Kapitel 2

357 26 2
                                    

„Finnick? Finnick!", schrie ich und rannte durch den Wald. In meiner einen Hand ich hielt ich eine Axt und in der anderen das Schwert, welches ich Enobaria gerade abgenommen hatte. Nicht mehr lange und ihre Kanone würde erklingen. Ihr Tod machte mir überraschenderweise nichts aus, anders sah es da allerdings bei Caius aus. Er hatte Finnick verfolgt der fliehen konnte, während Enobaria sich mir in den Weg gestellt hatte. Doch ganz gleich ob wir früher einmal so etwas wie befreundet waren, ich würde ihn töten, um Finnick zu retten. Nur er oder ich, ein anderer Sieger kam für mich nicht in Frage.

Eine Kanone erklang und ich wusste, dass meine Gegnerin nun tot war. Ein weiteres Leben war durch meine Axt ausgelöscht worden. Als aber plötzlich eine zweite Kanone erklang, trieb mich die Furcht weiter an und ich rannte noch schneller, doch ich kam zu spät. Als ich eine Lichtung erreichte konnte ich Caius vor mir sehen. Er stand einfach nur da und hatte sein Schwert sinken lassen. Blut tropfte davon herab und als ich die leblose Gestalt am Boden sah wusste ich auch, von wem es war.

„FINNICK!", brüllte ich, danach stürzte ich mich mit Tränen in den Augen auf den Mann aus Distrikt 2. Er würde sterben, er würde qualvoll sterben! Ganz egal was vor den Spielen war, das war nicht mehr von Bedeutung. Wir waren wieder Marionetten des Kapitols und töteten ohne zu zögern. Genauso, wie sie es haben wollten.

Ich schreckte hoch und brauchte einen Augenblick um mich zu orientieren. Hier war kein Wald und auch kein toter Finnick. Ich war auch nicht in der Arena, sondern in meinem Schlafzimmer. Es war also wieder nur ein Albtraum, die mich seit Wochen immer wieder heimsuchten. Mutationen, tote Finnicks und Morde meinerseits waren die Dinge, die sich abwechselten und mich beinahe jede Nacht aufweckten. Wieso ich plötzlich Albträume hatte, wo ich doch bisher beinahe davon verschont geblieben war wusste ich nicht, doch ich hatte ehrlich gesagt auch keine große Lust darüber nachzudenken. Sie waren da und ich wurde sie nicht los. Und je näher die Spiele rückten, desto intensiver wurden die Träume.

Ich würde es nicht zugeben, aber meine größte Sorge war, dass Finnick gezogen wurde. Wenn wir zusammen in die Spiele mussten... ich wusste nicht, wie ich das machen sollte. Sollte ich mich mit ihm verbünden oder war es klüger, wenn wir getrennte Wege gingen? Dann konnten wir darauf hoffen, dass einer von uns beiden tot war, bevor das Finale eingeläutet wurde. Oder wir waren bis dahin beide tot.

Ich seufzte und warf die Bettdecke zur Seite, ehe ich aufstand und in die Küche ging. Direkt nach einem Albtraum konnte ich nie gleich wieder einschlafen, weshalb ich beschloss, erst einmal ein Glas Milch zu trinken. Angeblich machte Milch müde, zumindest hatte ich das gehört, und das konnte jetzt nicht schaden um wieder einzuschlafen.

In der Küche angekommen fiel mein Blick sofort auf den Zettel, der noch immer auf dem Küchentisch stand. Ich hatte den Brief heute Abend verfasst, um einen Erben für mein Vermögen zu bestimmen, sollte ich in den Spielen sterben. Da ich dank Snow keine Familie hatte und auch sonst niemanden, der mir wichtig war, abgesehen von Finnick und vielleicht Jason, die aber selbst genug Geld hatten, beschloss ich Pius zu wählen. Er konnte das Geld gut gebrauchen und seit wir miteinander trainierten konnte ich ihn eigentlich auch gut leiden, weshalb ich es ihm sogar gerne gab. Mein Haus konnte ich ihm leider nicht geben, da es ja Eigentum des Kapitols war und nur für Sieger bestimmt war, solange diese lebten. Immerhin konnte es passieren, dass irgendwann alle Häuser einmal besetzt waren und sie dann auch mein Haus wieder benötigten, sollten die Spiele noch lange andauern. Was ich nicht hoffte, doch in letzter Zeit war Hoffnung nichts, was zu gebrauchen war.

Ich riss meinen Blick von dem Gegenstand los, der mir meinen Tod so deutlich vor Augen führte, und suchte stattdessen die Milchflasche im Kühlschrank und anschließend ein Glas. Danach setzte ich mich vor das Fernsehgerät und konnte kurz darauf die Highlights der Spiele von Gloss verfolgen.

Seit der Verkündung des Jubeljubiläums kamen vermehrt Wiederholungen der Spiele, wobei es ausschließlich welche von noch lebenden Siegern waren. Damit Panem sehen konnte, welche möglichen Tribute für die Spiele in Frage kamen und welch großartige Siege sie schon eingebracht hatten.

Was ich von Finnick gehört hatte, der das überraschenderweise ganz offen im Telefon erwähnt hatte, waren die Leute im Kapitol nicht davon begeistert, dass ihre Sieger zurück in die Spiele sollten und sie dadurch gleich 23 von ihnen verlieren würden. Die Wiederholungen und Lobpreisungen uns gegenüber sollten wohl ihre Neugierde auf diese besondere Variante und Qualität der Spiele wecken. Wenn man allerdings daran dachte, dass einige der Sieger nicht mehr die jüngsten waren und auch sie für die Spiele ausgelost werden konnten, würde auch das ihre Begeisterung nicht wecken. Diese Spiele würden nämlich mit Sicherheit ziemlich langweilig werden, da diese Tribute überhaupt keine Chance hatten, wenn sie nicht ohne Krückstock vorwärts kamen, weshalb ich auch der Meinung war, dass sie die Auslosung bestimmt ein wenig manipulieren würden. Diejenigen, die ihnen schon lange ein Dorn im Auge waren und die es galt loszuwerden, würden sicher gezogen werden. Aus diesem Grund war ich auch zu dem Entschluss gekommen, dass wenn ich nicht eh die einzige Kandidatin auf den Tributejob wäre, mich spätestens das manipulierte Los zurück in die Arena schicken würde. Ich konnte nur hoffen, dass sie Finnick noch zu sehr brauchten und ihn nicht auch schon vorher für die Spiele auswählen würden.

Ich seufzte und schaltete den Fernseher wieder aus. Jetzt die Spiele von Gloss zu sehen brachte mich nicht auf andere Gedanken. Im Gegenteil, stattdessen dachte ich nur noch an die Spiele und das war Gift, wenn ich vor heute Abend wieder einschlafen wollte. Deshalb stand ich auf, stellte das Glas ab und zog eine Jacke über, ehe ich in die kalte Nachtluft trat. Vielleicht half mir ein wenig frische Luft, wieder runter zu kommen.

Johanna Mason - Die 75. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt