Kapitel 1

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Ich wirbelte herum und schlug dabei mit der Axt in zwei Baumstämmen ein, ehe ich sie mit aller Kraft gegen den nächsten Baum schleuderte. Sie blieb in seinem Stamm stecken was zeigte, dass die Wucht groß genug gewesen war.

Ich wischte mir mit der Hand den Schweiß aus der Stirn, während ich zum Baum ging um meine Axt zurück zu holen. Die Axt, mein verlängerter Arm und die Waffe meiner Wahl für die Arena.

Ich wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, bis sich mein Wutanfall nach der Verkündung wieder gelegt hatte. Es war auf jeden Fall schon dunkel gewesen und draußen war die Hölle los. Es wurde gegen das Urteil protestiert, Flaggen brannten und die Schüsse von Friedenswächtern erfüllten den Distrikt. Es rührte mich, dass sich die Bewohner hier so für mich einsetzten, doch am Ende brachte es nichts. Am nächsten Tag hingen drei Tote auf dem Hinrichtungsplatz und ich musste trotzdem zurück in die Arena. Das würde mittlerweile schon in 2 Wochen sein.

Seit klar war, dass ich keine Chance hatte, keine Widersprüche zugelassen wurden und sie uns wirklich zurück in die Arena steckten, trainierte ich jeden Tag. Als ehemalige Waldarbeiterin besaß ich eine Axt, weshalb das Trainieren im Wald kein Problem war. Sie brach zweimal, doch jedes Mal flickte Pius sie wieder zusammen. Pius, der oft kam um mit mir zu trainieren und um dessen Sicherheit ich mir jetzt keine Gedanken mehr machen brauchte. Niemand würde mehr meinetwegen sterben, da ich dieses Mal selbst an der Reihe war. Trotz dieser Erkenntnis trainierte ich, da ich niemals kampflos untergehen würde. Ich wollte meinem Distrikt ein Vorbild sein und ihm zeigen, dass ich trotz diesem Todesurteil noch immer kämpfen würde. Vielleicht würden sie es dann ebenfalls tun und nicht aufgeben, auch wenn ich ihnen schon nicht mehr helfen konnte.

„Guter Wurf.", sagte Pius, der heute wieder dabei war, von seinem Baumstamm aus, auf dem er oft saß und mich beobachtete.

„Danke.", erwiderte ich und ging zurück zu meiner Position.

„Links!", rief Pius nun und schaltete sich in mein Training ein. Sofort wirbelte ich in diese Richtung und holte mit der Axt aus. Manchmal tat er es und versuchte mich damit zu überraschen, doch mittlerweile schaffte er das kaum noch.

„Rechts!", kam die nächste Anweisung und jetzt schlug ich nach meinem imaginären Angreifer aus dieser Richtung. So ging das eine Weile weiter, als plötzlich jemand schrie, ich sollte damit aufhören.

„Was?", fragte ich und legte meine Axt lässig über die Schulter, während ich den Friedenswächter fixierte, der auf mich zukam.

„Was habt ihr hier zu suchen?", rief er.

„Ich trainiere, wie man sehen kann."

„Zivilisten ist es nicht gestattet, Waffen zu führen. Darauf steht die...", begann er, doch ich schnitt ihm das Wort ab.

„Was steht darauf? Die Todesstrafe? Wollen Sie mich wirklich töten, weil ich mit der Axt im Wald trainiere? Ich hätte mir auch lieber ein paar Friedenswächter ausgesucht, aber ich habe mich dann doch für Bäume entschieden.", knurrte ich. „Und Sie wollen mich töten? Fein. Dann gehen Sie wohl als weiblicher Tribut der 75. Hungerspiele an den Start?" Ich war wütend und zeigte das auch, und als ich einen Schritt auf ihn zuging, griff er tatsächlich nach seiner Waffe.

„Nur zu. Das erspart mir die Reise ins Kapitol. Leider gibt es dann keinen weiblichen Tribut aus Distrikt 7.", gab ich ruhig von mir. Ein paar Sekunden schien er noch zu brauchen, doch dann senkte er die Pistole wieder. Er ermahnte mich nur noch, damit auch wirklich hier zu bleiben, ehe er wieder verschwand. Ihm blieb allerdings auch keine Wahl, da er nicht riskieren konnte, die Spiele zu gefährden.

„Du wirst nicht sterben. Du bist stark und kommst zurück.", meinte Pius, nachdem wir wieder alleine waren.

„Sie alle sind stark. Vielleicht erwischt es ein paar alte Mentoren, aber sonst sind alle stark. Sie alle haben die Spiele schon einmal gewonnen.", erinnerte ich ihn. Außerdem wusste ich nicht, ob ich sie gewinnen wollte. Zwar konnte es für ihn gut ausgehen, doch wenn sie Finnick zogen... Ich würde ihn niemals töten können.

„Aber du bist stärker!", ließ Pius nicht locker und sprang auf.

„Sie werden alle trainieren. Alle! Katniss Everdeen wird dabei sein und wenn es ihren Loverboy erwischt, dann fliegen ihnen sicher die Sponsorengelder nur so zu. Und jetzt halt die Klappe und hör auf über die Spiele zu reden.", brummte ich.

„Das ist unfair.", wollte er jetzt anfangen, weshalb ich ihn genervt unterbrach.

„Hör einfach auf damit!"

Dieses Gespräch hatten wir schon so oft geführt. Pius war außer sich gewesen, als ihm klar wurde, dass ich zurück in die Arena musste. Er wollte kämpfen, einen Aufstand anzetteln, doch nachdem er in der Nacht der Verkündung schon schief gegangen war, überredete ich ihn es zu lassen. Es wäre nur sein Tod und das konnte ich nicht zulassen. Vor allem, da es dann doch meinetwegen wäre und ich außerdem wusste, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nichts brachte. Und wenn sie den ganzen Distrikt niederbrennen mussten, sie würden es tun um mich und einen weiteren Mentor in die Arena zu zerren.

„Wenn du nicht wieder kommst, dann brenne ich den Distrikt nieder.", brummte er.

„Ich bitte darum. Fang bei den Häusern der Friedenswächter an. Brennt alles nieder, zeigt ihnen, dass Distrikt 7 stark ist. Ich werde im Kapitol so gut es geht Ärger machen. Vielleicht verübe ich ja einen Anschlag auf den Präsidenten? Was es ist, sie dürfen nicht gewinnen, auch wenn es jetzt danach aussieht. Sollen sie ruhig glauben, sie versetzten auch allein einen Schlag, indem sie die Sieger töten. Standhaft bleiben, keine Johannas mehr nerven und jetzt weiter trainieren. Eine halbe Stunde noch?", ging ich darauf ein. Allerdings nur in der Hoffnung, dass er dann den Mund hielt. Er tat es und schnappte sich dann ein paar Kiefernzapfen, um sie auf mich zu werfen, während ich sie mit der Axt abwehren sollte. Ich tat es und so trainierten wir weiter. Da es im Moment das einzige war, was ich tun konnte.

Johanna Mason - Die 75. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt