6| Hilory

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Rose (12)

Es war dunkel.

Vollkommen isoliert.

Kein Geräusch, kein Licht, kein Geruch.

Wo war ich? Was war passiert?

Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern.

Ich war mit Mom an der Elbe gewesen. Wir waren zusammen eine Gasse mit verschiedenen Cafés entlang geschlendert.

Die Sonne stand am Himmel und ich hatte mir meine viel zu dicke Jacke um die Hüften gebunden. Beide hatten wir schon mehrere Plastiktüten von unserem vorrausgehenden Shoppingtrip in den Händen. Das Plastik schnitt mir unangenehm in die Handfläche und ich musste immer wieder meine Jacke fest ziehen.

Mom erblickte nach ungefähr der Hälfte des Weges ein nobles Café. Es hatte an der Seite zum Wasser nur Glaswände und eine hübsche Terrasse. Diese war aus hellem Holz gemacht und mit einzelnen dunklen Sesseln bestückt.

In einem der Sessel sahs eine etwas pummelige Dame. Ihr quitsch gelbes Kostüm glänzte unangenehm in der Sonne und durch die übergroßen Gläser ihrer Brille sah man ihre Augen nicht. Ein Hut mit weiter Krempe im selben Farbton wie ihr Outfit schmückte ihren Kopf.
Eine schlanke Hand hatte sie elegant um die sehr kleine Kaffeetasse gelegt und hielt sie kurz vor dem Mund, immer dafür bereit einen Schluck zu trinken.

Jetzt jedenfalls sah sie in unsere Richtung und ich sah ihre spöttisch hochgezogenden Augenbrauen sogar noch über den überdeminsionalen Gläsern hervor lugen. Ihr Blick wanderte von mir zu meiner Mutter und wieder zurück.

Ich sah an mir runter.

Ich hatte einen weiten Roch an, der mir bis zu den Knien ging. Dazu eine ärmellose Bluse und die helle Cordjacke um die Tailie geschlungen. Eigentlich etwas, was ich immer trug.

Als ich wieder hoch schaute, sah ich wie meine Mutter gerade das Café betratt und folgte ihr schnell. Als ich die Tür öffnete schlug mir der Geruch von Kaffee und exotischen Blumen entgegen.

Meine Mom hatte sich schon an einem Tisch nieder gelassen und studierte die Karte mit verschiedenen Getränken. Auch ich lies mich aufschnaufend auf einen Stuhl fallen, was mir ein paar angewiederte Blicke der anderen Menschen in diesem Lokal einbrachte. Augenverdrehend schnappte ich mir eine Karte und studierte sie wie meine Mutter.

Nachdem wir bestellt hatten, glitt​ mein Blick wieder nach draußen. Ich liebte Hamburg einfach. Es war nichts wirklich besonderes und die Elbe war bestimmt nicht der hübscheste Fluss, aber es war mein zu Hause. Gerade fuhr ein kleines Segelboot durch das Wasser vor dem Café. Es hatte dunkelrote Segel und an der Seite konnte ich den Namen 'Hilory' erkennen. Es trieb auf dem olivgrünen Wasser dahin und wirkte wie ein Fremdkörper. Ein paar Möwen flogen über dem Wasser und dem Weg davor. Eine sahs sogar auf dem Mast des Bootes. Sie bewegten ihre Köpfe hin und her und versuchten auch den kleinsten Brotkrummen zu entdecken.

Ich war so abgelenkt von den Möwen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie unsere Getränke gebracht wurden. Der Tee meiner Mutter war schon zur Hälfte aus getrunken und ich wusste, dass sie wenn sie fertig war nicht auf mich warten würde.

Sie hatte ihren eigenen Zeitplan und es war schon ein Wunder, dass ein Cafébesuch in diesem Platz fand. Ich machte mich daran meine Lemonade mit extra Zitronenwürfeln zu schlürfen -was mir wieder ein paar nicht gerade freundliche Blicke einbrachte-.

Als meine Mutter fertig war stand sie wie angekündigt auf und bezahlte. Dann hetzte sie fast schon aus dem Lokal auf die Straße. Ihre langen blonden Haare hinter ihr her wehend und die Hände voller Taschen.

Ich nahm das letzte Zitronenstück in den Mund und erschauderte angenehm, als ich die Säure schmeckte. Dann nahm ich die restlichen Tüten -man musste meiner Mutter zu gute halten, dass sie die meisten genommen hat- und eilte aus der Tür.

Draußen wäre ich fast mit der gelben Frau zusammen gestoßen. Ich konnte es nur verhindern, weil meine Taschen mich von dem Schwung des Herumrennens nach links zogen -schweres Gepäck hat eine Aufgabe gefunden: Rette mich vor Frauen im gelben Kostüm-. Ich hörte die Dame zwar noch über 'die Jugend von heute' schimpfen,nur hatte ich diesen Vortrag schon so oft von meiner Oma gehört, dass ich ihn wirklich auswendig konnte -im Wesentlichen: Junge Leute machen alles falsch-.

Ich entdeckte die Jacke meiner Mom gerade um eine Ecke verschwinden und rannte ihr fast hinterher.

Meine Füße trugen mich nach rechts und plötzlich wurde alles dunkel.

Nein ich bin nicht ohnmächtig geworden.

Es war einfach so, als ob jemand die Sonne wie win Licht gedämmt hat. Die Gasse war schmal und wenn ich schmal sage,dann meine ich richtig schmal. Die Geräusche von dem Weg vor der Gasse drangen nur dumpf zu mir und es wirkte alles sehr gruselig.

Ich ging weiter.

Meine Mom war auch hier lang gegangen. Jeder Schritt halten von den Wänden wieder und ich fing fast automatisch an zu schleichen. Meine Plastiktüten schabten an der Wand entlang. Alles war so laut hier drin.

Wahrscheinlich war ich einfach zu laut.

Vielleicht waren sie auch einfach zu leise.

Jedenfalls war kurz darauf wieder alles dunkel. Nur dieses mal wurde ich wirklich ohnmächtig.

Mom hatte wohl doch nicht diese Gasse genommen.

Warum Rose? (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt