1. Rat: Ein Nachtalb eignet sich nicht als Mitbewohner!

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Ehrwürdiger Leser dieses unglaublichen – nein – verzaubernden, schier begeisternden Buches, es erfüllt mich mit purer Entzückung, dass dieses Buch in Ihre Hände gefallen ist und ehrfürchtig verbeuge ich mich vor Ihnen...

Das ist doch schon mal ein guter Anfang, stimmt's? Ja, mag sein, dass ich noch etwas an der Wortwahl herumbasteln muss, aber ansonsten.
Kann ich dich duzen, Fremder? Das darfst du natürlich ebenfalls.
Mein Name lautet Casta. Ein nicht ganz so passender Name, wenn man bedenkt, dass er für Reinheit steht. Ich habe in etwa so viel mit der Reinheit zu tun, wie Elben mit Gesichtsbeharrung.
Jedenfalls begrüße ich dich zu meiner aller ersten und hoffentlich bahnbrechenden Geschichte! Fast all' meine Freunde aus der Akademie haben schon ihr erstes Siegelbuch, Zauberbuch oder Geschichtsbuch angefertigt, ich liege damit also – mal wieder – ziemlich zurück. Aber besser spät als nie! Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass mein Siegel-, oder Zauber-, oder Geschichtsbuch, die ihrigen um Längen schlagen wird. Ja, ich hab mich noch nicht wirklich fest gelegt, auf was sich mein Buch spezialisieren soll, aber wie wär's denn mit allen drei Themengebieten? Das hat sicher noch niemand in ganz Bree gewagt! Ich kann die Stimme von Meister Zarek schon fast hören:

„Oh! Oh, mein lieber Casta!"

Nein, warte. Das muss viel ehrfürchtiger klingen, streichen wir das letzte:
„Oh! Oh, mein wertvollster Schüler! Oh! Casta! Zukünftiger Meister von Bree – Nein! Von ganz Ereth! Oh, was für eine Ehre es doch war, Sie unter meinen Fittichen haben zu können. Oh, dieses Buch ist der ganze Stolz von Ereth, bei Merlins Bart!"

Ja, so in etwa würde Meister Zarek reagieren, da bin ich mir absolut sicher. Ich würde natürlich mit geschwellter Brust und tiefer Stimme etwas erwidern wie...

„Es war mir eine Ehre, dir zu dienen und jetzt geh in die Knie und huldige dem neuen Meister von Bree, Casta Omen!"

Genau so würde es ablaufen. Ich meine, ich kann Meister Zarek mit diesem Buch nur begeistern. Schließlich habe ich extra in den tiefen Troll-Höhlen von Tresed nach diesen Buchseiten gesucht, von denen er erst neulich gesprochen hat. Ich kann mich nicht mehr ganz genau an den Vortrag erinnern und was überhaupt an diesen Buchseiten so besonders sein soll, aber als er meinte, dass sie bisher unauffindbar waren und sehr viel Verantwortung dazu gehört, um mit ihnen umgehen zu können – da war ich natürlich hellhörig geworden. Verantwortung ist mein zweiter Vorname: Casta Verantwortung Omen.

Ich habe jedenfalls nicht vor irgendjemanden zu erzählen, dass ich die alten Blätter Treseds gefunden habe. Sonst werden sie mir am Ende noch entzogen. Obwohl ich vermutlich auch viel Ruhm ernten würde, wenn erst mal ganz Bree wüsste, dass ich die verzauberten Papiere gefunden habe.

Falls dieses Buch einem Bree'er in die Hände fallen sollte, dann sei dir gesagt, Freund: Ich erkannte die Bürde und Verantwortung, die mit den Papieren einherging und beschloss, dass es noch zu früh sei, die frohe Nachricht zu verkünden. Ich verwahre sie daher sicher unter meiner Matratze, bis ich weiß, zu was sie überhaupt gut sind.
...das kam jetzt falsch. Es ist nicht so, dass ich nicht wissen würde, welchem Zweck sie dienen. Ich meinte damit nur, dass ich mir noch nicht sicher bin wem ich dieses Geheimnis und die damit verbundene Bürde anvertrauen kann. Genau so war es gemeint. Wirklich!

Ich kann mir vorstellen, dass eines Tages ganz Ereth dieses Buch lesen wird, weil endlich alle begreifen, wie unglaublich Casta Omen ist.
...also nicht, dass die Leute, das nicht jetzt schon begreifen würden. Nein, es ist nur so, dass ich eventuell, ein ganz klein wenig als Außenseiter bekannt bin.

Aber das wird sich schon bald ändern! Schließlich sind die Helden in jeder Geschichte zu Anfang echte Dilldappe, stimmt's? Dieser ganze Sachverhalt passt wie die Faust aufs Auge! Bei Olympia, ich bin wahrlich in die Rolle des Helden geboren. Wo wir schon dabei sind, können wir gleich diese dramatische Begebenheit ein wenig ausschlachten:

Wie kann es sein, dass dem tapferen, ruhmreichen Casta nicht der Ehre zuteilwird, die er sich verdient hat?
Das habe ich wohl der Schicksalsgöttin selbst zu verdanken. Ereth ist das Land der Magier und Bree die Hauptstadt dieses wundervollen Landes. Wie der Name schon verraten mag ist die Population von Magiern in etwa so hoch, wie die von Trollen in Höhlen: Es leben ausschließlich Magier in Ereth. Alte Legenden besagen, dass Eos – die Göttin der Morgenröte – Ereth erbaut hat. Deswegen ist unser Land auch als Land der Morgenröte bekannt. Damals wandelten Menschen auf den sanften Hügel Ereths. Doch die Göttin Eos wurde den Menschen schnell überdrüssig, sie wurden ihr zu langweilig. Sie entschied sich die Besten unter ihnen, die mit dem stärksten Durchhaltevermögen, zu segnen und schenkte ihnen einen Teil ihrer Kräfte. Kräfte die Elementarmagie zu beherrschen und so half Eos den Menschen zu Magiern zu werden.  Fortan wandelten nur noch die Magier durch die Wiesen Ereths und die wenigen übrigen Menschen setzten sich weiter nördlich ab. In dem Land Namuh.

Wie alle anderen in Bree waren meine Eltern große Magier. Jedoch hab ich irgendwie keine Kräfte abbekommen. Ich bin ein Magier ohne die Fähigkeit Elementarmagie anzuwenden. Es gelingt mir einfach nicht. Meister Zarek meint ich hätte mein wahres Potenzial nur noch nicht erkannt, aber wenn selbst Dreijährige schon Zauber anwenden können, dann bezweifle ich, dass da mit meinen achtzehn Jahren noch was bei mir raus kommt. Ich bin einfach verflucht.

Aber das ist schon okay. Das macht mich doch nur umso interessanter als Held, oder? Ich werde aufgehen, wie ein Phönix im Feuer!

Natürlich ist es nicht gerade einfach, als Zauberfreier Magier die Akademie abzuschließen, die sich nun mal auf Magie spezialisiert hat. Aber ich bin fest entschlossen. Die Magie, die ich nämlich beherrsche, nennt sich Wissenschaft. Während die Anderen einen Feuerzauber mit bloßen Händen ausüben und ihre Angreifer in die Flucht schlagen, habe ich dafür eine Erfindung ans Tageslicht gebracht. Ich nenne sie: Feuerkugel – ich arbeite noch an dem Namen.

Sie funktioniert wie folgt: in eine geschmiedete Eisenkugel, wird das Gas eines nordischen Feuerdrachens gefüllt. Die Eisenkugel ist von innen mit einem leicht entzündlichen Gemisch aus Schwefel und rotem Phosphor ausgekleidet. Wenn man einen kleinen Hebel an der Seite der Kugel betätigt, wird das Gemisch von Schwefel und Phosphor an die raue Innenseite der Metall Kugel gerieben, woraufhin ein Funke überspringt und das Gas entzündet, durch den hohen Druck springt die Kugel auf und man habe einen perfekten Feuerball. Genial oder? Ich muss nur noch das Werfen ein wenig üben...

Natürlich weiß ich, dass es nicht dasselbe wie Elementarmagie ist, aber es ist eben ein Anfang! Ich bin mir sicher, dass meine Erfindungen eines Tages gar die Grenzen Ereths verlassen. Ich spüre, dass ich für mehr geschaffen bin...eines Tages, ganz sicher!

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