2. Rat -Wiedergänger sind nicht gleich Wiederkäuer

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Ich habe unglaubliche Neuigkeiten! Schier überragende, großartige und lebensverändernde Neuigkeiten! Ich habe tatsächlich herausgefunden was das Besondere an den Papieren aus den Höhlen von Tresed ist. Sie gelten als verzauberte Reliquien. Sie gehörten einst König Liudnarht von Ereth, der sie von der Göttin Eos selbst bekommen haben soll. Ich habe also aus Versehen seine Grabstätte gefunden und geplündert. Aus religiöser Sicht ist das jetzt sicher ziemlich dumm gelaufen, aber – bei Merlins Bart – aus meiner Sicht ist das einfach nur klasse!

Ich habe auch herausgefunden, für was genau die Papiere gut sind. In der alten Bibliothek gab es tatsächlich ein ganzes Buch über den alten Knacker Liudnarht. Ich weiß ja, dass er ein König war – ist ja auch gut und schön, aber wen kratzt der alte Typ denn heute noch? Natürlich würde ich ja gerne Schuld empfinden, dass ich seine Grabstätte geplündert habe – die beigemerkt echt hässlich ist, wer lässt sich denn in einer alten Höhle bestatten? Da hat ja meine Toilette mehr Stil – aber so sehr ich mich auch anstrenge...wirkliche Reue empfinde ich nicht. Schließlich habe ich den alten Knacker auch nie kennengelernt. Also wäre ich der König von Ereth – nur mal ganz hypothetisch – dann würde ich meinen ganzen verzauberten Krimskram vor meinem Tod verschenken. Wenn das nämlich alles mit mir unter der Erde landen würde, dann nützt das doch auch keinem mehr was. Ich hoffe du verstehst was ich meine, Liudnarht! War wirklich nicht böse gemeint, als ich deine Reliquien geklaut...nein warte...ausgeliehen habe. Sieh mich einfach als deinen Erben an, ich werde sowieso bald der König von Ereth sein. Ach was sag ich? Der König der gesamten Welt! Vom ganzen Kosmos!

Jetzt habe ich schon viel zu viele Worte diesem alten, zu Staub zerfallenen Opa gewidmet, wo ich dir doch eigentlich den Sinn und Zweck der Papiere erklären wollte. 'Tschuldige, manchmal geht's einfach mit mir durch.

Die Papiere sind nämlich nicht einfach nur aus Fasern des Papyrus, nein! Die Göttin Eos hat sie selbst gesegnet. Sie sind ein ganz besonderes Mittel der Kommunikation. König Liudnarht konnte mit diesen Seiten Kontakt aufnehmen zu anderen Welten. Welten außerhalb unserer Dimension! Außerhalb unserer Vorstellungen! Diese Welten vereinten nur die niedergeschriebenen Worte eines großen Königs.

...und ich verwende sie grade um das hier niederzuschreiben. Naja, wer hat der kann! Ich habe wirklich keine Ahnung, wer du bist oder warum du das liest oder wo du das überhaupt liest. Geschweige denn, ob du mir diese abgedrehte Geschichte überhaupt glaubst. Fakt ist, dass uns diese Worte vereinen. Wir mögen in unterschiedlichen Welten leben. Unsichtbare Grenzen und Mauern trennen uns, die wir nie überwinden können. Doch das transparente Band dieser Worte wird uns für immer vereinen.

Ich weiß, dass es eine unglaublich große Verantwortung ist diese Blätter zu besitzen und sie überhaupt zu beschreiben. Ich meine wer weiß wo diese Worte landen – wo dieses Portal überhaupt hin führt. Ob vielleicht sogar ein Troll diese Worte hier liest oder ein Wesen, das in unserer Welt gar nicht aufzufinden ist. Doch ich bin wirklich tief entschlossen, dass ich dieser Verantwortung gewachsen bin. Wie gesagt, ich werde ganz sicher zum König dieser Welt aufsteigen. Also habe ich es auch nur verdient diese Blätter in meinen Händen halten zu dürfen.

Ich habe mich jetzt übrigens auch dafür entschieden, welches Thema dieses Buch aufgreifen wird. Es wird weder ein Magie-, noch ein Siegel-, noch ein Geschichtsbuch. Es wird eine Autobiografie! Eine Autobiografie über Casta Omen. Etwas, was jeder gerne lesen würde. Ist auch viel interessanter als eines der anderen drei Themen.

Ich muss zugeben, dass ich jetzt nicht wirklich viel über Autobiografien weiß. Ich glaube das Wissen kommt erst mit dem Schreiben. Außerdem, wie sagt man so schön: Probieren geht über Studieren. Was ich aber von Biografien weiß ist, dass sie sich meist um denjenigen drehen, der sie niederschreibt. Das ist schon mal gut, denn das bin ich und schließlich soll es hier ja auch um mich gehen.

Jedenfalls möchte ich dich an meiner Reise zum angehenden König natürlich teilhaben lassen. In weniger als einem Mond  habe ich meine Abschlussprüfung. Wenn ich die bestehe bin ich ein ausgebildeter Magier von Ereth und dann kann ich endlich Bree verlassen. Ich weiß noch nicht ganz genau wo ich hin möchte, aber Hauptsache weg, raus aus Bree und Ereht. Ich will die Welt sehen und mir einen großen Magier suchen, der mich als seinen Schüler aufnimmt, bis auch er mir nicht mehr gewachsen ist. Irgendwann wenn ich alle Länder des Kosmos bereist habe, werde ich nach Ereth zurück kehren. Und dort mein Königsdasein antreten. Soviel zur Theorie!

Ich plane für die ganze Reise eine optimistische Dauer von 24 Monden ein. Man muss sich schließlich auch hohe Ziele stecken.
Mein jetziges Ziel ist es jedoch erst einmal die Abschlussprüfung zu bestehen. Dafür muss man in einer Gruppe – bestehend aus vier Leuten – einen Gegner der Klasse fünf bezwingen. Das kann wirklich alles sein...ein Drache, ein Troll...oder vielleicht sogar ein Dämon?

Bei der ganzen Sache gibt es nur ein Problem: die Gruppe. Ich meine...wie formuliere ich das jetzt am besten, ohne dass du das falsch auffasst?

Hör zu, es ist nicht so als wäre ich unbeliebt in meinem Jahrgang, gar eine Niete, ein absoluter Außenseiter, der Dreck vom Dreck...nein...so ist es wirklich nicht...
Ich bin nur nicht unbedingt, nennen wir es...integriert. Niemand will mit mir in eine Gruppe und dafür gibt es auch einen guten Grund: Ich kann einfach nicht zaubern. Ich konnte mich bis zur Abschlussprüfung mit Hilfe meiner Erfindungen und der Wissenschaft gut durchmogeln und bei Athene, ich habe mir wirklich viel Mühe gegeben. Den Anderen fällt es einfach nur zu. Sie lernen die Weissagungen, die Sprüche und die Handzeichen und schon haben sie einen Feuerzauber. Aber bei mir sieht das anders aus. Ich habe dir ja schon erklärt, wie ich Feuerkugeln bastle. Aber nicht wie viel Zeit das in Anspruch nimmt. Wahrhaftig, für eine Feuerkugel brauche ich ganze fünf Sanduhren. Ganz am Anfang, vor vielen Etos und Monden, als ich der Akademie beitreten wollte, hat man mir gesagt, dass ich das nicht könne.

„Ein Magier, der nicht zaubern kann? Was bist du denn für ein Witz?"

Mag sein, dass das ungewöhnlich ist. Mag sein, dass ich kein Naturtalent bin. Mag sein, dass keiner in ganz Ereth auch nur ansatzweise an mich glaubt, aber ich muss es trotzdem versuchen. Ich muss einfach. Hör zu, vielleicht trifft das ja auch auf dich zu: Jeder versucht dir deine Träume auszureden, weil sie hoffen, dass du anfängst aufzugeben. Ich denke wirklich, dass jeder in diesem Kosmos wichtig ist, bedeutsam ist, sei es auch nur für eine Person, die an dich glaubt. Auch ich. Aber niemand kämpft für mich, niemand glaubt an mich. Deswegen kämpfe und glaube ich an mich, weil es das einzige ist, was mir übrig bleibt. Das Leben verlangt von uns sehr oft, dass wir Dinge wegstecken müssen, für die wir gar keine Taschen haben. Doch weißt du was? In diesem Leben ist jeder mutig, der nicht aufgibt. Wenn es auch nur einen einzigen gibt, der sich um dich sorgt und glaubt dein Leben ist wertvoll, wie kannst du dann aufgeben?
Ich muss aber auch ehrlich sagen, dass ich einmal kurz vorm Aufgeben stand. Ganz genau erklären kann ich es nicht, aber diese Blätter auf denen ich dies niederschreibe, lassen mich besser fühlen. Sie geben mir Hoffnung. Es mag vielleicht kindlich und naiv erscheinen, aber sie lassen mich so fühlen, als wäre da jemand bei mir.
Als wärst du bei mir.
Der Gedanke gefällt mir.

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