4. Mit ihm allein

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Der Wagen hält vor einem Hauseingang, wir steigen aus und in mir steigt ein bösartiges Gefühl auf - ich habe unsagbare Angst davor, gleich mit ihm allein zu sein...

Keinen Schritt kann ich weitergehen!

Zebediah hält sich an meiner Seite, als sich die großen Glastüren zum Foyer vor uns öffnen. „Was ist?" Er hebt fragend die Augenbrauen.

„Ich... ich werde da nicht reingehen", krächze ich. Verzweifelt starre ich ihn an.

„Du möchtest nicht mit mir kommen?" Er glotzt mich geradezu verblüfft an. Das ist neu für ihn, immerhin hatte er mich beim Tanzen dazu aufgefordert. Na ja - eigentlich nicht wortwörtlich...

„Du musst mich schon überzeugen", mein stümperhafter Versuch, keck zu lächeln, misslingt mir.

Doch dann lacht er hellauf. „Du bist echt erfrischend! Ja, wirklich, was hab ich doch für ein Glück, dich getroffen zu haben!" Nachsichtig lächelt er und bleibt völlig gelassen, etwas derart unvorhergesehenes, dass ich verwirrt bin.

„Na dann komm, trinken wir vorher noch etwas, ein paar Häuser weiter ist eine kleine Bar, die ist ganz annehmbar. Da sind wir unter uns."

Kaum hat er mit dem Arm eine ausladende Geste gemacht, setzen sich meine Beine ganz wie von selbst in Bewegung, egal, wie sehr mich meine Angst nur einen Augenblick zuvor noch gelähmt hat. Kilgrave begreift sofort seinen Fehler, doch es ist zu spät, der Befehl ist erteilt. Schulterzuckend folgt er mir jedoch und holt mich schon nach drei Schritten wieder ein.

„Hier ist es."

Er führt mich in eine sehr moderne Bar. Sie ist fast leer zu dieser noch recht frühen Uhrzeit. Wir setzen uns gegenüber an einen Fensterplatz und bestellen uns etwas zu trinken, für ihn ein Glas Rotwein, ich selbst nehme einen karibischen Cocktail. Eine ganze Weile schweigen wir uns an und ich bemerke trotz meines gesenkten Blicks, dass er mich mustert.

Endlich schaue ich hoch und begegne einem sanften Ausdruck seinerseits.

„Danke", entschlüpft es mir unwillkürlich.

Er legt die Stirn in Falten. „Wofür bedankst du dich?"

„Ich war noch nicht bereit für das Stelldichein."

„Du hast mir vorhin aber noch etwas ganz anderes gesagt." Ich fühle mich von seinem Blick seziert, gleichzeitig scheint er nicht verstimmt zu sein über meine Worte, denn es liegt kein Vorwurf in seiner Stimme, nur Neugier.

Räuspernd fährt er nach einem Moment fort. „Du scheinst wirklich eine erstaunliche Willenskraft zu haben - und ich habe selten jemanden getroffen, der mich fordert..."

Sein Blick... er schwebt bereits wieder in anderen Sphären, so scheint mir.

Wir nippen für einen Augenblick schweigend an unseren Drinks, bevor ich mich räuspere und ein Gespräch beginne.

„Du hast mir vorhin erzählt, dass ich dich an jemanden erinnere-", Kilgraves braune Augen fahren wie angestochen hoch und durchbohren mich. Ich schlucke beklommen, versuche aber, mit Ruhe weiterzureden, „-wie sah sie aus? Etwa so wie ich?"

Und dann erlebe ich bei diesem Mann zum ersten Mal, seit ich ihm über den Weg gelaufen bin, so etwas wie Nervosität. Er nickt und schweift mit den Augen über mich hinweg.

„Es war die leuchtend gelbe Farbe... sie hatte dieses gelbe Kleid an, es stand ihr so gut. Zusammen mit dem blassen Gesicht und dem rabenschwarzen Haar...", Zebediah flüstert fast, so leise ist er geworden.

Das ist es also - ich sehe einer anderen ähnlich!

Meine Miene muss sich leicht verächtlich verzogen haben, denn er beeilt sich, eine Erklärung hinterher zu liefern. „Aber es ist so viel mehr! Du hast... diese Lebendigkeit, die sie auch besaß." Warum hat Kilgrave mir gegenüber diesen Rechtfertigungsdrang? Er sitzt da und verliert sich in Erinnerungen an eine andere Frau.

Jetzt bin ich doch neugierig. „Hast du sie geliebt?"

Stumm nickt er, blickt tief in sein Glas.

Mit einem Mal sieht er so traurig aus. Nein, fast wütend... er grollt plötzlich.

„Sie hat mich verlassen. Dachte wohl, ich sei tot...", er winkt ab, möchte das Thema wechseln. „Tut aber überhaupt nichts zur Sache, denn du bist so ganz und gar nicht ihr Klon oder Zwilling. Im Gegenteil, du interessierst mich, ganz eigenständig... einzigartig!"

Ich nicke automatisch, um mein Verstehen zu signalisieren. Jedoch juckt es mich in den Fingern, nachzuhaken, ich kann nicht anders. „Du hast sie kontrolliert, nicht wahr? Wusstest nicht, ob sie deine Zuneigung erwidert..."

Mir schwindet der Atem, wie kann ich bloß solche Fragen stellen!

Erneut wird sein Blick stechend, fast überrascht schaut er mich an. Ist ihm jener Gedanke etwa nie gekommen? Wieder kommt ein gewisses Mitleid mit seiner Situation in mir hoch.

„Weißt du denn überhaupt, ob irgendjemand dich mag oder dir einfach nur gehorcht?"

„Ich konnte es noch nie unterscheiden... und im Alltag ist es mir auch egal." Er sieht mich mit einem sonderbaren Ausdruck an und rückt näher. „Es reizt mich ungemein, deine Neugier zu spüren, diese erfrischende Energie, an der ich mich reiben kann."

Unwillkürlich fühle ich mich geschmeichelt und seine Grübchen vertiefen sich zu einem einnehmenden Lächeln, als er es bemerkt.

„Ich kann dir zeigen, wie man diese Energie freisetzt, kann sie unseren Körpern entlocken", setzt er hinzu, was mir sofort wieder einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagen lässt. Wie war das nun wieder gemeint?

Doch Zebediah ist hin und weg, entrückt sieht er mir in die Augen. „Du sollst für diesen Moment glücklich sein. Ich hab das noch nie gehabt, dieses Gefühl... ich möchte dich auf Händen tragen", raunt er und nimmt meine Hand in seine, zieht sie an seine Lippen und küsst sie bedächtig.

In mir wallt ein außerordentliches Gefühl auf, so beschwingt - Zebediah erscheint mir fast wie in einem anderen Licht. Da ist seine Verwundbarkeit, die ich auffangen möchte, seine Einsamkeit, die von mir unbedingt gestillt werden muss! Denn ich habe ihm so viel zu geben, mein Glück mit ihm zu teilen, das er mir bereitet... ich kann kaum Luft holen, so sehr werde ich von meinen Emotionen überflutet, die wie Wellen meinen Körper durchwandern, von dem einen Punkt in meiner Hand ausgehend, wo er mich gerade mit seinen Lippen berührt hat.

„Mona... welch eine schöne Frau steckt hinter diesem Namen! Lass uns austrinken und endlich zu mir gehen", murmelt er erregt und ungeduldig, ignoriert dabei meinen sofortigen Gehorsam, indem ich mir das Cocktailglas an den Hals setze und die Pina Colada auf ex hinunterstürze, bevor ich auch schon aufspringe und zum Gehen bereit bin.

Marvel's Jessica Jones: He made me do itWo Geschichten leben. Entdecke jetzt