jeweils eine Hand auf Harrys Oberarmen liegen haben. Seine Hände sind hinter seinem Rücken versteckt und er verlagert sein Gewicht stets von dem linken Fuß auf den rechten und umgekehrt. Er lächelt mich nicht an, sondern zieht seine Augenbrauen zusammen.

„Miss Richards, folgen Sie uns bitte.", ertönt die Stimme des Mannes, der links hinter Harry steht. Schnell stehe ich auf und greife nach meiner Handtasche, um sie mir wenig später über eine Schulter zu werfen. Harry wird umgedreht und seine Begleitungen schubsen ihn sanft, damit er sich in Bewegung setzt. Wir gehen durch mir unbekannte Gänge und steigen Treppen hinauf.

Währenddessen kann ich erkennen, wieso Harrys Hände hinter seinem Rücken versteckt sind: Handschellen. Kurzzeitig bin ich versucht, den Männern zu sagen, dass er diese nicht braucht, doch dann kommen die Erinnerungen von heute Nachmittag hoch. Wie sehr ich Angst vor Harry hatte und dass ich ihm zugetraut hätte, mir die Kehle durchzuschneiden.

Schließlich kommen wir vor einer offenstehenden Tür an und betreten durch diese einen Raum, der mich an Verhörszenen bei Kriminal-Filmen erinnert. Die Wände sind in einem trüben, hellen grau angestrichen und der Boden ist weiß ohne auch nur einem Fleck. Das Zimmer besitzt lediglich ein kleines, längliches Fenster, durch das niemals ein Mensch passen könnte. Tageslicht erhellt durch das Glas den Raum und dennoch wird eine Lampe angeschaltet, denn es dringen nicht genügend Sonnenstrahlen hinein. In der Mitte befindet sich ein metallener Tisch und zwei Sessel. Auf einen setzt sich Harry und fragt seine Begleiter leise: „Kann ich die Hände vor mir haben? Ich kann so nicht bequem sitzen."

„Bürschchen, ich habe heute keine Lust mehr, dich noch einmal auf den Boden zu drücken, also bleiben die Hände hinten.", antwortet einer der Männer genervt, der andere fügt noch hinzu: „Wehe, du machst irgendetwas Dummes oder Unüberlegtes."

Auch ich nehme Platz auf einem Sessel, direkt gegenüber von Harry. Ich stelle meine Tasche neben mir auf den Boden und verschränke anschließend meine Hände auf der Tischplatte. Einer der Begleiter schließt die Tür und anschließend lehnen sich beide an die Wand, die sich hinter Harry befindet.

Stille kehrt in den Raum ein, welche jedoch ziemlich schnell von Harry zerstört wird: „Wann kann ich wieder nach Hause?"

Frozen / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt