Es war später Abend im Haus an der Swallowtail Drive.
Cas war im Arbeitszimmer, saß wie ein Sperlingsvogel im Schneidersitz auf seinem Stuhl und kritzelte zusammenhanglose Reime strukturlos und vereinzelt auf das Papier.
Er wollte nicht ins Wohnzimmer gehen. Dean trank – er hatte über die letzten paar Wochen immer mehr getrunken – und Cas hatte das Gefühl, dass er jeden Moment die Grenze von zufrieden zu bitter überschreiten würde.
Wenigstens etwas gab Cas ein winziges bisschen Hoffnung: Er konnte endlich spüren, dass das Gedicht über Dean, welches er inzwischen seit Monaten zu schreiben versuchte, wie eine Wolke in seinem Hinterkopf zusammenkam. In ein oder zwei Tagen würde er es haben, das wusste er. Cas testete gerade Metren und Kadenzen auf seinem Notizblock aus – er wartete mit dem Tippen, bis sich irgendeine Form von dem Papier unter seiner Hand abgehoben hatte – als Dean dreimal in willkürlichen Abständen an die Tür klopfte.
Cas hielt inne. Von draußen hörte er das ungeduldige Scharren von Deans Füßen, was bedeutete, dass er sehr betrunken war. Er war sich nur nicht sicher, wie betrunken.
Widerstrebend klopfte er mit seinem Stift auf den Tisch, um Komm rein zu sagen.
,,Hast ja lange genug gebraucht", sagte Dean, als er die Tür öffnete.
Cas schloss die Augen. Dann wohl sehr, sehr betrunken. Und nicht in freundlicher Stimmung.
Er drehte sich in seinem Stuhl um. Wenn du ins Bett gehst, komme ich erst später nach. Ich schreibe.
Dean hielt mit einer Hand seinen Flachmann fest, während er an der Wand des Arbeitszimmers lehnte und ihn mit trüben Augen irritiert ansah.
,,Schreibst du darüber, wie sehr du mich hasst?", fragte er und grinste, als ob er einen Witz gerissen hätte.
Cas runzelte die Stirn. Natürlich nicht. Gibt es etwas, über das du reden möchtest, Dean?
Dean lachte. Das Geräusch ließ ihn zusammenzucken.
Seine grünen Augen verengten sich und er lächelte. Es war das gehässigste Lächeln, das Cas je auf seinem Gesicht gesehen hatte. Dean nahm einen Schluck und presste seine Lippen zu einer schmalen, missbilligenden Linie zusammen.
,,Du willst über etwas reden?", lallte er und wedelte ziellos mit seinen Armen herum. ,,Sicher, lass uns reden – oh, warte, das hab' ich vergessen. Du kannst ja nicht."
Die darauffolgende Stille bohrte sich wie ein Messer in seinen Bauch.
Cas stand auf. Er spürte, wie seine Hände zu zittern begannen und eine heiße Welle von Scham über ihn rauschte, als er gestikulierte: Was hast du gerade gesagt?
,,Ich sagte, dass du nicht reden kannst. Ja? Du willst plaudern? Wir haben seit Jahren nicht geredet, weil du nicht reden kannst. Du kannst mit deinen Händen herumfuchteln, aber das ist nicht reden. Gott."
Dean nahm einen großen Schluck. Cas konnte die Tränen in seinen Augen prickeln fühlen, konnte seine eigenen Gedanken fast wimmern hören: Warum? Warum sagst du solche Sachen zu mir?
,,Hast du- Hast du irgendeine Ahnung, was ich alles ertragen musste? Na? Hast du? Du leistest deinen Beitrag überhaupt nicht, weißt du das?" Dean lachte. Es war ein schreckliches, schrilles, fürchterliches Lachen, das durch das Zimmer, das Haus und generell alles drang. Cas musste hinter sich nach dem Tisch greifen, um nicht rückwärts umzufallen. ,,Ich- Ich gehe da raus und rette Leute, ich arbeite in der Stadt und rette Leuten das Leben, während du dich hier wie ein Liebeskranker nach irgendwelchem Romantikscheiß sehnst, Gedichte schreiben versuchst und Angst vor dem Rasen im Vorgarten hast. Ich meine, komm schon, Mann!"
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The Inexhaustible Silence of Houses (deutsch)
FanfictionFast zwei Jahre nachdem die Welt nicht endet, verliert Castiel seine Gnade - und dabei auch seine Stimme. Das ist der Anstoß für Geständnisse und Veränderungen. Bald darauf beginnt er eine Liebesbeziehung mit Dean, die Winchesters sind müde, und die...